Von Ferne grüßt kein Geringerer als Aristophanes: Weil es die Frauen in einem kleinen oberbayrischen Dorf satt haben, ständig nach der Pfeife ihrer Männer zu tanzen, beschließen sie eine Totalverweigerung. Eine ganz ähnliche Geschichte hat der griechische Dichter vor knapp 2.500 Jahren in seiner berühmten Komödie „Lysistrata“ erzählt: Um den schon zwanzig Jahre währenden Krieg zwischen Athen und Sparta zu beenden, gehen die Frauen in einen Sexstreik. Moderne Adaptionen des Klassikers lassen es mitunter ganz schön krachen, und das gilt auch für die Variante, die Christian Jeltsch für „Wenn Frauen ausziehen“ ersonnen hat. Das ist bedauerlich, denn der Stoff hat die Zuspitzung gar nicht nötig. Autor Jeltsch und Regisseur Matthias Tiefenbacher sind auch die Schöpfer von „Schwarzach 23“, doch vom hintergründigen Humor der ZDF-Krimireihe ist dieses deftige Lustspiel weit entfernt. Schon der Schauplatz ist ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die Ortschaft heißt Gendering.
Die Handlung ist einfach: Ein von der raffinierten Anlageberaterin Regina (Anne Schäfer) repräsentierter Investor wäre bereit, für den malerisch zwischen München und den Alpen gelegenen Flecken 18 Millionen Euro zu bezahlen, um anstelle des Dorfs einen Wellness-Park zu errichten. Die Frauen sind ganz aus dem Häuschen, weil sie sich endlich ihre lang gehegten Wünsche erfüllen können; doch dummerweise spielen die Männer nicht mit. Also schließen beide Seiten jeweils einen Pakt: Die einen rufen den Generalstreik aus, die anderen schwören, den Vertrag nicht zu unterschreiben; aber die listigen Damen kennen die Schwachstellen ihrer Gegner und bringen einen nach dem anderen dazu, den Schwur zu brechen.
Das ist als Geschichte gar nicht schlecht und hätte im Rahmen einer skurrilen Heimatkomödie eine schöne Satire über die vielen Facetten des Beziehungslebens werden können. Jeltsch, Autor Dutzender guter Drehbücher und mit den wichtigsten TV-Preisen ausgezeichnet (Grimme-Preis für „Einer geht noch“, ebenfalls eine Heimatkomödie; Deutscher Fernsehpreis für die „Bella Block“-Episode „Das Glück der Anderen“), wäre eigentlich genau der Richtige, um die Figuren diesen Zweikampf der Geschlechter mit feiner Klinge führen zu lassen; stattdessen prügeln sie mit Knüppeln aufeinander ein. Auch sonst lässt es Tiefenbacher, der dank seiner Beiträge für Reihen wie „Tatort“, „Kommissar Dupin“ oder „Der Tel-Aviv-Krimi“ ebenfalls für anspruchsvolles Fernsehen steht, eher deftig zugehen. Das ist schon deshalb schade, weil er mit einem vorzüglichen Ensemble arbeiten durfte. Allerdings hat die Eindimensionalität vieler Figuren womöglich gar keine Zwischentöne zugelassen. Das gilt vor allem für den Hausdespoten Karl. Der Mann ist eine krachlederne Karikatur und wird von Felix Vörtler derart kräftig über den Rand der Lächerlichkeit hinausgeschubst, dass sich Parallelen zum wahren Leben leicht ignorieren lassen. Seine unterdrückte Frau Diana träumt von Auftritten als Sängerin und wird von Marlene Morreis als personifizierte Herdprämie verkörpert. Als sie aufmüpfig wird, kommentiert Karl: „Dianarchie bricht aus“; das ist im Vergleich zu manch’ anderem plumpen Scherz schon fast sophisticated. Immerhin gönnt Jeltsch der Frau tatsächlich einen Ausbruchversuch, selbst wenn ihre gar nicht schlechte, aber allzu zarte Darbietung vor einem völlig falschen Publikum stattfindet. Ähnlich stereotyp wie Karl und Diana ist das Esoterikerpärchen Judith (Saskia Vester) und Eric (Jean-Yves Berteloot), das ausschließlich auf seine Suche nach Erleuchtung reduziert wird.
