Tod in Mombasa

Heino Ferch, Katharina Schlothauer, Jörg Lühdorff. Erst der Profit, dann die Moral

Foto: ZDF / Marq Riley / Lühdorff
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Wirtschafts-Thriller „Tod in Mombasa“ (ZDF / Zeitsprung) ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich ein kompliziertes Thema hochspannend erzählen lässt. Vordergründig will ein Mann in Kenia die Mörder seiner Frau und seiner Schwägerin finden, um seine eigene Unschuld zu beweisen, aber eigentlich geht es um einen Balanceakt: Deutsche Unternehmen sollen die Rohstoff-Abhängigkeit von Russland und China einschränken, aber auch hiesigen moralischen Ansprüchen genügen, was die Arbeitsbedingungen in anderen Herkunftsländern angeht. Zweites Thema des Films ist die Wirkung von Krisenberichterstattung: Moritz Wagner (Heino Ferch) war Kriegsfotograf; traumatische Erlebnisse hatten zur Folge, dass er seine Ehe ruiniert hat. Trotz des großen Erklärungsbedarfs bleibt der Film von Jörg Lühdorff stets spannend. Ensemble, Bildgestaltung und Musik sind ebenfalls ausgezeichnet.

Schon die Vorstellung ist absurd: „Lass’ uns doch mal einen Spielfilm über das Lieferkettengesetz machen.“ Jörg Lühdorffs Wirtschafts-Thriller „Tod in Mombasa“ ist jedoch ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich ein kompliziertes und relevantes, auf den ersten Blick aber auch wenig griffiges Thema hoch spannend erzählen lässt, mit vielen Emotionen, die nie wie Beiwerk wirken, und komplexen Figuren, deren Taten, Worte und Gefühle auch dank der ausnahmslos guten Besetzung jederzeit nachvollziehbar sind. Da sich die Geschichte an interessanten Schauplätzen in Kenia sowie in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo zuträgt, sind Schauwerte ohnehin garantiert. Die Handlung ist allerdings viel zu dicht, um gelegentliche Safaribilder einzustreuen, zumal Lühdorff konsequent darauf geachtet hat, die üblichen Schwarzafrika-Klischees zwischen Exotik und Elend zu vermeiden.

Für optische Intensität sorgen vor allem immer wieder eingestreute, in Schwarzweiß gehaltene Erinnerungsbilder: Moritz Wagner (Heino Ferch) war lange Zeit Kriegsfotograf. Die Erlebnisse in den Krisengebieten haben an seiner seelischen Gesundheit gezehrt und seine Ehe ruiniert. Darum geht es allerdings erst später, denn zunächst muss Wagner einen Schicksalsschlag verkraften: In Kenia wird die Leiche seiner Frau samt ihrem Auto aus einem See geborgen. Farrah ist vor einem Jahr verschwunden, hat aber regelmäßig Postkarten aus Hamburg geschickt, wo sie einst studiert hat; deshalb sind der in Kenia aufgewachsene Fotograf und seine Tochter nach Deutschland gezogen. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass Farrah schon am Tag ihres Verschwindens ermordet worden ist, weshalb Wagner umgehend nach Mombasa zurückkehrt. Als erstes will er seine Schwägerin Pascalé zur Rede stellen; sie hatte gegenüber der Polizei angedeutet, er habe Farrah auf dem Gewissen. Aber er kommt zu spät: Sie ist erstochen worden. Bevor sie stirbt, flüstert sie das Wort „Kobold“. Später werden seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe entdeckt.

Tod in MombasaFoto: ZDF / Marq Riley
Rückkehr eines Traumatisierten. Der Job als Kriegsfotograf hat bei Moritz Wagner (Heino Ferch) psychische Spuren hinterlassen.

