Verliebt in Kroatien

Vester, Lerchenberg, Fräsdorf, Schulz, Heinlein/Dolejs, Grass. Nachhilfe in Lebenslust

28.10.2024 14:30 HR
29.10.2024 00:30 HR
25.01.2025 23:10 BR
Foto: Degeto / Christiane Pausch
Foto Rainer Tittelbach

Eine Mutter, die den Sohn nicht loslassen kann. Eltern, die ein Leben lang nur für die Arbeit gelebt haben. Ein Mann, der mit 33 noch „der Bub“ ist. Und eine junge patente Frau, die diesen Pantoffelhelden auf Dauer zu langweilig findet. Die Charaktere und die Konflikte, die Ausgangspunkt sind für die Geschichte von „Verliebt in Kroatien“ (filmpool fiction), hat man schon öfter so ähnlich in Degeto-Freitagsfilmen erzählt bekommen. Hier lässt man es sich gern gefallen. Schon allein die Idee, dass die Eltern ihren Sohn zu einer „Lust-Therapie“ an die Adria schicken, um seine Bezeihung zu retten, ist ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher: dass es bald zwei potenzielle Schwiegertöchter gibt – und beide auf ihre Art Traumfrauen sind. Das ist eine der cleveren Variationen der üblichen dramaturgischen Muster, von denen diese Dramödie einige parat hält und die Laune machen. Auch die Besetzung geht – außer bei Vester – nicht ganz auf Nummer sicher. Und Kroatien wird nicht ausgestellt, sondern so gezeigt, wie es die Figuren sehen. Der filmische Flow stimmt, und auch die Botschaften über das Leben und die Liebe sind keine Kalendersprüche, sondern recht sympathisch.

Gisela (Saskia Vester) und Werner Bauer (Michael Lerchenberg) fallen aus allen Wolken. Kurz vor der vermeintlichen Hochzeit von ihrem Sohn Sebastian (Sebastian Fräsdorf) und Traumschwiegertochter Jana (Victoria Schulz) müssen sie von den beiden erfahren, dass sie kein Paar mehr sind – auch wenn sie noch bei der Arbeit im Bauer‘schen Schreinereibetrieb bestens harmonieren. Ausgerechnet Jana, die für die Bauers wie eine Tochter ist, hat Schluss gemacht. Es sprühte einfach kein Funke mehr. Tote Hose auf der ganzen Linie. Die Eltern wollen die Beziehung unbedingt retten – und verordnen „dem Bub“ eine sechswöchige Reise nach Kroatien zu Werners Halodri-Bruder, dem Lebenskünstler Franz alias Franjo (Siemens Rühaak), der es sich seit 30 Jahren in Istrien mit einem kleinen Bootsverleih gutgehen lässt. Die Lebenslust-Therapie wirkt Wunder. Sebastian will gar nicht mehr nach Oberbayern zurückkommen. Frisch verliebt in die hübsche, hippe Mila (Jördis Richter) überrascht er die Eltern nicht nur mit Bart und Tattoos, sondern auch mit dem Plan, auf einen einjährigen Segeltörn um die Welt zu gehen. Vor allem Gisela will den Sohn umstimmen; also macht sie sich mit ihrem Werner auf den Weg an die Adria – und lässt mit einer Notlüge Jana wenig später nachkommen. Doch das Unterfangen scheint aussichtslos. Und bald tun sich weitere Probleme auf, weil Franjo unverfroren seine Schwägerin anbaggert, während der ewige Langweiler Werner durch Mila ganz neue Seiten an sich kennenlernt.

