Die Ehe von Claire und Frank ist schon lange kein Sommernachtstraum mehr. Vor über 20 Jahren spielten sie auf der Bühne Titania und Oberon – und verliebten sich ineinander, heirateten, bekamen zwei Kinder und drifteten zunehmend auseinander: er wurde Lehrer, den seine Schüler(innen) mögen, sie wurde erfolgreiche Physikerin, der sogar die eigenen Kinder aus dem Weg gehen. Die beiden verdienen doppelt, verstehen einander aber nicht einmal halb. Und so wird eine vermeintliche Katastrophe zur zweiten Chance: als Frank mit seiner Theater-AG eine Aufführung des „Mittsommernachtstraum“ plant, weckt das selbst bei der kühlen Claire manche Erinnerungen an bessere Zeiten: Sie versinkt im Text, imaginiert sich in ihre Jugend, lässt jenen zukunftsweisenden Abend jener Shakespeare-Aufführung vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen – da war der Kuss, der mehr war als ein Bühnenkuss… Im Nostalgietaumel fällt sie zu Boden und stürzt kopfüber zurück in ihr Jugendalter.
Was der Heldin in „16 über Nacht!“ widerfährt, das imitieren so ein bisschen auch die Macher dieser kurzweiligen Bodyswitch-Komödie mit dem Motto: Zurück in die Achtziger! In jenes Jahrzehnt, in dem im Kino Teenager in die Jugend ihrer Eltern reisten („Zurück in die Zukunft“), in dem ein 13-Jähriger zum Dreißigjährigen wurde („Big“) oder Männer in Frauenkörpern und umgekehrt erwachten („Switch“). Und weil die Medienmoden immer schneller zurückkommen ist dieser Fernsehfilm von Sven Bohse nach dem Buch von Aglef Püschel und Michael Kenda der x-te Wiedergänger des beliebten Genres, das in den 00er Jahren mit Hollywoodfilmen wie „Schwer verliebt“, „Being John Malkovich“, „30 über Nacht“ oder „Freaky Friday“ retro & erfolgreich war und das selbst hierzulande schon eine Reihe solider TV-Komödien wie „Plötzlich wieder 16“, „Plötzlich fett“ oder „Großer Mann, ganz klein“ hervorbrachte, aber mit „Es kommt noch dicker“ oder „Plötzlich 70“ auch weniger Rühmenswertes. Die beste Sat-1-Bodyswitch-Komödie der letzten Jahre war „Zurück zum Glück“ mit Anna Hausburg: Sie spielt nun auch die Hauptrolle in „16 über Nacht!“. Es ist die bislang beste deutsche Variation des „Raus-aus-meinem-Körper“-Motivs, das mit dem „Rein in ein neues Lebensgefühl“ mit der berühmten zweiten Chance winkt.
Foto: Sat 1 / Maor Waisburd
Soundtrack:
Everything Everything („The House Is Dust“), The Polyphonic Spree („Light & Day“ / „Reach For The Sun“), Phoenix („Trying To Be Cool“), Foals („Alabaster“ & „Fugue“), TV on the Radio („Staring At The Sun“), Kendrick Lamar („Money Trees“), Lloyd Banks („Beamer, Benz Or Bentley“), Passion Pit („Where We Belong“), Crystal Fighters („Champion Sound“)
Eine spießige 39-Jährige im Körper einer megahübschen Minderjährigen – und wie es zu erwarten ist, kommt dabei immer wieder die „Mama“ durch. Und die kommt in Gestalt der 16-jährigen Tamara ihrem Töchterchen, das sich selbst pubertär zum hässlichen Entlein stempelt, so nah wie seit Jahren nicht mehr. Ihr Sohn verliebt sich zwar nicht so richtig in „dieses Gerät“, aber sonst doch so ziemlich jeder an der Schule, in die Claire noch einmal gehen muss. Schließlich will sie ihren Frank zurückgewinnen – und ihn nicht an den coolen Klassen-Vamp verlieren. Mit dem Zurückgewinnen, das klappt zunächst nicht so ganz. Immerhin steht der Knuddel-Pauker aber auch nicht auf die minderjährige Konkurrentin.
„16 über Nacht!“ legt größeren Wert auf die sinnstiftende Familienzusammenführung als auf alberne Bodyswitch-Momente. Situationskomik dieser Art ist in den letzten 30 Jahren schon oft genug bemüht worden. Dafür gehen die Autoren stärker in die Interaktionen und messen der Wandlung der Charaktere mehr Bedeutung bei. Billige Lacher auf Kosten einzelner Figuren hat diese Sat-1-Komödie nicht nötig. Niemand wird an das Mehrwissen der Hauptfigur verkauft, niemand einer Pointe wegen verraten. Da ist es eher die spießige, hyperkorrekte Heldin, die von den Autoren sanft belächelt wird, am Ende aber die Chance bekommt, „irgendwie doch wieder ein bisschen jünger“ zu werden. Entsprechend sorgfältig ausgewählt ist die Besetzung: Janek Rieke bedient wunderbar sein schamhaftes Leisetreter-Image, Elena Uhlig setzt auf ihre Rampensau-Mentalität, und Anna Hausburg ist schon lang nicht mehr nur das „Hübschen“: Sie besitzt enorme Spielfreude und komödiantische Kraft. Anmutig und mit vielen Gesichtern, mit der Erfahrung von zwölf Jahren Filmarbeit und mit der Frische ihrer 23 Jahre schultert die Wedel-Entdeckung („Papa und Mama“) dieses wunderbar beschwingte, leichtfüßige Sat-1-TV-Movie. Vermisst da etwa einer die „Mama“ Sophie Schütt?!
Foto: Sat 1 / Maor Waisburd
Fragt sich, ob diese Komödie ihre Zielgruppe finden wird. Wer könnte überhaupt alles Zielgruppe sein? Die Teenies und twentysomethings werden zwar kaum einschalten, aber denen dürfte Anna Hausburg und das Schul-Milieu Argument genug sein. Den männlichen Youngsters ins Beuteschema passen dürfte auch die Männerfalle Sarah Horváth. Der Sat-1-Fernsehfilm-Klientel, den Frauen zwischen 35 und 59, geht zwar Sophie Schütt nach wenigen Minuten verlustig, die könnten sich aber dafür über den „süßen“ Softie-Stoffel Janek Rieke beäumeln. Die Männer gleichen Alters gehören zwar weniger zur Zielgruppe, könnten aber ohne Reue mitgucken – und sich ungestraft an unziemlichen Männerphantasien („süße 16“) weiden: reichlich offensiv und verführerisch umflirten hier schließlich zwei Teenies (ihre Darstellerinnen indes sind volljährig) den ebenso sprachlosen wie standhaften Familienvater.
„16 über Nacht“ ist eine irrwitzige Variation des beliebten Themas „Was ist aus den Idealen, den Träumen der Jugend, was ist aus der Liebe geworden?“. Der Bodyswitch ist eine Art körperlicher Reflex auf eine latente Ehekrise, dieses „Ich bin im Moment nicht ich selbst“ ist eine spielerische Metapher für das berühmte „Wir brauchen eine Auszeit“ oder „Ich muss mir klar werden, wo ich stehe“. Genrelogisch rund ist aber nicht nur die Konstruktion der Story (das ist selten hierzulande) – auch filmisch, in Sachen Szenenbild, Rhythmus, Soundtrack und Regieeinfälle, ist „16 über Nacht!“ ein echter Spaßmacher.