Dramaturgisch entwickelt sich Lühdorffs Drehbuch, das durch Romane von Lena Blaudez inspiriert worden ist, nun erwartbar: Um seine Unschuld in beiden Fällen zu beweisen, muss der Fotograf die wahren Mörder finden. Unterstützung bekommt er durch die beste Freundin seiner Frau, Caro (Katharina Schlothauer). Sie hat zwar erhebliche Vorbehalte gegen diesen Mann, den sie für einen „emotionalen Zombie“ hält, weil er irgendwann nur noch für seine Arbeit lebte; aber natürlich will sie ebenfalls wissen, warum die beiden Frauen ermordet worden sind. Ein von Farrah aufgenommenes Foto führt in den Kongo, wo ihnen schließlich klar wird, dass Pascalés letztes Wort keineswegs „Kobold“ war, und nun ist der Film bei seinem Thema: Es geht um die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den kongolesischen Minen, wo fast drei Viertel des für die Akkus von Smartphones, Laptops und Elektroautos unverzichtbaren Kobalt abgebaut werden; und um den Balanceakt für die deutsche Wirtschaft, die einerseits die Rohstoff-Abhängigkeit von Russland und China einschränken und andererseits hiesigen moralischen Ansprüchen genügen soll, was die Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern angeht. Wie es Lühdorff gelungen ist, diese Herausforderung in eine zunehmend komplexe Geschichte zu betten, die dennoch in erster Linie durch die zentrale Figur vorangetrieben wird, ist große Drehbuchkunst.

Natürlich hat Heino Ferch das nötige Format für diese Rolle, aber die eigentliche Spannung resultiert aus Wagners innerem Konflikt, den Ferch eher andeutet als ausspielt: Wagner macht sich Vorwürfe, weil er Farrahs Tod indirekt mitverursacht hat, als sich das Paar über den Sinn seiner Arbeit gestritten hat. Damit ist der Film bei seinem zweiten Subtext, der Sinnhaftigkeit fotografischer Berichterstattung über Kriege und Krisen. Die Idee, sich dafür einer Aufnahme zu bedienen, die zu den berühmtesten und erschütterndsten Fotografien der letzten Jahre gilt, ist brillant, zumal Lühdorff dank einer raffinierten Fiktionalisierung des Hintergrunds mitten hinein in sein eigentliches Thema führt. Eindrucksvoll ist auch die Umsetzung: Wann immer diese Handlungsebene zum Tragen kommt, frieren die Bilder zu Schwarzweißfotografien ein; auch Wagners entsprechende Erinnerungen sind so gestaltet. Die Kameraarbeit (Philipp Timme) ist ohnehin ausgezeichnet. Dass „Tod in Mombasa“, größtenteils in Griechenland gedreht, trotz des großen Erklärungsbedarfs dennoch stets ein Thriller bleibt, liegt nicht zuletzt an der guten Spannungsmusik von Oliver Biehler; Dissonanzen verdeutlichen zudem, wie verstörend einige von Wagners Erlebnissen waren. Zur bemerkenswerten Gesamtqualität trägt nicht zuletzt die Leistung von Samirah Breuer bei, die als Wagners Tochter Aluna fast ausschließlich emotionale Szenen hat, ihre Sache aber exzellent macht. Auch die einheimischen Mitwirkenden sind sehr gut ausgewählt. Dass sich Wagner und Caro mit ihnen von wenigen Ausnahmen abgesehen auf Englisch und Französisch verständigen, ist ein weiterer Beleg für den Anspruch des Films. (Text-Stand: 11.1.2024)

Tod in MombasaFoto: ZDF / Marq Riley / Lühdorff
Unterstützt bei seiner privaten Mission, die bald wirtschaftspolitische Dimensionen annimmt, wird Wagner (Heino Ferch) von der besten Freundin seiner Frau, Caro (Katharina Schlothauer). Sie hat allerdings erhebliche Vorbehalte gegen diesen Mann, der seine Ehe an die Wand fuhr, weil er irgendwann nur noch für seine Arbeit gelebt hat.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Heino Ferch, Katharina Schlothauer, Barbara Philipp, Samirah Breuer, Alex Tsanghu, Christian Erdmann, Errol Trotman Harewood, Dayan Kodua

Kamera: Philipp Timme

Szenenbild: Pierre Pfundt

Kostüm: Monika Hinz

Schnitt: Ollie Lanvermann

Musik: Oliver Biehler

Redaktion: Matthias Pfeifer

Produktionsfirma: Zeitsprung Pictures

Produktion: Michael Souvignier, Till Derenbach, Katrin Kuhn

Drehbuch: Jörg Lühdorff – Romanvorlagen: Lena Blaudez

Regie: Jörg Lühdorff

Quote: 6.36 Mio. Zuschauer (23,7% MA)

EA: 27.01.2024 20:15 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 05.02.2024 20:15 Uhr | ZDF

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