Wenn man sich seine Mutter aussuchen könnte: Ottilia hätte schlechte Karten. Für ihre Mitmenschen findet sie nur dann freundliche Worte, wenn es sich um Kunden handelt. Einer ihrer Töchter rät sie kühl zur Abtreibung, die andere stellt gegen Ende der Geschichte fest, Ottilia habe sie gerade zum ersten Mal überhaupt gefragt, wie es ihr gehe. Dagmar Manzel verkörpert diese Frau, die gerade von ihrem Mann verlassen wird und ihre Gefühle in einen weit entfernten Winkel ihres Herzen verbannt hat, so überzeugend kaltherzig, dass sie allein es lohnt, sich diesen Film anzuschauen; aber auch nur sie. Leider ist sie nicht die Hauptfigur.
Grimme-Preisträger Rainer Kaufmann („Ein fliehendes Pferd“) hat in seiner Karriere schon einige unglaublich gute Filme gemacht. Zuletzt führte er Bruno Ganz als krebskranken Schriftsteller („Ein starker Abgang“) zu einer Meisterleistung. Selbst seine weniger gelungenen Werke waren immer noch eindrucksvoll. „Vier Töchter“ aber ist ein Film, dessen sympathischstes Merkmal die Kürze ist: Nach 75 Minuten ist er überstanden. Dass einem die Zeit trotzdem lang wird, liegt an Hillevi, einer jungen Frau, die selbst geduldigste Zeitgenossen mit ihrer verhuschten Passivität in den Wahnsinn treiben würde. Wenn genau dies Tanja Schleifs Aufgabe war, hat sie sie vorbildlich gelöst; Mitgefühl aber weckt ihr Spiel nicht.
Konsequenterweise wird Hillevi von Ottilia ziemlich barsch abgefertigt, zumal sie es einfach nicht schafft, mit der Wahrheit rauszurücken: Sie ist ihre älteste Tochter, gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Noch eine ganze Weile schleicht Hilevi wie ein Geist durch Ottilias Leben, verschafft sich sogar Zutritt zu ihrer Wohnung und nistet sich dort ein, während ihre Mutter in Urlaub ist. Die anderen, ungleich interessanteren Töchter (Stefanie Stappenbeck, Lisa Maria Potthoff, Amelie Kiefer) kommen viel zu kurz. An Hillevi aber klebt die Kamera förmlich. Klaus Eichhammer (Bildgestaltung) muss ihr ausdrucksloses Gesicht immer wieder in fast schon aufdringlich naher Großaufnahme zeigen. Dass Hillevi zudem ständig Löcher in die Luft starrt, hilft dem Tempo auch nicht auf die Sprünge.
Und so bleibt als letzte Rettung des Films tatsächlich allein Ottilia, die überzeugt ist, sie habe ihr Leben im Griff, aber keine Ahnung hat, wie es ihren Töchtern wirklich geht. Immerhin gönnt ihr die Geschichte von Autorin Gabi Bauert einen versöhnlichen Schluss. Was aus Hillevi wird, bleibt offen, und es ist einem auch völlig egal. (Text-Stand: 2.1.2009)