Verdammt verliebt auf Mallorca

Valerie Niehaus, Luca, Mercedes Müller, Busche, Baumann. Ballermann mit Anspruch

Foto: Sat 1 / Jean Peter Weller
Foto Tilmann P. Gangloff

„Verdammt verliebt auf Mallorca“ (Sat 1) ist wider Erwarten eine sehenswerte romantische Komödie über eine Lehrerin, die im Rahmen einer Klassenfahrt auf Mallorca dem Charme von Schlagersänger Gregor erliegt. Valerie Niehaus und Stephan Luca sind ein sympathisches Paar, das sich auch akustisch ergänzt: Höhepunkte sind verschiedene Gesangsduette. Die eine oder andere Schülerfigur ist etwas klischeehaft geraten, aber das hat Methode: Gregor hält die jungen Leute für „Kulturzombies“, die auf ihr Abitur fixiert sind und dringend mal auf den Putz hauen sollten. Das tun sie dann auch, inklusive einiger Abstürze. Der Komödien-erfahrene Ulli Baumann bewahrt den Film gekonnt vor dem gleichen Schicksal.

Weil es kaum noch feste Fernsehrituale gibt, müssen die Sender Einschaltimpulse setzen. Das funktioniert unter anderem über den Titel. In den Programmzeitschriften wird dieser Sat-1-Film noch als „Verdammt verliebt auf Malle“ angekündigt. Ein klares Signal: Achtung, Ballermannkomödie! Die Assoziationen liegen auf der Hand: Sonne, Strand, viel nackte Haut, Sangria aus Eimern und Jürgen Drews. Offenbar hat man beim Sender erkannt, dass sich der Titel auch als klassisches Eigentor entpuppen könnte: Der Film enthält zwar tatsächlich alle genannten Ingredienzien, und selbstredend handelt es sich auch um eine Komödie, aber die zu erwartende Klamotte ist er nicht, im Gegenteil; die Geschichte schlägt sogar nachdenkliche Töne an, und deshalb wurde aus „Malle“ Mallorca. Die Handlung beginnt in München: Die leicht verhuschte Spanischlehrerin Antonia (Valerie Niehaus) schwärmt im Unterricht von der Sehnsucht nach der grenzenlosen Liebe, verschwendet sich im wahren Leben aber als Geliebte an ihren Rektor (Uwe Ochsenknecht), der keine Anstalten macht, seine Frau zu verlassen. Als sie mit ihrer Oberstufenklasse zur Abschlussfahrt nach Mallorca aufbrechen will, erfährt sie, dass der zweite Begleiter krank geworden ist. Kurzerhand übernimmt sie die Verantwortung allein, doch auf der Insel erwartet sie die nächste schlechte Nachricht: Wo eigentlich ein schmuckes Hotel stehen sollte, gibt es bloß staubige Einöde. Schülerin Stella (Nicole Mercedes Müller) weiß einen Ausweg: Ihr Vater Gregor arbeitet im Mega Park; wer „Malle“ sagt, meint unter anderem diese riesige Freiluftdisco. Was Stella verschweigt, weil es ihr peinlich ist: Gregor (Stephan Luca) ist Schlagersänger und ein Star auf der Insel.

Rein handlungsmäßig wäre das Ballermannlustspiel nach wie vor möglich, denn bei der allen Körpergiften abholden Antonia genügen der Begrüßungscocktail sowie ein abendlicher Strandspaziergang inklusive Feuerwerk, um die Nacht mit Gregor zu verbringen. Dass sich die beiden später auch noch ineinander verlieben, ist zwar unrealistisch, aber Gegensätze dieser Art machen ja gerade den Reiz vieler romantischer Komödien aus. Erstaunlicherweise gelingt es Christoph Busche (Buch) und Ulli Baumann (Regie) jedoch, aus den Zutaten einen Film zu zaubern, der durchaus einen gewissen Anspruch erfüllt; erst recht, wenn die Erwartungen angesichts des Titels eher niedrig sind. Das funktioniert, weil Busche, der zuletzt immerhin an der „NSU“-Trilogie beteiligt war, eigentlich eine Vater/Tochter-Geschichte erzählt: Gregor hat vor vielen Jahren Frau und Kind verlassen, um sich seinen Schlagertraum zu erfüllen. Stella ist tief enttäuscht von ihm, denn er war nie da, wenn sie ihn brauchte.

Verdammt verliebt auf MallorcaFoto: Sat 1 /Jean Peter Weller
Antonia Limpinski (Valerie Niehaus) liebt ihren Job als Lehrerin, und sie hat seit Jahren ein Verhältnis mit dem verheirateten Schuldirektor (Uwe Ochsenknecht, Aufmacher-Foto). Auf der Malle-Klassenfahrt ist sie allerdings ein bisschen orientierungslos.

Die Gegen-Meinung:
„Die Sat-1-Posse schwankt wie besoffen zwischen Klamauk und Ernst hin und her. Wirken die Mallorca-Klischees anfangs noch hübsch grotesk, gleitet das Geschehen zusehends in ein einziges Schmierentheater ab.“ (TV-Spielfilm)

Ein kleiner Kniff mit großer Wirkung verhindert, dass „Verdammt verliebt auf Mallorca“ zum Drama wird, schließlich gehört zu beinahe jeder romantischen Komödie auch ein ordentliches Missverständnis. In diesem Fall betrifft es die Liebenden aber nur indirekt: Weil sich Mitschülerin Helena (Zsa Zsa Inci Bürkle) Gregor recht unverblümt an den Hals wirft, ist Stella überzeugt, die beiden hätten was miteinander. Als sie ihren Vater und Antonia darauf anspricht, ohne Helena beim Namen zu nennen, glauben Gregor und die Lehrerin, Stella wisse von ihrer Beziehung. Dass später auch noch Antonias Liebhaber auf der Insel auftaucht, ist gleichfalls Teil des Standardmusters. Das der Film allerdings durchaus elegant bedient.

