Tatort – Wir sind nicht zu fassen!

Krassnitzer, Neuhauser, Scherrer, Kramar, Warta, Rupert Henning. Wiener Blick auf unheimliche Zeiten

Foto: ORF / Petro Domenigg
Foto Volker Bergmeister

Der Abschieds-Countdown für das wunderbare Wiener Ermittler-Duo Moritz Eisner und Bibi Fellner läuft. Fall Nr. 36 führt die beiden in ein Geflecht aus militantem Protest, internen Konflikten und dreisten Umsturzfantasien. Bei einer Demo gibt es einen Toten. Wurde er von der Polizei niedergeknüppelt oder zur Zielscheibe in den eigenen Reihen? Autor-Regisseur Rupert Henning hat seine brisante Geschichte als temporeichen Thriller inszeniert. Er dreht dabei am großen gesellschaftlichen Rad; gegen Ende gerät es ein wenig zu groß. Dennoch: Der „Tatort – Wir sind nicht zu fassen!“ (ORF / Rundfilm) bietet spannende Unterhaltung mit Polit-Touch.

Apokalyptische Zustände in der Wiener Innenstadt: Polizei, Demonstranten, Hubschrauber, Straßenkämpfe. Mittendrin liegt ein Toter: Jakob Volkmann, Systemkritiker und Mitorganisator der Demo. „Schlag mit einem harten Gegenstand“, mutmaßt Meret Schande (Christina Scherrer). Und die Kamera fährt in dem Moment auf den Schlagstock eines Polizisten. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) übernehmen die heiklen Mordermittlungen. Einsatzleiter Schuch (Wolfgang Oliver) mauert, verteidigt das harte Vorgehen gegen die Aktivisten. Kurz darauf fliegt ein Brandsatz: Meret Schande erwischt es; sie kommt mit ein paar Kratzern davon. Eine Spur führt zu einer militanten Untergrundgruppe namens KAPO. Das Opfer gehörte der Organisation ebenso an wie die Aktivistin Katja Ralko (Julia Windischbauer), die auch Staat und Polizei verachtet. Doch der Fall zieht immer weitere Kreise und Bibi und Moritz kommen dem Staatsschutz in Person von Schubert (Dominik Warta) in die Quere.

Tatort – Wir sind nicht zu fassen!Foto: ORF / Petro Domenigg
Das Opfer gehörte derselben Organisation an wie die Aktivistin Katja Ralko (Julia Windischbauer), die Staat und Polizei verachtet.

Er ist der Mann für die brisanten Geschichten im Austria-„Tatort“: Rupert Henning. „Grenzfall“, „Schock“, „Virus“, „Krank“ oder„One Way Ticket“ für den BR – stets schickt der Autor das Wiener Duo im „Tatort“ auf heikle Mission und schafft dabei schockierende Szenarien. Man könnte es auch anders formulieren: Er dreht gerne und gut am großen Rad. Auch im „Tatort – Wir sind nicht zu fassen!“ Was er dabei nicht vergisst, ist der Humor: Der ist dieses Mal fein dosiert und allein den Kommissaren vorbehalten: „Schön, dass sie physisch anwesend waren“, sagt Eisner zum Polizeipräsidenten, der nur schweigend einer Lagebesprechung bewohnt. Auch sonst zeigt Henning, dass er an seinen Dialogen feilt: „Wir sind im selben Team, aber nicht immer alle zugleich auf dem Spielfeld“, entgegnet Schubert vom Staatsschutz Bibi Fellner, die mehr Kooperation auf Augenhöhe zwischen den Ermittlern anmahnt.

Im letzten Viertel überzieht Henning ein wenig, verlässt die nachvollziehbare Ebene aus militantem Protest und internen Konflikten in der Welt der Querdenker, Systemgegner und sonstiger Schwurbler. Dreiste Umsturzfantasien bilden das Finale, das so ein wenig entgleitet und dem erkennbaren Anliegen, den gefährlichen Mix aus gesellschaftlichen Konflikten und bedrohlichen Szenarien aufzuzeigen, so ein wenig an Wirkung nimmt. Bis dahin ist der Krimi, den Henning selbst im Stil eines Politthrillers mit Spannung, Action und Tempo ansehnlich inszeniert hat, ein raffiniert entwickeltes Vexierspiel.

Tatort – Wir sind nicht zu fassen!Foto: ORF / Petro Domenigg
In Wien wird wieder am großen Rad gedreht, und Meret Schande (Christina Scherrer) hat diesmal mehr zu tun. Harald Krassnitzer

Christina Scherrer erhält diesmal deutlich mehr Raum, den sie zu nutzen weiß. Ihr frisches Spiel überzeugt. Leider sind die meisten anderen Figuren eher eindimensional und in ihrem Verhalten und ihren Äußerungen zu erwartbar: der Einsatzleiter ein harter Hund, der Nachrichtendienstler mit Pokerface, die Systemgegner aufmüpfig und schroff. Da hätte man sich ein paar Nuancen mehr gewünscht. Nachdem sich der letzte Austria-„Tatort“ viel um das Innenleben der Kommissare drehte, sind die hier eher vereint im Kampf gegen die Feinde des Systems und die Ränkespiele um Zuständigkeiten zwischen Bundeskriminalamt und Nachrichtendienst. Und wenn Bibi und Moritz am Ende Churchill zitieren („Demokratie ist die schlechteste Staatsform – außer allen anderen“), dann kommt Wehmut auf, nachdem das wunderbar eingespielte Duo Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser gerade seinen Abschied bekannt gegeben hat. Man wird sie vermissen, die beiden philosophierenden und ironisierenden Kommissare, Majorin die eine, Oberstleutnant der andere. Aber drei Fälle gibt es noch bis zum endgültigen Abschied Ende 2026.

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1 Antwort

  1. Endzeitstimmung aller Orten. Und ich dachte schon, das war der letzte mit den beiden …

    3,5-4 Sterne

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Reihe

ORF

Mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Christina Scherrer, Hubert Kramar, Günter Franzmeier, Dominik Warta, Julia Edtmeier, Julia Windischbauer, Tilman Tuppy, Gerald Votava, Daniela Gaets, Theresa Martini, Michael Weger

Kamera: Josef A. Mittendorfer

Szenenbild: Maria Gruber

Schnitt: Bernhard Schmid

Musik: Thomas Kathriner

Redaktion: Bernhard Natschläger, Kerstin Bertsch

Produktionsfirma: Rundfilm, WHee Film

Produktion: Constanze Schuhmann, Isabelle Welter, Thomas W. Kiennast

Drehbuch: Rupert Henning

Regie: Rupert Henning

Quote: 8,35 Mio. Zuschauer (32,9% MA)

EA: 01.06.2025 20:15 Uhr | ARD

weitere EA: 01.06.2025 20:15 Uhr | ARD-Mediathek

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