Einer hört die Stimmen verstorbener Rockmusiker. Ein anderer hat einen Gehirntumor und ein Faible für feinstes Badezimmer-Design. Ein Dritter ist ein Bankräuber mit Angst-Psychose und Schuld-Komplex. Schließlich ist da noch ein Landwirt mit Tourette-Syndrom, der unter unkontrollierten Zuckungen und zwanghaften Tics leidet. Die vier wollen eine Rockband gründen: “Die Patienten” – fetzige Mucke aus der Anstalt. Doch was fehlt ist die richtige Frontfrau: eine wie Bonnie, die vom jahrelangen Schlagerträllern eine gehörige Macke mitbekommen hat und die doch eigentlich geboren scheint zum wilden Rock’n’Roll.
Das blonde Ein-Hit-Wunder überkommen desöfteren manische Schübe. Weil Bonnie zuletzt ein Nobelrestaurant aufgemischt und dabei einem Pianisten die Finger gebrochen hat, muss sie einen Monat zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik. Hier gelingt es ihr nicht wie gewohnt, mit krankhaft guter Laune ihre Probleme zu überspielen. Als Sängerin in der Anstalt-Combo sieht sie aber durchaus eine Möglichkeit, ihr seelisches Gleichgewicht wieder zu finden. Als sich auch noch der Gitarrist in sie verliebt, ist ihr Ego wieder im Lot. Wieder “draußen” will sie ein bürgerliches Leben führen. Doch Bonnie im Baumarkt an der Kasse?
Kritik: “Verrückt ist auch normal”
“Warum ich hier bin? Zur Beobachtung”, sagte zu Beginn der Psychiatrie-Komödie “Verrückt ist auch normal” die Heldin. “Ich auch”, entgegnete ihre Zimmergenossin, “seit zwei Jahren”. Diese Szene ist typisch für die Tonlage von Vivian Naefes neuestem Film. Der Witz kommt verzögert, oder er wird nicht zur Pointe ausgespielt, sondern vermengt sich mit den Schicksalen dieser Narren von der traurigen Gestalt. Überhaupt hatte man bei aller komödienspezifischer Typisierung den erfreulichen Eindruck, bei den Insassen hinter den Symptomen ihrer Leiden auch menschliche Wesen erkennen zu können. Sicher war das ein Verdienst aller Beteiligten. Illner und Roesler-Kleint beschränkten sich klug auf den Aspekt “Rock aus der Anstalt”, um dem Selbstwertgefühl der “Helden” einen Kick zu geben. Vivian Naefe inszenierte fast beiläufig und mit einem bezaubernd naiven Blick auf ihre “Irren” – und ließ so den Zuschauer mit ihnen mitschmunzeln. Und bei den Darstellern glänzten die alten Haudegen Pfaff und Czypionka. Auch Stevens überzeugte als narzisstisch gestörte Schlager-Tussi. tit.
“Verrückt ist auch normal” ist der zweite Film von Vivian Naefe, in dem es um einen manisch-depressiven Menschen geht. Während “So schnell du kannst” als Drama erzählt ist, haben die Autoren Michael Illner und Alfred Roesler-Kleint ihrem Musikfilm aus der Anstalt eine tragikomische Note gegeben. “Wenn man erst einmal über einen Betroffenen gelacht hat, wird das Thema alltäglicher, und es verliert seinen Schrecken”, betont die Regisseurin, die seit 20 Jahren in jeder Hinsicht erfolgreich im Geschäft ist. Großes Publikum mit größtmöglichen Anspruch, das ist ihren so unterschiedlichen Filmen wie “Die ungehorsame Frau”, dem Down-Syndrom-Drama “Bobby” oder der Grimme-Preis-gekrönten Frauenkegelclub-Komödie “Einer geht noch” gemeinsam. “Ich bin immer für die Leichtigkeit”, sagt sie. Was nicht heißt, dass sie gern von Menschen erzählt, die alles auf die leichte Schulter nehmen. “Mich interessieren Randexistenzen oder Menschen, die Probleme haben, mehr als die Welt der Millionäre oder der Rechtsanwälte, die in ihrer Villa in Grünwald umgebracht werden.”
„Regisseurin Vivian Naefe behauptet zwar, gar nicht darüber nachzudenken, ob Szenen tragisch oder komisch gespielt werden sollten, aber das muss man ihr zum Glück nicht glauben. Denn neben dem Mut zu allerlei Slapstick-Momenten inszeniert sie die Scherze nie als ausgewalzten Irrenwitz, zeigt spannende Schicksale und widersteht auch der Versuchung, ein allzu seichtes Happy End dranzukleben.“ (Helge Hopp: Berliner Zeitung)
„Am beeindruckendsten gelingt Naefe das Ende des Films, der zunächst zielsicher auf ein klassisches “Happy End” zusteuert. Die dann erfolgende Wendung und die Schlussbilder entlassen den Zuchauer in einer nachhaltig bedrückenden Stimmung. “Verrückt ist auch normal” zeigt spätestens hier, dass er sich nicht in die Reihe der “leichten” Primetime-Unterhaltung eingliedern lassen will.“ (kino.de)
Naefe liebt es, tragikomisch und mit schwarzem Humor wie in “Männer häppchenweise” (Pro Sieben, 2004) zu erzählen. “Nur leider hat das bei uns – anders als in England – keine Tradi-tion”, sagt die Münchnerin. Ob der Psychiatrie-Film beim Zuschauer ankommen wird, ist fraglich. Die durchaus sorgfältig und weitgehend sensibel gemachte Sat-1-Serie “Die Anstalt” brach nach gutem Start völlig ein. Und einer der quotenschwächsten ZDF-Fernsehfilme der letzten Jahre war “Halt mich fest” – ein (guter!) Musikfilm! Ob der Special-Mix “Rock’n’Roll aus der Anstalt” bessere Karten hat? Dieter Pfaff als Zugpferd, das könnte klappen! Wie seine Kollegen Hansa Czypionka, Lucas Gregorowicz und Heinrich Schmieder legte er bei seinem Instrument selbst Hand an. Und wenn er im Duett mit Hauptdarstellerin und Hobby-Sängerin Gruschenka Stevens zu Dylans “Just like a Woman” oder zu “All along the Watchtower” in Hendrix-Manier röhrt, dann ist er mit Leib und Seele Rock’n’Roller. Da wundert es einen nicht, dass Pfaff schon mit Helmut Zerlett im Studio war. Pfaff: “Ich gehe langsam mit meiner Musik in die Öffentlichkeit. Mein Traum ist ein richtiger Rock’n’Roll-Film.”