1000 Mexikaner

Bastian Reiber, Arnel Taci, David Bredin, Philipp Scholz. Verspielt, überdreht, spaßig

Foto: NDR / Christine Schroeder
Foto Tilmann P. Gangloff

„1000 Mexikaner“ ist ein ähnlicher Mix wie das Getränk aus Korn, Tomatensaft & Tabasco, auf das sich der Titel bezieht: Eigentlich sollen zwei beste Kumpel für einen Freund bloß ein Hochzeitsvideo drehen, aber wo immer sie auftauchen, hinterlassen sie Schutt und Asche. Das turbulente Debüt strotzt geradezu vor Ideen, ist mit viel Liebe zum Detail umgesetzt und erfreut zudem durch augenzwinkernde Gastauftritte. Dieses „Buddy-Movie“ ist eine Huldigung für eine Form von Freundschaft, wie man sie nur in den unbeschwerten Jugendjahren erlebt: die Welt ein riesiger Abenteuer-Spielplatz.

Debütfilme erinnern mitunter an Kinder, die sich wie kleine Erwachsene benehmen: schwere, tiefgründige Dramen mit viel Weltschmerz. „1000 Mexikaner“ ist das genaue Gegenteil: Die überdrehte Komödie ist geprägt von einer Unbefangenheit, die sich Autoren und Regisseure später meist nicht mehr erlauben können, wenn sie im formatierten Fernsehalltag angekommen sind. Der Film wirkt daher wie die übermütige Arbeit zweier Jungs aus Salzgitter, die mit „American Pie“ und „Road Trip“ (1999/2000) aufgewachsen sind und sich damals vorgenommen haben: „So was drehen wir auch mal.“ Später haben sie dann womöglich noch „Die Hochzeits-Crasher“ (2005) und „Hangover“ (2009) gesehen, und damit war klar, worum es in ihrem Erstlingswerk gehen soll.

Wie bei vielen guten Geschichten ist der Handlungskern denkbar übersichtlich: Zwei Freunde sollen einen Hochzeitsfilm drehen, aber bei der Produktion geht schief, was schiefgehen kann. Rund um ihre Ausgangsidee haben Philipp Scholz (auch Regie) & Florian Gregor eine Vielzahl verrückter Situationen kreiert. Trotzdem ist die Komödie keine Nummernrevue geworden, denn das geplante Video ist nur Mittel zum Zweck; „1000 Mexikaner“ ist als „Buddy-Movie“ eine Huldigung für eine Form von Freundschaft, wie man sie nur in den unbeschwerten Jugendjahren erlebt, wenn sich die Welt als riesiger Abenteuer-Spielplatz darbietet. Der Film ist aber auch eine Hommage an urige Kiezkneipen, denn das Lokal von Earl (Uwe Rohde), einer Art väterlicher Freund der beiden Helden, ist ihr zweites Zuhause. Der Titel bezieht sich auf ein von Earl im Überfluss kredenztes Mixgetränk aus Korn, Tomatensaft und Tabasco, von dem Adam (Taci) und Lukas (Reiber) regelmäßig zuviel genießen; es wird ohnehin ganz schön viel Alkohol vernichtet in diesem Film. Die Mexikaner sorgen dafür, dass die beiden bei der Produktion des Hochzeitsvideos ein Chaos nach dem anderen stiften.

Zunächst beginnt die Geschichte jedoch ganz anders: Adam arbeitet für eine Filmproduktion und wird gefeuert, weil er den Star (Ralf Richter) um ein Autogramm für Lukas gebeten hat. Außerdem hat er ein Auto demoliert; der Produktionsleiter (Peter Lohmeyer) will 8.000 Euro Schadensersatz. Adam träumt ohnehin davon, gemeinsam mit dem Freund eine eigene Produktionsfirma aufzumachen. Die Gelegenheit wäre günstig, aber Lukas ist in der Werbebranche gelandet und hat Aussicht auf einen Karrieresprung. Als sie den Abend wieder mal bei Earl verbringen, treffen sie Marten (Stefan Haschke), der händeringend und sehr kurzfristig Ersatz für ein Team finden muss, das seinen Hochzeitsfilm drehen sollte. Adam, Typ charmantes Großmaul, ist Feuer und Flamme, aber Lukas, eher ein Zauderer, will unbedingt die Chance nutzen, die ihm sein Chef Thierry (Ingo Naujoks) bietet; bis Rocko (David Bredin) auftaucht. Er ist Martens großer Bruder & ehemaliger Elitesoldat, der den Jungs ein Angebot unterbreitet, das sie nicht ablehnen können. Außerdem macht er ihnen klar, dass Scheitern keine Option ist, weshalb Lukas den Karrieresprung kurzerhand verschiebt.

