Zimmer im Grünen – Herzenswege

Janina Fautz, Hämer, Szyszkowitz, Ruppert, Krapoth, Ahrens. Bye, bye, Selbstzweifel!

22.03.2025 10:00 ZDF-Mediathek Mediathek-Premiere
30.03.2025 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

„Zimmer im Grünen“ (ZDF / Studio Zentral) ist die Fortsetzung von „Unterm Apfelbaum“ mit verändertem Konzept: 2022 war noch die Witwe Frieda die zentrale Figur, die von zwei weiteren Frauen durch ihre schwere Zeit begleitet wurde. Jetzt kommen Gäste und mit ihnen Geschichten ins Dorf. Da die hessische Pampa – auch touristisch betrachtet – nicht Oberbayern ist, war es eine gute Idee, den A-Plot dieser dritten Episode aus dem Ort heraus zu entwickeln. In dieser Landlust-Reihe geht es um Entlastung vom Alltag, um Identifikations- und Lebensmodellangebote. Die vielfältigen Rollenkonflikte der Vorgängerfilme lässt „Herzenswege“ zwar vermissen, ist dafür aber flüssig erzählt & inszeniert, psychologisch gut nachvollziehbar und die narrativen Stereotype werden angenehm locker ausgespielt. Zudem sind Cast sowie Score für „Herzkino“-Verhältnisse weit überdurchschnittlich.

Berlin, New York, Krachgarten – Lisa Krapp (Nina Fautz) wird sich entscheiden müssen. Sie saß mit ihrem Freund Louis (Eugene Boateng) bereits auf gepackten Koffern, als der Anruf aus ihrem hessischen Heimatdorf kam. Der Schlaganfall ihres Vaters (Martin Lindow) stellt für die Comic-Zeichnerin, die ein begehrtes USA-Studienstipendium in der Tasche hat, erst einmal all ihre Zukunftspläne infrage.  Vor einem Jahr erst der Tod der Mutter, jetzt die Sorge um den Vater – und dann auch noch das Familienunternehmen, Krapp-Handtaschen, ohne Leitung, wo doch richtungsweisende Entscheidungen anstehen. Lisa ist hin- und hergerissen. Da sind die alten Freunde, allen voran Tinka (Lotte Becker) und Gabriel (Karl Schaper), in den Lisa mal einen Sommer lang verliebt war und der jetzt – wie so viele im Ort – bei Krapp arbeitet. Da ist aber auch Heide (Aglaia Szyszkowitz), die Assistentin ihres Vaters und beste Freundin ihrer Mutter, die sich in Windeseile ins gemachte Nest gesetzt hat. So sieht es jedenfalls Lisa; deshalb wohnt sie auch lieber im neu eröffneten Bed & Breakfast von Frieda (Therese Hämer) als in ihrem Elternhaus. Frieda scheint es nach dem Tod ihres Mannes wieder gutzugehen, sie liebt die Ruhe, ihre Schafe – und dann hat sich auch noch der sonderbare Heinrich (Tobias van Dieken) bei ihr eingemietet, ein hochbegabter Alleswisser und leidenschaftlicher Erforscher von Stille. Dafür ist Krachgarten die richtige Adresse.

Zimmer im Grünen – HerzenswegeFoto: ZDF / Frank Dicks
Es bedarf nicht vieler Worte. Hat Heide Lisas ablehnende Haltung ihr gegenüber verdient? Janina Fautz und Aglaia Szyszkowitz

„Zimmer im Grünen“ ist die Fortsetzung von „Unterm Apfelbaum“ mit einer veränderten narrativen Konzeption: In den beiden Episoden von 2022 war noch die Witwe Frieda die zentrale Figur, die von zwei weiteren Frauen durch ihre schwere Zeit begleitet wurde. Eine von ihnen, Tinka, ist geblieben, die Zimmerin hat dabei mitgeholfen, dass Frieda ihren Fachwerkhof (er)halten konnte. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Ähnlich wie in der ARD-Reihe „Zimmer mit Stall“ kommen nun Gäste, um das Dorfidyll zu genießen. Und mit ihnen kommen Geschichten. Da die hessische Pampa touristisch weniger frequentiert sein dürfte als beispielsweise Oberbayern, war es eine gute Idee, den A-Plot aus dem Ort heraus zu entwickeln. Dieser ist dicht, (psychologisch) gut nachvollziehbar, und die Motiv-Anleihen bei Unterhaltungsfilmen dieser Art (Heimkehr, Herausforderung, „Stiefmutter“-Konflikt, Jugendliebe, Generationenwechsel, Selbstfindung) sind zwar offensichtlich, doch wie diese Narrative ausgespielt werden, das unterscheidet nach den Episoden „Einsturzgefährdet“ und „Panta Rhei“ auch „Herzenswege“ angenehm von anderen Formaten des leichten Genres. „Allein die Figuren sind das Maß aller Dinge“, hieß es in der Kritik 2022. Das gilt auch für die 2025er-Episode – was die Hauptcharaktere angeht: Lisa, Frieda, Heide. Wieder drei Frauen. Aber diesmal keine interdependenten Rollen-Konflikte, keine Persönlichkeitskollisionen, keine spezifische Generationen-Gender-Kultur-Konstellation.

