Wenn du mich brauchst

Fendel & Nemec. Die Witwe und der Obdachlose. Ein Weinachts-Rührstück

Foto: SWR / Krause-Burberg
Foto Tilmann P. Gangloff

Ein bisschen Degeto-Schmonzette, ein bisschen weihnachtliches Rühstück. Handwerklich ist an „Wenn du mich brauchst“ von Bodo Fürneisen indes nichts auszusetzen, und wenn man den Film als Plädoyer für mehr Menschlichkeit betrachtet, passt er perfekt in die Jahreszeit. So harmonisch wie im Film ging es hinter den Kulissen der Produktion nicht zu.

Im Jahr 2006 schien die allgemeine Lage den Regisseuren so ernst, dass sie einen „Brandbrief“ verfassten und auf diese Weise öffentlich auf die immer bedenklichere Qualität der ARD-Fernsehfilme hinwiesen. Der Senderverbund antwortete souverän: mit hochklassigen Fernsehfilmen wie „Nicht alle waren Mörder“ oder „Die Mauer – Berlin ’61“. So gesehen ist das Rührstück „Wenn du mich brauchst“ wieder ein Rückschritt, steht es doch für damals die vom Bundesverband der Regisseure bemängelte „Degetoisierung“, also die Ausbreitung der Freitagsschmonzetten auf den anspruchsvolleren Mittwochstermin.

Handwerklich allerdings ist an der Weihnachtsgeschichte (Regie: Bodo Fürneisen) nichts auszusetzen, und wenn man den Film als Plädoyer für mehr Menschlichkeit betrachtet, passt die Handlung perfekt in die Jahreszeit: Ein ehrgeiziger Nachbar (Heikko Deutschmann) bedrängt die kinderlose Witwe Elvira Hertzfeld (gewohnt gut: Rosemarie Fendel), ihr Eigenheim gegen einen Platz im Altenheim zu tauschen. Hintergrund der vermeintlichen guten Tat: Ganz in der Nähe will die Stadt Baden-Baden eine Therme einrichten. Nachbar Schick, pikanterweise auch noch der Stadtkämmerer, kennt nicht nur die Pläne, sondern weiß auch, dass die Grundstückspreise in die Höhe schießen werden. Guter Geist der Geschichte ist der obdachlose Paul Heisenberg (Miroslav Nemec), einst ICE-Lokführer, der seinen Beruf nach einem „Personenschaden“ nicht mehr ausüben konnte und sich nun als Musiker in der Fußgängerzone über Wasser hält. Die alte Dame nimmt ihn nach anfänglicher Skepsis unter ihre Fittiche. Gemeinsam mit Haushälterin Doris (Anna Böttcher), die sich zwischenzeitlich von Schicks Charme blenden lässt, vereitelt Heisenberg die skrupellosen Pläne des Nachbarn.

Die Handlung basiert auf einem Drehbuch von Karlheinz Freynik und Ilse Biberti und wurde von der routinierten Autorin Brigitte Blobel überarbeitet. Um diese Bearbeitung gab es allerlei unschöne Zwistigkeiten, weil Urheber Freynik den SWR und die Produktionsfirma des Ideenklaus bezichtigte. Der fertige Film rechtfertigt die Streiterei nur bedingt: Wahnsinnig originell ist die Geschichte zumindest in der Sendeversion nicht. Trotzdem trifft der alte Süßstoffvorwurf nur bedingt zu. Natürlich inszeniert Fürneisen die ohnehin harmlose Handlung ohne Ecken und Kanten. Auch die Darsteller verkörpern ihre eindimensional angelegten Figuren weitgehend überraschungsfrei. Als mit dem Gefühl spielender Genrefilm aber funktioniert „Wenn du mich brauchst“ perfekt. (Text-Stand: 29.11.2006)

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Fernsehfilm

SWR

Mit Rosemarie Fendel, Miroslav Nemec, Heikko Deutschmann, Anna Böttcher, Eva Herzig

Kamera: Jürgen Carle

Szenenbild: Florian Haarmann

Schnitt: Carola Hülsebus

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Drehbuch: Karlheinz Freynik, Ilse Biberti, Brigitte Blobel

Regie: Bodo Fürneisen

EA: 29.11.2006 20:15 Uhr | ARD

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