Anna versagt sich seit Jahren die eigenen Lebensträume. Als ihr Vater stirbt und er ihr am Krankenbett auch noch das Versprechen abnimmt, dass sie sich auch künftig um ihre „kleine“ Schwester kümmern werde, ist es endgültig vorbei mit dem selbstbestimmten Leben. Sie verzichtet auf das lang ersehnte Adoptivkind, zieht von Amsterdam, dem Lebensmittelpunkt der letzten Jahre, in ihre alte Heimat München und sogar „die Liebe ihres Lebens“ setzt sie aufs Spiel. Der Hintergrund: Schwester Lilli muss seit einem Autounfall in ihrer Kindheit, bei dem die Mutter der beiden ums Leben kam, mit einer Beinschiene und entsprechend geringem Selbstwertgefühl leben. Sie traut sich kaum vor die Tür. Trotzdem will sie die familieneigene Gärtnerei übernehmen, möchte nicht immer nur bemuttert werden, sondern endlich einmal zeigen, was in ihr steckt. Doch dazu braucht sie zunächst die Hilfe ihrer großen Schwester.
Der seelische Konflikt, der im ARD-Dramolett „Tulpen aus Amsterdam“ verhandelt wird, ist überraschend stimmig. Die beiden Schwestern befinden sich in einem Teufelskreis. Ihre Beziehung ist festgefahren, ihre Interaktion gestört. Da es keinen Schuldigen gibt, muss immer wieder der Zufall (oder man kann es auch das Schicksal nennen) als Katalysator bemüht werden. Es fällt allerdings schwer, zum psychologischen Kern dieser Schwesterngeschichte vorzudringen, da man als Zuschauer kaum erträgliche Hürden nehmen muss: die rührselige Adoptionsgeschichte; die ach so innige Liebe zwischen Anna und ihrem holländischen Tulpen-Philosophen („manchmal wollen eben zwei Blumen nicht miteinander“), die wenig später abrupt zu Ende geht; die unerträgliche, Emotionen behauptende Filmmusik.
Die genretypische Verkettung von handlungsweisenden Ereignissen und dummen Missverständnissen wird der potenziellen Ernsthaftigkeit der Geschichte nicht gerecht. Die Figuren sind Marionetten der Dramaturgie. Aber auch für ein von Buch, Regie und Kamera schön fremdbestimmtes Melodram taugt dieses Nulpen-Rührstück nicht. Dazu sind die Bilder zu wenig komponiert und die männlichen Darsteller zu farblos. Gesine Cukrowski und Chiara Schoras hätten schon das Zeug zu mehr Charakterfach. Doch das Drehbuch versagt ihren Protagonistinnen die Tiefe, und die Regie will sie nur schön sehen.