Zimmer im Grünen – HerzenswegeFoto: ZDF / Frank Dicks
Pensionsgast Heinrich (Tobias van Dieken) hat viel zu berichten. Frieda (Therese Hämer): „So genau wollte ich es gar nicht wissen.“

Die vielfältigen Konfliktlagen aus „Unterm Apfelbaum“ wurden in „Herzenswege“ auf eine Frage konzentriert: Für welchen Lebensweg entscheidet sich die Mittzwanzigerin? Der zweite Konflikt, der zwischen Tochter und Schwiegermutter in spe, ist eher dramaturgischer Natur. Wie dessen Lösung im Schlussdrittel dem Ortsnamen Krachgarten alle Ehre macht (obwohl es hier doch sooo still ist), das bringt Leben in den Laden – und sorgt alsbald für Tränen des Schmerzes und der Entlastung. Friedas Maßnahme zur Streitschlichtung, Lisa und Heide einzusperren, erweist sich als clever – insbesondere, weil die beiden Streithühner mit Janina Fautz und Aglaia Szyszkowitz perfekt besetzt sind. Andere narrative Genre-Klischees bilden nicht mehr als einen optionalen Spielraum für die Projektionen der Zuschauer*innen. Allerdings lässt die Lockerheit der Erzählung und die Frische der weltoffenen, jungen Frau glücklicherweise keinen ernsthaften Zweifel daran, wohin am Ende für Lisa die Reise gehen wird. Denn so lieb und nett ihr Jugendfreund auch sein mag, ihr (und auch Louis) wird er nie das Wasser reichen können. Und es klingt einem auf die Frage, wie es Lisa in Krachgarten gehe, ihr Satz im Ohr: „Einerseits, als wär‘ ich nie weg gewesen. Andererseits, als wär‘ ich ein Alien, das gerade gelandet ist.“ Dass Lisa trotzdem zwischenzeitlich ins Grübeln gerät, hat neben der dramaturgischen Notwendigkeit mit ihren grundsätzlichen Selbstzweifeln zu tun. Ihre vorübergehende Rückkehr in ihr Heimatdorf, verbunden mit der Verantwortung für das Familienunternehmen, ist ihre erste Bewährungsprobe auf dem Weg in die große weite Welt: „Bye, bye, Selbstzweifel!“ Eine Tochter wird erwachsen.

Was „Herzenswege“ sonst noch so erzählt, ist nicht weltbewegend, aber es passt zu Lisas Geschichte, bildet den Horizont für diese unangestrengte Selbstfindung. Da plätschert der Bach, da wiegen sich die Getreidefelder im Wind, da sucht ein Sonderling, der bereits 114 Arten der Stille katalogisiert hat, das geräuschlose Nichts auf der Bank vor Friedas Hof. Ist ein solches Idyll realistisch oder zumindest realistischer als gesellschaftlich relevantere Großstadt-Dramedys? Ein soziales Problem-Thema in einem Unterhaltungsfilm-Plot unterzubringen, ist kein Qualitätskriterium. Wichtiger ist die Frage nach dem Wie und der Wirkung. In dieser Landlust-Reihe geht es um Entlastung vom Alltag, um Identifikations- und Lebensmodellangebote. Der Film von Felix Ahrens nach dem Drehbuch von Astrid Ruppert und Sophia Krapoth erfüllt diesen „Zweck“ und es gelingt ihm darüber hinaus, das Ganze ästhetisch und Cast-technisch stimmig zu verpacken: Die (heile) Welt wird einem sinnlich vermittelt und so nahbar gemacht, dass man den Eindruck hat, die Gefühlslagen der drei Frauen zu kennen oder zumindest zu verstehen. Wie die kleinen Geschichten kombiniert sind, wie die familiäre Vorgeschichte (auf dem Friedhof) etabliert wird, wie sich die Beziehung von Lisa und Heide über Situationen und Blicke erzählt, bevor der Konflikt verbal expliziert wird, das alles ist gutes Erzählhandwerk. Außergewöhnlich gut ist die Musik von Leonard Petersen: Der Score mit seinen Klatschgeräuschen hat etwas Dringliches, die Handlung und die Bilder Treibendes und spiegelt gleichsam etwas vom quirligen Charme der Hauptfigur wider. Die Akzentuierung des Klatschens – was Intensität und Tempo angeht – korrespondiert wunderbar mit den unterschiedlichen Stimmungslagen im Film. Applaus also für dieses etwas andere „Herzkino“-Movie.

Zimmer im Grünen – HerzenswegeFoto: ZDF / Frank Dicks
Alte Freundschaft rostet nicht. Dass daraus mehr wird, nehmen weder Lisa (Fautz), Gabriel (Karl Schaper) noch das Publikum an.

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ZDF

Mit Janina Fautz, Therese Hämer, Aglaia Szyszkowitz, Tobias van Dieken, Karl Schaper, Eugene Boateng, Lotte Becker, Martin Lindow, Lilly Forgách

Kamera: Lukas Steinbach

Szenenbild: Benjamin Speiswinkel

Kostüm: Brigitte Nierhaus

Schnitt: Hanka Knipper

Musik: Leonard Petersen

Soundtrack: Lucius („Turn It Around“), Caamp („Apple Tree Blues“), Florence + The Machine („Shake It Out“)

Produktionsfirma: Studio Zentral

Produktion: Lasse Scharpen

Drehbuch: Astrid Ruppert, Sophia Krapoth

Regie: Felix Ahrens

EA: 22.03.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 30.03.2025 20:15 Uhr | ZDF

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