Toter Mann

Nina Hoss, André Hennicke, Christian Petzold – und ein verhinderter Liebesfilm

Foto: ZDF / Arlett Mattescheck
Foto Rainer Tittelbach

Drei Menschen, alle haben sie einen Schatten auf ihrer Vergangenheit. Eine schöne, rätselhafte Fremde (Hoss), ein sensibler, einsamer Anwalt (Hennicke), ein durch die Psychiatrie gegangener Mörder (Pippig). Die drei spielen miteinander, doch sie spielen nicht um des Spielens willen, sie können nicht anders. Petzold spricht von einem “Liebesfilm über drei Personen, von denen der eine nicht lieben darf, der Zweite nicht lieben kann und der Dritte nicht lieben will”. Die Helden arbeiten sich an der Liebe ab, aber das Ergebnis ist auf der ganzen Linie amourös unbefriedigend. Befremdlich, faszinierend und sogar spannend.

“Die innere Sicherheit” war sein Kino-Meisterstück. Nach dem Jugenddrama aus dem Post-RAF-Milieu hat Christian Petzold jetzt wieder einen Film fürs Fernsehen vorgelegt, der stilsicher und sehr gekonnt mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des Thriller-Mainstream spielt und Langsamkeit nicht mit Langeweile verwechselt. “Toter Mann”, das ist für den Berliner Filmemacher alter Autorenschule “eine Geschichte über Menschen, die in unserer modernen Gesellschaft alles richtig machen, und die trotzdem ihr eigenes Leben verpassen”. Petzold interessieren “Menschen im Umbruch, Gestalten auf der Suche nach dem Echten, an dem sie sich – wenn sie es endlich gefunden haben – zunächst verbrennen”.

Drei Menschen, alle haben sie einen Schatten auf ihrer Vergangenheit. Da ist die junge Frau, die in einem Callcenter arbeitet, die die Blicke eines Mannes auf sich zieht und die nach der ersten Nacht so plötzlich verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Da ist eben jener Mann, Anwalt, aber nicht einer, wie man sich ihn vorstellt, eher ein sensibler Mensch, der emotional schnell aus der Fassung zu bringen ist und der sich von der rätselhaften Fremden, die sich Leyla nennt, sogar noch sein Notebook klauen lässt. Schließlich der Dritte im Bunde: ein Mörder, der eine 14-jährige Odyssee durch psychiatrische Kliniken und Haftanstalten hinter sich hat. Ein Resozialisierungsprogramm ist seine Chance. Und das Wahnwitzige ist: jene wunderschöne Leyla zeigt ein schüchternes Interesse an dem nicht gerade attraktiven Mann.

Toter MannFoto: ZDF / Arlett Mattescheck
Kinobilder, Kinolicht, Kinotranszendenz fürs Fernsehen. Nina Hoss und Sven Pippig in einem Film von Christian Petzoldt

Die drei spielen miteinander, doch sie spielen nicht um des Spielens willen, sie können nicht anders. Sie haben nichts anderes gelernt. Ihre Strategien, ihr Leben in den Griff zu bekommen, sind unzulänglich. “Toter Mann” ist eine Art verhinderter Liebesfilm. Petzold spricht von einem “Liebesfilm über drei Personen, von denen der eine nicht lieben darf, der Zweite nicht lieben kann und der Dritte nicht lieben will”. Die Helden arbeiten sich an der Liebe ab, aber das Ergebnis ist auf der ganzen Linie amourös unbefriedigend. Was bleibt sind Blicke in traurige Augen, Augen, in denen sich die Seele spiegelt, und Augen, in denen noch ganz andere Geschichten stecken. Die ebenso intensiv wie zurückhaltend agierenden Schauspieler, Nina Hoss, André Hennicke und Sven Pippig, legen allerhand Fantasien nahe. Christian Petzold erzählt nur eine mögliche Geschichte. Und so viel sei verraten: in ihr geht es nicht nur um Liebe und Lebensbewältigung. Der Filmtitel “Toter Mann” deutet es bereits an: im Schlussdrittel des hervorragend fotografierten Films wird es thriller-spannend.

Nina Hoss, zuletzt am Theater erfolgreich und vielen Fernsehzuschauern gewiss als “Das Mädchen Rosemarie” noch in bester Erinnerung, spielt die rätselhafte Schöne, die in den ersten Bildern fast wie eine von Verfolgungswahn getriebene Frau erscheint. “Ich brauche eine Arbeit, die mich so erschöpft, dass ich endlich schlafen kann”, sagt ihre Leyla. Für Nina Hoss war es eine Herausforderung, jenes Geheimnis in der Rolle anzulegen, ohne zu viel zu verraten von ihrer dunklen Seite. Doch trotz biografischer Wunden sieht Hoss ihre Figur als eine Suchende. Gefallen habe ihr auch, dass für die Männer dasselbe gilt. “Alle drei gehen durchs Leben und – das macht sie so verletzlich und liebenswert – alle drei sind noch offen, haben mit dem Leben noch nicht abgeschlossen.” (Text-Stand: 31.5.2002)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Nina Hoss, André Hennicke, Sven Pippig, Kathrin Angerer, Heinrich Schmieder, Henning Peker

Kamera: Hans Fromm

Schnitt: Bettina Böhler

Musik: Stefan Will

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Christian Petzold

Regie: Christian Petzold

EA: 31.05.2002 20:40 Uhr | Arte

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