Theresa Wolff – Waidwund

Nina Gummich, Manthei, Schneider, Thurn/Demke, Grass. Ein Schuss im Dunkeln

Foto: ZDF / Steffen Junghans
Foto Tilmann P. Gangloff

Der zweite Film mit Nina Gummich als Titeldarstellerin der ZDF-Reihe „Theresa Wolff“ (Ziegler Film) muss ohne Thorsten Merten auskommen, aber Aurel Manthei erweist sich als würdiger Nachfolger. Die Geplänkel zwischen dem Kommissar und der jungen Leiterin der Jenaer Rechtsmedizin sorgen für einen sympathischen Kontrast zur düsteren Handlung. Erneut resultiert der Reiz des Falls aus der persönlichen Betroffenheit der Ärztin: Theresa muss ein schreckliches Geheimnis ihrer Kindheit lösen, um eine aktuelle Mordserie aufzuklären. Regisseur Bruno Grass hat zuletzt zwei fesselnde „Sarah Kohr“-Thriller gedreht. „Waidwund“ orientiert sich zwar am klassischen Krimi, ist aber dank der Geschichte nicht minder fesselnd. Wie sich das Puzzle jenes verhängnisvollen Abends Mitte der Neunziger nach und nach zusammensetzt und sich schließlich rausstellt, dass Theresa Teil eines grausamen Komplotts war: Das ist von Hansjörg Thurn & Carl-Christian Demke clever ausgedacht.

Die schlechte Nachricht zuerst: Der zweite „Theresa Wolff“-Film muss ohne Thorsten Merten auskommen. Die amüsanten Geplänkel zwischen der ungestümen neuen Leiterin der Jenaer Rechtsmedizin (Nina Gummich) und dem erfahrenen Kommissar waren die Würze zum Auftakt der ZDF-Reihe. Ein weiteres besonderes Element war die persönliche Betroffenheit der jungen Ärztin: Theresas erster Mordfall betraf die Ehefrau ihrer einstigen großen Liebe. In „Waidwund“ führt die Spur in eine noch fernere Vergangenheit: Der Mann, dessen Leiche im Bismarckbrunnen auf dem Marktplatz schwimmt, ist vor seinem Tod durch den Wald gehetzt worden. Verblüfft stellt die Rechtsmedizinerin fest, dass sie ihn als Kind gekannt hat: Er war Mitglied einer Jagdgesellschaft, die sich regelmäßig gemeinsam mit ihrem Vater in einem Jagdhaus getroffen hat. Der kürzlich verstorbene alte Wolff war Förster, der Mann hat bei ihm den Jagdschein gemacht. Bruno Lewandowski (Aurel Manthei), der neue Leiter der Mordkommission, und sein Kollege Topal (Sahin Eryilmaz) brauchen nicht lange, um einen möglichen Täter zu finden. Das Mordopfer galt als „Wendegewinner“, der sich Mitte der Neunziger viele Feinde gemacht hat, als er einen Volkseigenen Betrieb erst in ein lukratives Unternehmen verwandelte und dann in die Pleite führte. Die Chefetage hatte ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht, aber viele Menschen haben ihren Job verloren; ein Mitarbeiter (Horst Kotterba) hat dem Unternehmer schon damals mit Mord gedroht.

Theresa Wolff – WaidwundFoto: ZDF / Steffen Junghans
Die Methoden von Theresa Wolff (Nina Gummich) bleiben seltsam. Hauptkommissar Lewandowski (Aurel Manthei) wundert sich, Burkhardt Sachs (Klaus Wegener) ist tot, und die Rechtsmedizinerin auch dieses Mal wieder in den Fall persönlich involviert.

Natürlich wäre diese naheliegende Lösung viel zu einfach. Außerdem ist da ja noch die Sache mit der Vergangenheit. Theresa hat ihren Vater als Kind oft ins Jagdhaus begleitet, aber ihre Erinnerungen sind bruchstückhaft. Allerdings kristallisiert sich nach und nach heraus, dass sich damals eine Tragödie ereignet haben muss; und sie war offenbar daran beteiligt. Als ein weiteres Mitglied der Gruppe stirbt, ist klar, dass irgendjemand eine alte Rechnung begleichen will. Aber warum erst jetzt? Für Lewandowski entwickelt sich der Fall zum Wettlauf mit dem Tod, denn er will verhindern, dass das dritte noch in Jena lebende Vorstandsmitglied ebenfalls getötet wird, aber die Rechtsmedizinerin ahnt: Nur wenn sie das Rätsel aus ihrer Kindheit löst, kann sie auch die Mordserie beenden.