Niehaus und Luca spielen ihre Rollen zwar erwartbar, aber dennoch sind vor allem sie es, die den Film weit über das Titelniveau hinausheben. Niehaus versieht Antonia mit vielen kleinen Gesten, die den Charakter der Figur prägen, zumal ihre Kleider offenbar Vorhangstoffen aus den Sechzigerjahren nachempfunden sind (Kostüm: Barbara Fiona Schar); Kleidung ist auch hier ein probates Mittel, um den Wandel einer Figur zu verdeutlichen. Luca, der auch in diesem Film seinen wohl trainierten Oberkörper zeigen darf, hat es etwas einfacher, musste sich aber einer Herausforderung ganz anderer Art stellen: Die Party-Hits, die Gregor zum Besten gibt, singt Luca selbst, und das gar nicht schlecht; „Verdammt, ich lieb’ dich“ hat er immerhin vor Hunderten von Partygästen im Mega Park vorgetragen. Die Mallorca-Größen Jürgen Drews und Mickie Krause singen dagegen nicht, was dem Film nicht zum Nachteil gereicht. Während Drews in seinem Gastpart recht souverän wirkt, wird aus Krause kein Schauspieler mehr. Aber er leitet das Finale ein: Als Stella herausfindet, dass Gregor und Antonia mittlerweile ernsthaft ineinander verliebt sind, reißt sie über Nacht aus. Ihr Vater fürchtet, sie habe sich auf ein Abenteuer mit Krause eingelassen, um ihm eins auszuwischen. Die Suche hat einen witzigen Auftritt zur Folge, bei dem das Paar den Entertainer auf einer Hochzeitsparty vermutet, deren Gäste allesamt ganz in Weiß erscheinen müssen; das einzige, was sich auf die Schnelle findet, sind ein Kapitänsanzug & ein ultrakurzer Krankenschwester-Kittel, in dem Niehaus eine ebenso gute Figur macht wie Luca ohne Kleider.

Verdammt verliebt auf MallorcaFoto: Sat 1 /Jean Peter Weller
Papa ist offenbar doch eher cool als peinlich! Stephan Luca & Mercedes Müller in „Verdammt verliebt auf Mallorca“ (Sat 1, 2016)

Soundtrack:
Stephan Luca („Verdammt, ich lieb’ dich“, „Tanze Samba mit mir“), Luca/Niehaus („Time Of My Life“), Jennifer Lopez („Let’s Get Loud“), DNCE („Cake By The ocean“), Nora En Pure (“Saltwater”), Robin Schulz ft. Francesco Yates (“Sugar“)

Baumann, dank Dutzender Sitcom-Folgen („Nikola“, „Ritas Welt“) Komödien-erfahren wie nur wenige andere und mit so gut wie allen Fernsehpreisen ausgezeichnet, inszeniert diesen und einige ähnliche Momente, ohne dass es je peinlich wird. Sein Gespür für das richtige Timing zeigt sich auch in einer amüsanten Fahrstuhlszene, als Gregor von einem Stockwerk ins nächste rennt, um ein Beziehungsgespräch mit Antonia zu führen; die Dialoge sind ohnehin sehr sympathisch. Auch die jungen Schauspieler sind bei Baumann in guten Händen; besonderen Eindruck hinterlässt Nicole Mercedes Müller, die schon als Tochter von Benno Fürmann in „Die vierte Gewalt“ und im „Tatort – Mia san jetz da, wo’s weh tut“ überzeugte.

Zu den Höhepunkten des Films gehören natürlich die Gesangsdarbietungen. Luca & Niehaus versuchen sich beim Karaoke-Abend mit Erfolg an „The Time of My Life“ aus „Dirty Dancing“; Antonia ist ein großer Fan des Films und hat immer von einem Mann geträumt, der mir ihr die berühmte Hebefigur nachstellt. Der Song prägt auch das Finale, als Stella das Lied zu Ehren der Lehrerin bei der Abifeier singt und Luca einen weiteren großen Auftritt hat. Musik spielt ohnehin eine große Rolle. Als sich Gregor wehmütig daran erinnert, wie Stella früher für ihn „99 Luftballons“ gesungen hat, greift Christian Hamm das Motiv auf und integriert es in seine Komposition. Die eine oder andere Schülerfigur ist etwas klischeehaft geraten, aber selbst das hat Methode: Gregor hält die Youngstes für „Kulturzombies“, die auf ihr Abitur fixiert sind und dringend mal auf den Putz hauen sollten. Das tun sie auch, inklusive einiger Abstürze; der Film ist weit davon entfernt, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Valerie Niehaus, Stephan Luca, Nicole Mercedes Müller, Marvin Linke, Maximilian Diehle, Zsa Zsa Inci Bürkle, Jürgen Drews, Mickie Krause

Kamera: Sebastian Grau

Szenenbild: Michael Möldner

Kostüm: Barbara Fiona Schar

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Christian Hamm

Produktionsfirma: Mecom Fiction

Drehbuch: Christoph Busche

Regie: Ulli Baumann

Quote: 1,63 Mio. Zuschauer (6% MA)

EA: 13.09.2016 20:15 Uhr | Sat 1

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