Soundtrack: Gary Marlowe & Daniel Hoffknecht feat. Claudia Eisinger („Habanera“), Curtis Mayfield („Move On Up“), Christina Aguilera, Lil’ Kim, Mya & Pink (“Lady Marmalade”)
Im Zentrum des Lustspiels steht Wirtin Paula (Anna Maria Mühe), die einst mit Max (Max von Thun) die Welt bereisen wollte, aber vermutlich nie weiter als bis München gekommen ist, weil sie sich nach dem Tod der Mutter um die Wirtschaft und ihren lebensmüden Vater (Friedrich von Thun) kümmern musste. Der alte Alfons ist die tragische Figur der Geschichte und wandert bei jedem Gewitter zum Gedenkkreuz für seine Frau, um sich wie sie vom Blitz erschlagen zu lassen. Paula verhindert das regelmäßig, indem sie mit Hilfe von Heliumballons einen mobilen Blitzableiter in den Himmel steigen lässt. Rührende und zudem spektakulär fotografierte Einfälle wie dieser zeigen, dass „Wenn Frauen ausziehen“ auch ein Film im Stil von Marcus H. Rosenmüllers Komödie „Wer früher stirbt, ist länger tot“ hätte werden können, was ja die eine oder andere Derbheit keineswegs ausgeschlossen hätte. Hier wie dort gibt es einen jungen Erzähler, der bei Jeltsch und Tiefenbacher allerdings bloß eine stumme Nebenfigur ist: Marlon (Nino Bühlau) fungiert mit seinen Fotobotschaften als Chronist des Dorfes, eine eigentlich sympathische Idee, die aber durch überflüssige Kommentare konterkariert wird („Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“). Ungleich wirkungsvoller als die wie SMS-Botschaften ans Publikum eingeblendeten Anmerkungen sind beiläufig inszenierte Momente wie jener, als Jesus am Kreuz einen kurzen Seitenblick zu einem küssenden jungen Paar wirft, oder wenn Tiefenbacher kaum merkliche Übergänge vom Modell des Wellness-Dorfs („Authentic Bavaria“) aufs echte Gendering montiert.
Andere Ideen verpuffen, weil sie zwar kompliziert eingeführt werden, aber trotzdem durchschaubar sind: Die junge Fritzi (Michelle Barthel) ist drauf und dran, Karriere als Rennradfahrerin zu machen. Weil sie viel Fleisch isst und Bauer Sepp (Siegfried Terpoorten) seine Kühe kräftig mit Anabolika füttert, fürchtet Fritzi, der Dopingtest könne positiv ausfallen; also pinkelt kurzerhand Paula ins Gefäß. Dass sich Fritzi nach der Analyse freut, schwanger zu sein, ist ein ähnlicher Verrat an dieser Figur wie der misslungene Suizidversuch Dianas mit einer Wäscheleine oder eine unnötige Slapstickeinlage von Paula, die mit dem Rennrad in den See braust, weil sie anscheinend nicht weiß, dass solche Räder keine Rücktrittbremse haben. Die Aktion mit der Urinprobe soll ohnehin in erster Linie das Happy End einfädeln. Als Paula und Max auf dem Weg zum Golf von Mexiko (der Dorfteich) an den Pyramiden von Gizeh (ein paar Strohhaufen) vorbeifahren, zeigt der Film, was aus der Geschichte hätte werden können. Das gilt auch für den Schluss, als die beiden dafür sorgen, dass fast alles wieder so wird, wie es war; bloß gleichberechtigt und deutlich reicher. Echten Eingeborenen wird zudem nicht verborgen bleiben, dass sich einige der Mitwirkenden am Dialekt versuchen, obwohl sie ganz woanders aufgewachsen sind. Immerhin ist das Mundartimitat gerade von Anna Maria Mühe gut genug, um im Rest der Republik als Bairisch durchzugehen. Hörenswert ist auch die rockige Filmmusik des Duos Andreas Schäfer und Biber Gullatz, das seit vielen Jahren auf höchstem Niveau zusammenarbeitet; umso bedauerlicher, dass Musik zu Fernsehfilmen nur äußerst selten veröffentlich wird.