Nina (Cornelia Gröschel) ist reif für die Insel. Die Medien reißen sich um sie. Doch sie will nur ihre Ruhe. Auf Sylt darf sie es sich in der Traumvilla der prominenten Verlegerin Hedi von Carlsberg (Leslie Malton) gutgehen lassen. Anfangs bedauert sie es noch, dass ihr Mann Patrick (Franz Dinda) nicht mitkommen konnte. Doch als der Zufall sie auf eine geheimnisvolle Maskenparty führt und ihr dort ein interessanter Fremder begegnet, ist der belastende Alltag plötzlich weit weg. Zwar zieht sie sich frühzeitig von diesem Schönen-und-Reichen-Event zurück, doch jener Daniel (Artjom Gilz) lässt nicht locker. Ihr bliebe zu wenig Zeit für die schönen Dinge im Leben, hat sie noch auf der Party gesagt. Jetzt tut Daniel alles dafür, dass sich das ändert. Er lockt sie mit Champagner, edlem Ambiente und einem intimen Konzert. Er lädt sie tagsüber zum Essen in sein Haus, und er zeigt ihr die Insel. Sie fahren Cabrio, gehen an den Strand, vergnügen sich im Meer und beim Shoppen machen sie sich einen ganz besonderen Spaß. Dem Spiel folgt der Sex. Doch dann wird Nina zunehmend von ihrer wohlhabenden Gönnerin in Beschlag genommen. Wenig später tauchen auch noch Patrick und Daniels Frau Estelle (Anja Antonowicz) auf. Wird wohl nichts mit der Geheimhaltung der Affäre. Oder ist es womöglich mehr als nur Leidenschaft?
Foto: ZDF / Andrea Hansen
Eine „Verhängnisvolle Leidenschaft“ ist es auf jeden Fall nicht. Der Titel, der nach 80er-Jahre-Kino oder 90er-Jahre-TV-Movie klingt, hat mit der Geschichte wenig zu tun, in der zwar „Leidenschaft“ eine Rolle spielt, doch „verhängnisvoll“ – was nach Melodram-Thriller klingt – ist in dem Film von Elmar Fischer nach dem Drehbuch von Elke Rössler und Robert Gold nichts wirklich. Und das ist gut so. Die Geschichte beginnt eher alltagsnah als genrefixiert – und dramaturgisch ist das ziemlich clever. Viele Andeutungen, die in falsche Richtungen weisen: Bambi-Verleihung, bei Robbie Williams backstage, zu Gast bei der superreichen Verlegerin – und dann sieht Cornelia Gröschel auch noch aus wie Maria Furtwängler in jung. Nina ist keine Journalistin auf dem Weg nach oben, sie ist eine einfache Polizistin, die ein Mädchen vor dem Ertrinken gerettet hat und die deshalb in den Medien als „Heldin“ gefeiert wird. Sie verabscheut diesen ganzen Boulevardblatt-Rummel, auch deshalb, weil sie psychisch damit zu kämpfen hat, dass sie bei ihrer Aktion einen Jungen nicht retten konnte; ihr hängt vor allem dieses „Versagen“ nach. Dass ihr in dieser Situation Daniel begegnet, ein Mann, der viel im Ausland unterwegs ist und ihre „Geschichte“ daher nicht kennt, macht ihn für sie noch attraktiver. Sie mag beeindruckt sein von dieser ihr unbekannten Welt, vor allem aber ist es die unbeschwerte Leichtigkeit, die geradezu märchenhafte Entlastung von ihrem Alltag und dann auch noch dieser fantastische Sex.