Wie schon beim ersten Film „Home Sweet Home“ (2021) liegt der Reiz der Geschichte nicht zuletzt in der Befangenheit der Ärztin, zumal ihr Leitspruch „Wer den Tod begreifen will, muss erst mal das Leben verstehen“ hier nicht weiter hilft: Sie muss die Vergangenheit begreifen, um die Gegenwart zu verstehen. Wie sich das Puzzle des verhängnisvollen Abends nach und nach zusammensetzt, wie aus heiterem Himmel ein vermeintlich freundlicher Schatten aus jenen Jahren auftaucht, und wie sich schließlich herausstellt, dass Theresa als Kind unschuldiger Teil eines grausamen Komplotts war: Das ist ziemlich clever ausgedacht. Das Drehbuch stammt von Hansjörg Thurn und Carl-Christian Demke, Regie führte Bruno Grass, der zuletzt fürs ZDF zwei fesselnde Beiträge für „Sarah Kohr“ gedreht hat.

Theresa Wolff – WaidwundFoto: ZDF / Steffen Junghans
Praktikantinnen kommen und gehen: Nach Lea Drinda hat nun Precious Wiesner die Rolle übernommen und auch sie bringt Diversität in die ZDF-Reihe. Nina Gummich

Die gute Nachricht zum Schluss: Aurel Manthei erweist sich als würdiger Nachfolger von Thorsten Merten: Auch Lewandowski muss sich daran gewöhnen, dass die Rechtsmedizinerin gern als Erste am Tatort eintrifft und ihm auch sonst meist einen Schritt voraus ist. Herkunftsunterschiede sorgen zudem für weitere Differenzen: Der Kommissar ist ein ungeschliffener Typ, der von der Straße und ohne Höflichkeitsfloskeln gleich zur Sache kommt. Manthei spielt das gut und jederzeit glaubwürdig. Nina Gummich geht ohnehin in der Titelfigur auf und sorgt dafür, dass Theresa auch bei ihren einseitigen Zwiegesprächen mit den Toten nicht wunderlich wirkt. Da Praktikumsstellen befristet sind, hat nun Precious Wiesner die Rolle von Lea Drinda übernommen; sie macht das gleichfalls gut. Etwas unterfordert ist dagegen Peter Schneider als Theresas Stellvertreter, der sich immer noch nicht damit abgefunden hat, dass die Leitung der Rechtsmedizin an eine unerfahrene junge Kollegin vergeben worden ist; selbst bei der Praktikantin stichelt er gegen die Chefin. Ähnlich überflüssig sind einige unappetitliche Nahaufnahmen. Die Obduktionen dienen zweifellos der Wahrheitsfindung, aber aus Sicht des Publikums ist der Erkenntnisgewinn von Skalpellen, die sich in menschliches Fleisch senken, überschaubar. (Text-Stand: 12.4.2022)

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Reihe

ZDF

Mit Nina Gummich, Aurel Manthei, Peter Schneider, Sahin Eryilmaz, Precious Wiesner, Alina Levshin, Torsten Michaelis, Till Wonka, Horst Kotterba

Kamera: Matthias Reisser

Szenenbild: Jürgen Schäfer

Kostüm: Bettina Weiß

Schnitt: Simone Klier

Musik: Johannes Kobilke

Redaktion: Matthias Pfeifer

Produktionsfirma: Ziegler Film

Produktion: Tanja Ziegler

Drehbuch: Hansjörg Thurn, Carl-Christian Demke

Regie: Bruno Grass

Quote: 5,30 Mio. Zuschauer (21,4% MA); Wh. (2024): 3,98 Mio. (22,7% MA)

EA: 07.05.2022 20:15 Uhr | ZDF

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