Malte trägt immer einen Zettel bei sich, auf dem er alle Namen notiert hat, die im Falle seines Todes benachrichtigt werden sollen. Aber eigentlich steht nur sein Freund Patrick darauf – behauptet Malte. Es verbreitet sich eine nahezu innige Stimmung abends im Wohnwagen, doch Patrick grummelt nur in sein Kopfkissen: „War ja klar. Wenn’s Probleme gibt, kommst du zu mir.“ Sie sind wieder da, die beiden Männer um die 60, die eine gemeinsame Kindheit verbracht haben und sich im „Freunde“-Film (2021) nach langer Zeit wiedersahen. Patrick wollte sich nach dem Krebstod seiner Frau Anja umbringen, doch Maltes überraschendes Auftauchen veränderte alles. Die Gespräche, in denen die alten Freunde ihre Erinnerungen auffrischten und dabei einige Geheimnisse lüfteten, sorgten für neue Sichtweisen und vielleicht auch neuen Lebensschub.
Gut zwei Jahre später ist Patrick der Überraschungsgast, der Malte an einem außergewöhnlichen Ort aufstöbert. Malte hat seinen Buchladen verkauft und haust nun in einem klapprigen Wohnwagen direkt an der Ostsee. Auf Gesellschaft darf er in dem ehemaligen militärischen Sperrgebiet eigentlich nicht hoffen, denn Warnschilder weisen auf Munition und Minen im Boden hin. Wenn Malte also aus dem Wohnwagen tritt, hat er den weiten Blick übers Meer vor sich – und in seinem Rücken eine vom Menschen verlassene Landschaft, die gerade von der Natur zurückerobert wird. Während im ersten Film der ausgedehnte Garten in Patricks Elternhaus wie eine verwunschene Märchenwelt aus der Kindheit der Protagonisten wirkte, scheinen nun die wuchtigen Ruinen der ehemaligen Kasernengebäude eine Metapher zu sein für die Themen Vergänglichkeit und Tod.
Foto: HR / Stephan Rabold
In ihren Wesenszügen sind die Figuren kaum verändert und leicht wiederzuerkennen. Patrick ist immer noch der etwas zu Selbstmitleid neigende Griesgram, der sich erst einmal beklagt, dass Malte zuletzt vor eineinhalb Jahren einen Weihnachtsgruß geschickt habe. Und er trägt immer noch einen schwarzen Anzug wie im ersten Film. „Du hast dich seit Anjas Beerdigung nicht mehr umgezogen“, spottet Malte, der von Patrick immer für seinen Lebensmut und die Kraft zu Neuanfängen bewundert und beneidet wurde. Nun aber sucht Patrick den Freund mit einigem Ärger im Bauch auf. Denn der vermeintliche Aussteiger Malte hat einen handfesten Grund, weshalb er mit seinem Wohnwagen ausgerechnet in dieser Gegend Halt gemacht hat. Nicht weit entfernt soll das Konzert einer Band stattfinden, in der sein Sohn Vincent spielt. Offiziell ist Vincent, der aus einer Affäre Anjas mit Malte stammt, freilich Patricks Sohn. Die Freunde hatten vereinbart, dass sie das Geheimnis für sich behalten und Malte keinen Kontakt zu Vincent aufnimmt. Doch Patrick hatte auf einem Foto im Netz entdeckt, dass Malte schon bei einem anderen Konzert im Publikum war. Konsequent halten Ungureit und Ostermann jedoch am Konzept eines Zwei-Personen-Stücks fest. Und so bleibt Vincent das Phantom eines Sohnes, der ganz nahe, aber nur zu hören ist, wenn aus der Ferne der Soundcheck der Band herüberweht – eine schöne Art, von der Distanz zwischen Eltern und erwachsen gewordenen Kindern zu erzählen.
Wenn Malte und Patrick bei tief stehender Sonne schweigend aufs Meer schauen, droht zwar schon mal Kitsch-Alarm, aber emotional wird es nur auf dezente, ungekünstelte Art. Dafür sorgen Ungureits kluge, mal tiefgründige, mal komische Dialoge, die niemals wie aufgeschrieben und abgelesen klingen. Und natürlich die erfahrenen Schauspieler Matthes und von Dohnányi, die, wie es scheint, wieder mit einiger Freude das Spiel mit den bekannten Rollen fortführen. Ohnehin geht es bei Dosen-Ravioli und Dosen-Bier eher bodenständig zu. Und die Musik von Stefan Will im verspielten Jazz-Sound passt wunderbar zu der etwas sentimentalen, aber auch tragikomischen Stimmung dieses Männer-Stelldicheins. Die Bilder von dem faszinierenden Schauplatz tun ihr Übriges, damit keine Langeweile aufkommt. Regisseur Ostermann bezieht das ehemalige Sperrgebiet auf der Halbinsel Wustrow in der Mecklenburger Bucht natürlich mit ein – mal dramatisch und auch mal „sportlich“: Statt eines Kräftemessens am Tisch-Kicker wie im ersten Film duellieren sich Malte und Patrick beim Minigolf, in einer eigens vom Filmteam angelegten, von Pflanzen bereits überwucherten Anlage. Zudem ist Schildkröte Bruno als, nun ja, „running gag“ erneut mit dabei. Auch der unternehmungslustige Bruno, der in etwa das gleiche Alter erreicht hat wie Malte und Patrick, hält die beiden Herren auf Trab. Wie sich zeigt, passt das reduzierte Konzept eines Zwei-Personen-Stücks (plus Schildkröte) nicht nur in die Zeit einer Pandemie mit Kontaktverboten.
Foto: HR / Stephan Rabold