Dass „Verhängnisvolle Leidenschaft – Sylt“ zweieinhalb Monate vor der TV-Ausstrahlung in der Mediathek Premiere hat, lässt hoffen auf einen Film, der sich vom „Herzkino“-Programmplatz freimacht – sprich: von Erzählschablonen, einem Handlungsverlauf, nach dem man seine Uhr stellen kann, und von Figuren, die sich der Dramaturgie unterordnen müssen. Die ersten 40 Filmminuten sind – gemessen am Format – vielversprechend. Die Idee mit der Maskenparty, auf der die Heldin auftaucht, weil sie sich in ihrer Villa ausgeschlossen hat, ist originell. Dresscode weiß – da fällt kaum einem auf, dass Nina mit einem Bademantel bekleidet ist. „Haben Sie einen Werkzeugkasten?“, fragt sie den Mann am Empfang. „Natürlich“, sagt dieser und reicht ihr eine Maske. Bereits an diesem Abend verstehen sich Nina und Daniel gut, und sie sind sich einig in der Bewertung dieser Vergnügung: „Sehr reiche Menschen geben sich sehr verschwiegen die Kante – in unschuldigem Weiß.“ Ein harmloser Flirt und zugleich ein stimmiger Prolog ihrer kommenden sexuellen Begegnung. Am nächsten Tag folgt das Vorspiel zur Affäre: Sie wirken wie ein verschworenes Pärchen, das Riesenspaß hat, alle, die ihnen begegnen, an der Nase herumführen. Der Weg ins Bett ist bereitet. Davor noch ein Umweg über die Dusche, weniger, weil für Nina, die Lebensretterin und Jugendschwimmerin, Wasser ihr Element ist, sondern, weil es zur Ikonografie erotischer Filme gehört.
Foto: ZDF / Andrea Hansen
Die erste Filmhälfte – die Party, das Theater, die spielerische Kennlernphase – überzeugt vor allem filmästhetisch. Es ist die Phase der Verführung, der Verzauberung, das Spiel mit Überraschungen. Szenenbild, Kamera und Licht sind in diesen Szenen aufregender als in den sonnigen Urlaubsbildern, die sich weniger von anderen ZDF-Sonntagsfilmen unterscheiden. Die größte Herausforderung dürfte die Darstellung der sexuellen Lust gewesen sein. Um die ikonischen Vorbilder des Genres, von „9½ Wochen“ bis „Fifty Shades of Grey“, kommt dabei selbst ein Krimi- und Politthriller-Regisseur wie Elmar Fischer nicht herum. Fast jede erotische Einstellung des Films kennt man ganz ähnlich aus Adrian Lynes Klassiker und in einigen Großaufnahmen im Profil, glaubt man sogar, Kim Basinger zu sehen. Die Sex-Szenen sind geschmackvoll inszeniert, nicht zu lang, nicht zu explizit (dafür sorgt vor allem für eine sensible Montage), und sie sind stimmig in die Geschichte eingepasst.
Weshalb der männliche Körper in „Verhängnisvolle Leidenschaft“ weniger ins Bild gerückt wird als beispielsweise in dem Erotik-Thriller „Un/dressed“ (Prime-Video, 2024), darüber lässt sich spekulieren. In erster Linie ist es wohl eine Frage der Geschichte: Im ZDF-Film ist es nicht primär die Virilität, das männliche Sex-Appeal, das die bodenständige, in ihrer Ehe unbefriedigte Frau anzieht, sondern die Aufmerksamkeit, die dieser charmante Mann ihr entgegenbringt. Auch dies erinnert an „9½ Wochen“. Damit enden dann aber auch die Gemeinsamkeiten. Die zweite Hälfte dieser „erotischen Romanze“ ist jedenfalls in jeder Hinsicht weniger sexy, dafür mehr „Herzkino“. Ohne der Moral deutlich das Wort zu reden – verliert der Film seine spielerische Leichtigkeit. Auch das liegt natürlich an der Geschichte. Beziehungen werden in Beziehung gesetzt. Der Alltag kommt wieder ins Spiel. Liebesgeschichten mit einem solchen Dilemma enden nur selten (für den Zuschauer) befriedigend. Das gilt auch für „Verhängnisvolle Leidenschaft – Sylt“. Und doch zieht sich der Film recht clever aus der Affäre.
Foto: ZDF / Jutta Pohlmann