„1000 Mexikaner“ ist im Rahmen der NDR-Debütreihe „Nordlichter“ entstanden, aber der Film hat ein viel größeres Publikum verdient, als der Sendeplatz um 22.00 Uhr im NDR-Fernsehen mutmaßlich zu bieten hat. Die Szenen, die Scholz und Gregor nun flüssig aneinanderreihen, sind derart liebevoll ausgedacht und umgesetzt, dass die Komödie garantiert im Kino funktionieren würde. Auch die Schauspieler hatten sichtlich Spaß. Gerade der meist als Nebendarsteller schräger Typen besetzte David Bredin, der eigentlich längst ein Star sein müsste, spielt den Eisenfresser, der die zwei Jungs mit militärischem Drill behandelt, mit großer Hingabe. Herrlich ist auch die Szene, in der Adam und Lukas die Eltern des Hochzeitspaares interviewen sollen. Der Vater (Markus John) der Braut entpuppt sich als langjähriger Betreiber der Kirmesattraktion „Wilde Maus“ und gibt eine Kostprobe seiner alles andere als jugendfreien Animiermonologe zum Besten. Die Eltern (Hannes Hellmann, Claudia Rieschel) des Bräutigams, alter hanseatischer Geldadel, sind entsprechend schockiert, die Mutter bezeichnet das andere Paar als Zigeuner, der Kirmesansager kontert mit „Rummelbüchse“, und schon läuft alles aus dem Ruder. Ähnlich desaströs endet der Versuch, den Antrag zu inszenieren: Adam setzt die zukünftige Braut (Julia Schäfle) auf ein Pony, aber weil er dann „Action!“ in sein Megafon brüllt, geht der Gaul durch und schleift Mila hinterher. Später bekommen die beiden verkrachten Filmemacher noch Ärger mit der Polizei, weil sie angeblich Martens Opa aus dem Altenheim entführt haben und sich herausstellt, dass sich Adam das Wohnmobil, mit dem sie unterwegs sind, bei der Filmproduktion „geliehen“ hat.

Es empfiehlt sich, zumindest im Herzen jung genug zu sein, um den Humor des Films genießen zu können. Sobald beispielsweise hübsche junge Frauen ins Spiel kommen, die von den beiden Hochzeitsfilmern regelmäßig überraschend angetan sind, wirkt „1000 Mexikaner“ wie ein in Erfüllung gegangener feuchter Jugendtraum; das Gagniveau bleibt trotzdem oberhalb der Gürtellinie. Auch wenn nicht alle Scherze und Slapstickeinlagen gelungen sind: Schon allein die Liebe zum Detail macht dieses Debüt sehr sympathisch. Die schönsten Momente haben Uwe Rohde und David Bredin: Als ein Gast renitent wird, zerquetscht Earl ein Schnapsglas zu Sand, den er aus seiner Pranke rieseln lässt; und als Mila ihm die Zutaten zu einem Cocktail aufzählt (Ingwerbier, Limette, Gurkenscheibe), lässt er kurzerhand eine Gewürzgurke in ein Bier fallen. Rockos erster Auftritt wird von den unverkennbaren Trommelklängen untermalt, die im Hollywoodkino traditionell für Soldaten stehen; seine Gesten werden von typischen Cartoon-Geräuschen begleitet. Witzig ist auch der Running Gag mit Adams Mix-Tape, einer CD, die gleich zweimal aus dem Autofenster fliegt. Abgerundet wird das Debüt durch einen Gitarren-Rock (Rasmus Borowski), der perfekt zum Film passt.

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Fernsehfilm

NDR

Mit Bastian Reiber, Arnel Taci, David Bredin, Stefan Haschke, Julia Schäfle, Uwe Rohde, Ingo Naujoks, Claudia Rieschel, Hannes Hellmann, Markus John, Katharina Schumacher, Peter Lohmeyer, Matthias Buss, Volker Zack Michalowski, Ralf Richter

Kamera: Kristian Leschner

Szenenbild: Uwe Berthold

Kostüm: Stefanie Jauss

Schnitt: Sönke Saalfeld

Musik: Rasmus Borowski

Produktionsfirma: La Mosca Bianca Films

Drehbuch: Philipp Scholz, Florian Gregor

Regie: Philipp Scholz

EA: 17.11.2016 22:00 Uhr | NDR

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