Verliebt in KroatienFoto: Degeto / Christiane Pausch
Der Rückholaktion des „Buben“ folgen lebensbejahende Einsichten … Ich war noch niemals in Kroatien … in zerrissenen Jeans mal was Verrücktes tun. Davon träumen zwischenzeitlich alle drei Bauers. Stimmige Besetzung: Jördis Richter, Sebastian Fräsdorf, Siemen Rühaak, Saskia Vester, Michael Lerchenberg und Victoria Schulz

Eine Mutter, die den Sohn nicht loslassen kann. Eltern um die 60, die ein Leben lang nur für die Arbeit und den Traditionserhalt gelebt haben. Ein Sohn, der mit 33 Jahren noch „der Bub“ ist und sich entsprechend verhält. Eine junge patente Frau, die einen solchen Pantoffelhelden einfach zu langweilig findet. Die Charaktere und die emotionalen Konfliktlagen, die Ausgangspunkt sind für die Geschichte von „Verliebt in Kroatien“, hat man schon des Öfteren so ähnlich in Degeto-Freitagsfilmen erzählt bekommen. In dem Fernsehfilm von Bruno Grass („Die Heiland“) nach dem Drehbuch von Christine Heinlein („Wir sind die Welle“) und Martin Dolejs („Hüftkreisen mit Nancy“) bestimmt eine übergriffige Mutter, die immer am besten weiß, was für ihren Sohn gut ist, das Geschehen. Doch von jetzt auf gleich gibt dieser, jahrelang Gast im Hotel Mama, plötzlich unerwartet Paroli. Für das neu entdeckte Abenteuer zieht er nun die Ravioli aus der Dose Mamas Schweinsbraten vor. Grund genug für die enttäusche Mutter, noch deutlicher dagegenzuhalten. Doch die Autoren übertreiben es nicht mit dem Muttertier-Motiv und auch Saskia Vester, die jahrelang auf solche Frauen abonniert war, variiert ihre Rolle entsprechend und gibt ihre Gisela weniger penetrant und naiv als ihre früheren „Muttchen“. Trotzdem bleibt sie die Figur des Films, die ihr Verhalten am wenigsten reflektiert und als Letzte Einsicht darüber erlangt, was in ihrem Leben vielleicht hätte besser laufen können. Sicherlich auch, weil sie sich vornehmlich Gedanken über andere macht.

Dass man sich das vertraute narrative Muster von „Verliebt in Kroatien“ nicht nur gern gefallen lässt, sondern dass diese ARD-Dramödie richtig Laune macht, das hat viele Gründe. Kroatien ist immer eine Filmreise wert – besonders wenn man es so zeigt, wie es ist (natürlich & schön) und wie es die Figuren sehen, und nicht, wie man es für den Zuschauer ausstellen möchte. Der Erzählrhythmus stimmt von Anfang an und zieht einen sofort in die Handlung hinein – auch wenn die Charaktere in der Exposition wie klassische Komödien-Karikaturen wirken. Eine filmisch gute Idee ist es, den Sohn ein Video per Mail zu schicken. Es ab und zu hängen zu lassen, ist ein kleines Beispiel für das gute (komödiantische) Timing, das der Film durchgängig besitzt. Auch später werden kurze Videoclips immer wieder eingesetzt für den emotionalen Subtext der Geschichte, die Spiegelung der eigenen Träume. Die Musik ist abwechslungsreich – mal ist der Score folkloristisch angehaucht, mal werden Blasmusik-Motive eingearbeitet. Und bei den Schauspielern ging man – außer bei Saskia Vester – nicht auf Nummer sicher: Michael Lerchenberg, jahrelang als Theaterregisseur und Intendant erfolgreich, als Schauspieler aber nur in markanten Nebenrollen („Der Bulle von Tölz“, „Unter Verdacht“) zu sehen, macht sich gut als lernfähiger Beinahe-Rentner und kann auch in dieser Hauptrolle sein Faible fürs Komische ausspielen. Sebastian Fräsdorf („Nix Festes“, „Fischer sucht Frau“), sonst vornehmlich als coole Socke besetzt, muss hier eine typische Sebastian-Bezzel-Rolle übernehmen; er macht es ganz okay, wobei sein Bayerisch sehr angelernt klingt und sein Frechdachs-Lächeln leider auf der Strecke bleibt. Victoria Schulz („Electric Girl“), die für ihre erste Hauptrolle in „Dora und die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ bei einem Streetcasting entdeckt wurde, ist eine interessante Neuentdeckung fürs Fernsehen. Und Jördis Richter (seit 2015 in „Kommissarin Lucas“), eine Schönheit mit sehr markanten Gesichtszügen, ist ebenfalls eine treffende Besetzung für jenes sehr selbstbewusste Objekt des Begehrens, das dem Deutschen Nachhilfe in Leidenschaft gibt.

