Selbst wenn man in Hamburg und München protestieren wird: „Verrückt nach Clara“ konnte nur in Berlin entstehen. Die neue ProSieben-Serie ist eine Liebeserklärung an die Metropole und macht unheimlich viel Lust auf Sommer in der Großstadt. Schon lange nicht mehr ist Berlin so angehimmelt worden, zumal die Schattenseiten der Stadt konsequent ausgeblendet werden. Und natürlich steht dieses pulsierende, vibrierende Lebensgefühl auch für die Hauptfigur, eine Journalistin von Ende zwanzig auf der Suche nach dem richtigen Mann; und wohl auch nach einer etwas erwachseneren Einstellung zum Dasein. Clara (Julia-Maria Köhler) ist 29, Leserbriefredakteurin und Kolumnistin einer Zeitgeist-Zeitschrift und teilt sich mit dem Kollegen Paul (Sascha Göpel) eine Wohnung. Aber nicht das Bett, auch wenn die beiden nicht widersprechen, wenn man sie für ein Paar hält: Er ist schwul und ihr etwas peinlich, dass sie immer noch keinen Kerl gefunden hat.
Ein nettes, harmloses Nichts also. Typisches Augenfutter mit kaum bekannten, aber enorm gut aussehenden jungen Darstellern und toll fotografiert (Kamera: Michael Schreitel); Gute-Laune-Fernsehen im Stil von „Berlin, Berlin“ oder, eine Nummer größer, „Sex and the City“. Und doch ist „Verrückt nach Clara“ mehr. Ganz offen gibt Regisseur Sven Bohse zu, die erste Folge, in der Clara vor allem als flatterhaft eingeführt wird, sei quasi ein Lockvogel, um das Publikum einzufangen. Mit Claras Schwangerschaft, Ergebnis eines kleinen Fehltritts mit Paul, und der existenziellen Frage, ob sie das Baby behalten soll, entwickelt sich die achtteilige Serie zwar nicht in eine völlig andere Richtung, doch die anfängliche Überdrehtheit weicht einer Nachdenklichkeit, die man den Figuren zunächst gar nicht zutraut.
Genau darin lag wohl auch der Reiz für Bohse. Er schätzt zwar auch die Leichtigkeit des Stoffs und den Humor, doch die Herausforderung lag für ihn „in der substanziellen Entwicklung: Clara muss einen Reifenprozess durchmachen, dem sie nicht ausweichen kann; auch wenn wir das ein bisschen überhöht darstellen. Aber immer noch plausibel!“ Ohnehin ist in der Geschichte jeder mehr, als er scheint. Männermörderin Clara sehnt sich in Wirklichkeit nach einem trauten Glück zu zweit; und selbst der vermeintliche Spießer Anton, zunächst ein arroganter Aufreißer, entpuppt sich als sensibler Mensch mit ungeahnten Qualitäten. Der Wechsel des Tonfalls dieser von teamWorx produzierten Serie birgt allerdings auch ein Risiko. Ohnehin sind ja in den letzten zwölf Monaten sämtliche neu gestarteten deutschen Serien gefloppt; nicht mal Sönke Wortmanns muntere Kicker-Geschichten „Freunde für immer“ hat funktioniert. Bohse ist sich dessen natürlich auch bewusst. Er glaubt trotzdem an den Erfolg von „Verrückt nach Clara“: „weil die Machart sehr hochwertig und jede Folge wie ein kleiner Spielfilm konstruiert ist. Außerdem sind die Figuren sehr ehrlich, sehr wahrhaftig. Sie haben deshalb das große Potenzial, die Zuschauer auch wirklich zu berühren“.
Großes Potenzial hat ohne Frage auch Bohse selbst. Der gebürtige Tübinger (Jahrgang 1977) hat an der Ludwigsburger Filmakademie beim Star-Produzenten Nico Hofmann („Dresden“) studiert. Spätestens mit seinem 2006 für den Studenten-„Oscar“ nominierten Film „Das Maß der Dinge“ hat er sich offenbar für „Verrückt nach Clara“ qualifiziert. Hofmann mochte den Stil des Abschlussfilms; genau so stellte er sich auch die Serie vor. Bohse ist natürlich stolz und froh über die Gelegenheit, sich direkt nach dem Studium einer derartigen Herausforderung stellen zu können, geht aber auch gleich wieder auf vorsichtige Distanz: Obwohl eine Fortsetzung schon so gut wie beschlossen ist, zieht es ihn zu eigenen Projekten; wie alle jungen Regisseure träumt Sven Bohse vom Kino.
In der Filmproduktion wird er jedoch vermutlich weniger komfortable Bedingungen vorfinden. Auch wenn ProSieben natürlich hofft, dass „Verrückt nach Clara“ zumindest den Senderschnitt erreicht, konnte Bohse trotzdem völlig ohne Druck arbeiten. Die Serie sollte sich in Stil, Erzähltempo und Farbgebung zwar am französischen Vorbild „Clara Scheller“ orientieren, doch davon hat sich Bohse rasch befreit. Das Original hat er gesehen, aber dann auch wieder vergessen: „Ich hatte keine Lust auf vorgefertigte Bilder im Kopf“.
Ganz so cool, wie man glauben könnte, ist Bohse allerdings doch nicht. Zum Serienstart macht er zwar Urlaub in Bangkok, aber am Morgen danach wird er ein Internet-Café suchen, um sich über die Einschaltquote zu informieren. (Text-Stand: 11.1.2007)