Ein junger Türke wird zum Alptraum einer deutschen Familie. Am Anfang sind es nur die Schuhe, die sich jener Can vom Sprössling der wohlhabenden Laubs „ausleiht“. Doch als der deutsche Vater in der türkischen Familie interveniert, wächst die Wut. Jetzt ist der angehende Professor für Literatur die Zielscheibe des zornigen Türken. Can inszeniert einen Rachefeldzug, der den liberalen Bildungsbürger an seine Grenzen bringt. Bei Laubs Antritts-vorlesung kommt es zum Eklat. Das Familiengefüge droht zu zerbrechen.
„Der läuft jetzt rum wie eine entsicherte Handgranate“, erkennt die Frau im Hause Laub ganz richtig. Doch ihr Mann ist nicht in der Lage, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun. Doch kann es überhaupt ein richtiges Verhalten in einer solchen Situation geben? Wo ein Wütender mit einem Vernünftigen zusammentrifft, da ist nicht der Ort für Argumente. Wütendes Verhalten erzeugt Angst. Angst steckt aber auch im Wütenden. Der Film „Wut“ (Ausschnitt) erzählt also von einem Dilemma. Eine befriedigende Lösung kann es nicht geben. Der Film erzeugt Beklemmung, lässt den Zuschauer zurück mit mehr Fragen als Antworten. „Der Film fordert ein, was immer Versprechen des Mediums Fernsehen war: Mittler zwischen gesellschaftlichen Befindlichkeiten zu sein“, betont WDR-Redakteur Wolf-Dietrich Brücker.
Es überrascht nicht, dass es für Eipp nicht leicht war, einen Sender zu finden, der sein handwerklich hochgelobtes Drehbuch bereit war zu verfilmen. Brücker schließlich wollte den Film machen. Er wollte dem im Fernsehen überhand nehmenden Familienschmus mal wieder wie einst mit „Die Polizistin“ etwas Realistisches entgegensetzen. Der Film zeigt zwei Wertesysteme im Niedergang. Da ist die konservative türkische Kultur, für die Cans Vater steht und die vor allem auf Autorität, Prügel und Familienehre baut. Nicht weit her ist es auch mit der Welt der liberalen Eltern, die ohne Werte und ohne Herz ein Leben leben, bei dem Vieles Fassade ist. Beim Zusammentreffen der beiden Welten kommt es zu explosionsartigen Entladungen – auch deshalb, weil sich hier Habende und Nichthabende gegenüberstehen. Doch nicht nur die entstehende Gewalt, auch ihr Zünd-Stoff ist Thema von „Wut“. Brücker: „Es geht auch um Heimat, um eine Identitätsfindung und den Verlust von Ehre und Geborgenheit, um die Entstehung von Hassgefühlen, gegen die man sich nicht wehren kann.“
„Wut“ schert sich nicht um politische Korrektheit. Das Drehbuch ist der eigenen Erfahrung geschuldet. Auch Max Eipps Sohn geriet einmal in den unguten Einfluss eines jungen Türken. „Ich musste erkennen, dass ich ein Weltbild habe, das nicht zu dem passt, was mein Sohn auf der Straße erlebt“, so der Autor, der sich selbst als „alter liberaler Linker“ bezeichnet. Regisseur Züli Aladag („Elefantenherz“) kam es darauf an, alles so authentisch wie möglich darzustellen. Can-Darsteller Oktay Özdemir („Knallhart“), selbst aufgewachsen in Kreuzberg und ein Meister der Improvisation, war da eine sichere Bank. Gut und treffend in ihrer großbürgerlichen Verunsicherung sind auch August Zirner und Corinna Harfouch.
Den Vorwurf, Deutsch-Türken zu diskriminieren. „Es kann nicht sein, dass man Ausländer per se als Opfer darstellen muss“, so der Regisseur. Der Stoff habe schließlich auch nicht den Anspruch hat, den Türken an sich zu beschreiben. „Der Film begibt sich vielmehr in ein ganz spezifisches Milieu und zu einer ganz spezifischen Figur.“ (Text-Stand: 29.9.2007)