Verliebt in KroatienFoto: Degeto / Christiane Pausch
Liebt Sebastian alias Wastl (Sebastian Fräsdorf) Mila – oder liebt er nur das, was sie verkörpert (weil er unterbewusst weiß, dass er dann Jana zurückbekommen könnte). Auf jeden Fall hat sie ihn wachgeküsst, und Jana (Victoria Schulz) würde ihn liebend gern zurücknehmen.

Für den Kritiker noch entscheidendere Qualitätsnachweise dieses „Endlich Freitag“-Films sind die kleinen, cleveren Variationen der üblichen dramaturgischen Muster, denen eine solche Geschichte offenbar gehorchen muss. Auch wenn der Ausbruch des Muttersöhnchens auf diesem Sendeplatz nur ein einziges mögliches Finale erlaubt, so scheint doch bis zum Ende alles möglich zu sein. Der Abstand zur Heimat bringt bei der oberbayerischen Schreiner-Familie alles gehörig durcheinander, wirbelt das Beziehungsleben kräftig durch und setzt ungewohnte Erkenntnisprozesse in Gang. Diese kleinen Aha-Effekte sind liebenswert und vielleicht sogar auch geeignet, dem einen oder anderen Zuschauer einen Gedanken über das eigene Leben zu entlocken. Doch wie zu Beginn die Schwiegertochter in spe sagt, „Es ist, wie es ist; keiner hat Schuld“, so gibt es in dieser Geschichte um individuelle Lebensplanungen und unterschiedliche Lebenskonzepte kein Richtig oder Falsch, nicht einmal ein Besser oder Schlechter. So erkennen die Eltern, dass sie mit Mila und Jana gleich zwei Lieblings-Schwiegertöchter haben. Vor allem Sebastians Vater ist schwer beeindruckt von der Kroatin, die mit elf Jahren nach Deutschland kam, eine Kfz-Lehre machte und sich heute als Influencerin ihr Abenteuerleben sponsern lässt. Entsprechend ist der dickste dramaturgische Pluspunkt des Films: Es gibt – anders als beispielsweise im ZDF-„Herzkino“ – keinen Buh-Partner. Beide Frauen werden gleichermaßen sympathisch gezeigt, beide haben starke Seiten, beide könnten „die Richtige“ sein. Offen bis kurz vor Schluss bleibt die Frage, ob Sebastian alias Wastl Mila liebt – oder vielleicht nur das liebt, was sie verkörpert und was er früher nicht besaß. Gegen die in Stein gemeißelten konservativen Botschaften des Genres und des Sendeplatzes ist hierzulande schwer anzugehen im Kampf um die 60plus-Zuschauerschaft. Dennoch hält „Verliebt in Kroatien“ auf der Zielgeraden noch einige überraschende persönliche Entwicklungen und originelle Wendungen parat. (Text-Stand: 22.1.2020)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Saskia Vester, Michael Lerchenberg, Sebastian Fräsdorf, Victoria Schulz, Jördis Richter, Siemen Rühaak, Karolina Horster

Kamera: Andreas Doub

Szenenbild: Heike Wolf-Aury

Kostüm: Manuela Nierzwicki

Schnitt: Philipp Stahl

Musik: Martin Rott

Redaktion: Diane Wurzschmitt, Stefan Kruppa

Produktionsfirma: filmpool fiction

Produktion: Mathias Lösel, Iris Kiefer

Drehbuch: Christine Heinlein, Martin Dolejs

Regie: Bruno Grass

Quote: 3,93 Mio. Zuschauer (12,8% MA)

EA: 28.02.2020 20:15 Uhr | ARD

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