Werther

Konarske, Herzsprung, Rott, Uwe Janson & die ganz neuen Leiden des jungen W.

Foto: ZDF / Nils Kinder
Foto Tilmann P. Gangloff

Im Rahmen seiner Adaptionen klassischer Dramen für den ZDF-Theaterkanal, von „Baal“ bis „Lulu“, hat sich Uwe Janson nun Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ vorgenommen. „Werther“ 2008 ist weniger Schwärmer, mehr Individualist. Die Texte erscheinen zum Teil wie Fremdkörper. Um so besser die Inszenierung und das überwiegend aus Nachwuchsschauspielern bestehende Ensemble. Top-Kamera, rockig, modern.

„Immer gehen, wenn’s am besten ist“: Nicht nur Werthers Daseinsmotto nimmt den Schluss vorweg, sondern natürlich auch die Kenntnis von Goethes Vorlage. Hier wie dort scheidet die Hauptfigur am Ende freiwillig aus dem Leben: der eine, weil ihm im das Glück im Diesseits verwehrt bleibt, der andere, weil er endlich erreicht hat, wonach er strebt.

Im Rahmen seiner Adaptionen klassischer Dramen für den ZDF-Theaterkanal, von „Baal“ bis „Lulu“, hat sich Uwe Janson nun also den Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ vorgenommen. Anders als Ulrich Plenzdorf, dessen moderne Dramatisierung „Die neuen Leiden des jungen W.“ (mit Klaus Hoffmann) 1975 Spiegelbild einer ganzen Generation war, dient Jansons Film jedoch nicht als Standortbestimmung. Während sich Romantiker mit Todessehnsucht sowohl bei Goethe wie auch bei Plenzdorf scharenweise in dem jungen Schwärmer wiedererkannten, ist der Werther des Jahres 2008 kein Prototyp, sondern ein Individualist, dessen Haltung zudem etwas weltfremd anmutet. Das gilt erst recht für die aus dem Off eingesprochenen Originalpassagen. Vielleicht liegt’s auch am Hauptdarsteller, aber bei Plenzdorf waren die literarischen Texte glaubwürdiger; hier sind sie Fremdkörper.

Um so besser ist Janson die Inszenierung seines überwiegend aus Nachwuchsschauspielern bestehenden Ensembles gelungen. Mögen Stefan Konarskes Goethe-Zitate auch allzu deklamatorisch klingen, vor der Kamera macht er seine Sache gut. Gleiches, aber das ist ja alles andere als eine Überraschung, gilt für Hannah Herzsprung. Im Gegensatz zu den Rollen, durch die sie bekannt wurde, „Vier Minuten“ und „Das wahre Leben“, darf die ungemein begabte Schauspielerin als Lotte endlich mal richtig hübsch sein; sie wird von Philipp Sichlers Kamera regelrecht liebkost und umschmeichelt. Prompt verdreht die düster gewandete Freundin des jungen Verlegers Albert (David Rott), der Werther gerade die Abfuhr für einen Bildband erteilt hat, dem Berliner Fotografen auf Anhieb den Kopf. Kurz entschlossen folgt er, seinen Busenfreund Wilhelm (Aaron Hildebrandt) und den Alltagsphilosophen Bernd (Fritz Roth) im Schlepptau, Lottes Einladung in eine einsame Hütte, wo die Dinge ihren Lauf nehmen: Albert, zunächst noch amüsiert über Werthers Ambitionen, findet die Liebelei zunehmend ärgerlich und geht schließlich mit dem Gewehr auf den Nebenbuhler los.

Die analog zu Werthers Stimmungsschwankungen immer wieder irrlichternde Kamera sowie die gern rockige Musik von Chris Bremus & Miss Kenichi sorgen dafür, dass „Werther“ optisch und akustisch sehr modern wirkt, was den Kontrast zu Goethes Texten noch verstärkt. Sichlers Winterlandschaften sind ein Genuss. Schon allein die ästhetische Gestaltung rechtfertigt die neue Adaption. Außerdem hat Janson mit „Onkel Bernd“ & dessen schrägen Kommentaren zu allen Lebenslagen eine echte Type erfunden. Bernds trockene Einzeiler verdeutlichen aber auch das Manko der Hauptfigur: Werther redet zu viel.

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Stefan Konarske, Hannah Herzsprung, David Rott, Fritz Roth, Aaron Hildebrand, Harald Schrott, Julia Dietze, Alwara Höfels, Stephan Kampwirth

Kamera: Philipp Sichler

Szenenbild: Olaf Rehahn

Schnitt: Florian Drechsler

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Uwe Janson – nach Goethes „Die Leiden des jungen Werther“

Regie: Uwe Janson

EA: 08.09.2008 22:35 Uhr | Arte

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