Und tschüss, Ihr Lieben

Kriener, Zirner, Pflug, Hobmeier, Schoenle, Connie Walter. Wenn Mutter streikt

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Foto Rainer Tittelbach

Diese Story von der “unterdrückten Sehnsucht einer Frau, der der Alltag über den Kopf wächst”, so Schoenle, ist nicht gerade umwerfend neu, aber sie besticht durch ihre Konsequenz. Die Autorin ergeht sich fast schon in einer Anleitung zu Wut und innerem Widerstand gegen die Selbstverständlichkeit, mit der alle in einer Familie, in der die Großmutter zum Pflegefall geworden ist, annehmen, dass Mama es schon wieder richten wird. Dass “Und tschüss, Ihr Lieben” frischer und peppiger wirkt als Schoenles Erfolgsfilm “Die ungehorsame Frau”, liegt an Connie Walthers nicht unironischer Inszenierung.

Der Mutter die Unterwäsche wechseln ist nicht gerade sexy. “Nest- und Altenpflege beschert keine Beförderung”, bringt es Annemarie Schoenle (“Eine ungehorsame Frau”) auf den Punkt. Und bleibt Frauensache. Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Mehrere Menschen hat sie gepflegt. Dann hat sie ein Drehbuch geschrieben über die, wie sie sagt, “weibliche Sandwich-Generation” – sprich: über weibliche Duldsamkeit und die ewigen Lippenbekenntnisse der Männer, über jugendliche Dreistigkeit und die Unverblümtheiten der Alten. Augenzwinkernd legt sie in “Und tschüss, Ihr Lieben” ihren Leidensgenossinnen Streik nahe.

Und tschüss, Ihr LiebenFoto: ZDF
Dem werten Gatten (August Zirner) sind seine Bubenkämpfe in der Firma wichtiger als die Familie oder die eigene Mutter. Barbara (Ulrike Kriener) bleibt da nur noch Streik!

Diese Story von der “unterdrückten Sehnsucht einer Frau, der der Alltag über den Kopf wächst”, so Schoenle, ist nicht gerade umwerfend neu. In zahllosen jener “Ein bisschen Haushalt”-Komödien ist das Thema schon vorher harmoniesüchtig zermenschelt worden. Das aber vermeidet Schoenle. Ihre Geschichte ist fast schon eine Anleitung zu Wut und innerem Widerstand gegen die Selbstverständlichkeit, mit der alle annehmen, dass Mama es schon richten wird. Bei Rulands ist das Familien-Management ins Trudeln geraten seitdem die Schwiegermutter zum Pflegefall geworden ist. Mutter Barbara muss bereits seit Jahren mit einer Vierfachbelastung als Ehefrau, Mutter, Halbtagsgymnastin und Familienplanerin zu Rande kommen. Jetzt geht es nicht länger. Die Überbelastung bringt sie zum Nachdenken: wollte sie so eine Ehe führen mit einem Mann, dem die Bubenkämpfe in der Firma wichtiger sind als die Familie? Und was hat sie da eigentlich für egozentrische Kinder herangezogen?

Dass “Und tschüss, Ihr Lieben” sehr viel frischer und peppiger wirkt als Schoenles Erfolgsfilm “Die ungehorsame Frau”, liegt an der Regie von Connie Walther. Die 41-Jährige versteht es, wie bei ihrem Grimme-Preis-gekrönten Brustkrebsdrama “Hauptsache Leben”, das Buch gegen den Strich der gediegenen Fernsehspielform zu bügeln. “Ich habe versucht, die Geschichte ein wenig zu beschleunigen”, betont Walther. “Die Dramaturgie der Auftritte und Abgänge wollte ich ein bisschen aufbrechen.” Das gelingt ihr nicht zuletzt durch eine ironisierende Musik. Und durch eine Schauspielerin, die für diese Rolle einfach die beste ist: Ulrike Kriener. Ihr nimmt man jede Stimmung ab: den Trotz ebenso wie die Blauäugigkeit, mit der sie immer wieder auf ihren Gatten (von August Zirner am Klischee vorbeigespielt) hereinfällt. “Und tschüss, Ihr Lieben” ist ein amüsanter Film über ein nicht immer amüsantes Thema, der dem Alltäglichen und vermeintlich Banalen allerhand Wahrheiten ablauscht.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Ulrike Kriener, August Zirner, Eva Pflug, Brigitte Hobmeier, Lars Gärtner, Thomas Limpinsel, August Schmölzer

Kamera: Birgit Gudjonsdottir

Schnitt: Petra Heymann

Musik: Rainer Oleak

Produktionsfirma: Molina Film

Drehbuch: Annemarie Schoenle

Regie: Connie Walther

Quote: 5,59 Mio. Zuschauer (17,3% MA); Wh. (2005): 4,81 Mio. (16,3% MA)

EA: 01.12.2003 20:15 Uhr | ZDF

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