Apokalyptische Zustände in der Wiener Innenstadt: Polizei, Demonstranten, Hubschrauber, Straßenkämpfe. Mittendrin liegt ein Toter: Jakob Volkmann, Systemkritiker und Mitorganisator der Demo. „Schlag mit einem harten Gegenstand“, mutmaßt Meret Schande (Christina Scherrer). Und die Kamera fährt in dem Moment auf den Schlagstock eines Polizisten. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) übernehmen die heiklen Mordermittlungen. Einsatzleiter Schuch (Wolfgang Oliver) mauert, verteidigt das harte Vorgehen gegen die Aktivisten. Kurz darauf fliegt ein Brandsatz: Meret Schande erwischt es; sie kommt mit ein paar Kratzern davon. Eine Spur führt zu einer militanten Untergrundgruppe namens KAPO. Das Opfer gehörte der Organisation ebenso an wie die Aktivistin Katja Ralko (Julia Windischbauer), die auch Staat und Polizei verachtet. Doch der Fall zieht immer weitere Kreise und Bibi und Moritz kommen dem Staatsschutz in Person von Schubert (Dominik Warta) in die Quere.
Foto: ORF / Petro Domenigg
Er ist der Mann für die brisanten Geschichten im Austria-„Tatort“: Rupert Henning. „Grenzfall“, „Schock“, „Virus“, „Krank“ oder„One Way Ticket“ für den BR – stets schickt der Autor das Wiener Duo im „Tatort“ auf heikle Mission und schafft dabei schockierende Szenarien. Man könnte es auch anders formulieren: Er dreht gerne und gut am großen Rad. Auch im „Tatort – Wir sind nicht zu fassen!“ Was er dabei nicht vergisst, ist der Humor: Der ist dieses Mal fein dosiert und allein den Kommissaren vorbehalten: „Schön, dass sie physisch anwesend waren“, sagt Eisner zum Polizeipräsidenten, der nur schweigend einer Lagebesprechung bewohnt. Auch sonst zeigt Henning, dass er an seinen Dialogen feilt: „Wir sind im selben Team, aber nicht immer alle zugleich auf dem Spielfeld“, entgegnet Schubert vom Staatsschutz Bibi Fellner, die mehr Kooperation auf Augenhöhe zwischen den Ermittlern anmahnt.
Im letzten Viertel überzieht Henning ein wenig, verlässt die nachvollziehbare Ebene aus militantem Protest und internen Konflikten in der Welt der Querdenker, Systemgegner und sonstiger Schwurbler. Dreiste Umsturzfantasien bilden das Finale, das so ein wenig entgleitet und dem erkennbaren Anliegen, den gefährlichen Mix aus gesellschaftlichen Konflikten und bedrohlichen Szenarien aufzuzeigen, so ein wenig an Wirkung nimmt. Bis dahin ist der Krimi, den Henning selbst im Stil eines Politthrillers mit Spannung, Action und Tempo ansehnlich inszeniert hat, ein raffiniert entwickeltes Vexierspiel.
Foto: ORF / Petro Domenigg
Christina Scherrer erhält diesmal deutlich mehr Raum, den sie zu nutzen weiß. Ihr frisches Spiel überzeugt. Leider sind die meisten anderen Figuren eher eindimensional und in ihrem Verhalten und ihren Äußerungen zu erwartbar: der Einsatzleiter ein harter Hund, der Nachrichtendienstler mit Pokerface, die Systemgegner aufmüpfig und schroff. Da hätte man sich ein paar Nuancen mehr gewünscht. Nachdem sich der letzte Austria-„Tatort“ viel um das Innenleben der Kommissare drehte, sind die hier eher vereint im Kampf gegen die Feinde des Systems und die Ränkespiele um Zuständigkeiten zwischen Bundeskriminalamt und Nachrichtendienst. Und wenn Bibi und Moritz am Ende Churchill zitieren („Demokratie ist die schlechteste Staatsform – außer allen anderen“), dann kommt Wehmut auf, nachdem das wunderbar eingespielte Duo Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser gerade seinen Abschied bekannt gegeben hat. Man wird sie vermissen, die beiden philosophierenden und ironisierenden Kommissare, Majorin die eine, Oberstleutnant der andere. Aber drei Fälle gibt es noch bis zum endgültigen Abschied Ende 2026.
1 Antwort
Endzeitstimmung aller Orten. Und ich dachte schon, das war der letzte mit den beiden …
3,5-4 Sterne