Millionenerbe Benjamin Wolters (Michael Pink) wird tot in seiner Villa aufgefunden. Zwei Schüsse aus kurzer Distanz, keine Einbruchspuren. Die Liste seiner Feinde ist so lang wie der Bodensee tief: Wolters war ein dekadenter Zyniker, der es liebte zu provozieren, sich auf Kosten anderer zu amüsieren und sie von sich abhängig zu machen. Alle Mitglieder seiner Clique, die er am Tag zuvor bei Pizza und Champagner um sich scharte, kommen als Täter infrage: der über seine Verhältnisse lebende Marcus (Torben Liebrecht), dem Benjamin die Freundin ausgespannt hat; Nadine (Alexandra Finder), die er gerade zugunsten einer anderen eiskalt abserviert hat; die neue Geliebte Alisa Adam (Anna Bederke) sowie der einstige Casting-Star Daniel (Daniel Roesner), der es nur auf Platz 2 schaffte, seither nur noch in Einkaufszentren singen darf und umso mehr von Benjamins gutem Willen abhängig war.
Eine schrecklich schöne Clique. Immer am Limit, immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick: Leo P. Ard entwirft das Psychogramm einer Clique, die keine Rücksicht auf andere und auch nicht auf sich selbst nimmt. Man geilt sich auf an riskanten Russisch-Roulette-Spielchen, eine Kugel im Lauf und wer neu in diese geschlossene Gesellschaft aufgenommen werden will, muss den Nervenkitzel und das Risiko in Kauf nehmen. Und die anderen ergötzen sich daran. „Dazuzugehören“ ist alles, Angst davor, ausgegrenzt zu werden, schafft eine perfide Gruppendynamik. Feine Figurenzeichnungen prägen den „Tatort: Todesspiel“ – da ist der Jet-Set-Millionenerbe, der Emporkömmling, das Casting-Opfer, die gelangweilte Schöne, die sich vom Gatten aushalten lässt, sich ihren Spaß aber woanders holt.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Eine runde, wendungsreiche Geschichte, deren Idee Leo P. Ard quasi auf der Straße gefunden hat. „Ich habe mal erlebt, wie in einem Restaurant eine Gruppe angetrunkener Yuppies dem Verkäufer einer Obdachlosenzeitung einen Hunderter angeboten hat, wenn er auf die Knie gehen und wie ein Hund bellen würde. Ich war sprachlos. Obwohl er sicher das Geld gebrauchen konnte, besaß der Mann so viel Würde, es nicht zu machen und den Typen den Stinkefinger zu zeigen. Als der Mann gegangen war, wechselten einige Hunderter die Besitzer. Die hatten doch tatsächlich gewettet, wie der Mann reagieren würde. Diese Szene werde ich nicht vergessen“, sagt der Drehbuchautor und hat dieses Bild auch in diesem Krimi eindrucksvoll verarbeitet. Jürgen Bretzinger hat das Ganze routiniert und auf den Punkt inszeniert. Der Regisseur ist ein „alter Hase“ im „Tatort“-Geschäft – hat schon legendäre NDR-„Tatorte“ mit Manfred Krug gedreht („Undercover Camping“, „Mord vor Scharhörn“), war der Macher einiger Lena-Odenthal-Krimis und hat jetzt bereits seinen siebten „Tatort“ mit dem Bodensee-Duo Klara Blum und Kai Perlmann in Szene gesetzt. Er weiß, wie man mit diesem Duo umgehen muss. Eva Mattes bleibt die ruhige, die besonnene Ermittlerin, die kombiniert und auch mit Instinkt agiert. Sebastian Bezzel ist für die Action zuständig. Die bedeutet im „Tatort: Todesspiel“ nicht Hechtrollen und Schießereien im Stile des Hamburger Kollegen Til Schweiger. Nein, Perlmann muss diesmal undercover ran, mimt den reichen Lebemann und verschafft sich Zugang zu dieser dekadenten Clique der Reichen und Schönen. Mal tapsig, mal spitzbübisch darf er agieren und auch der Running Gag dieses flotten und flüssigen Krimis ist ihm vorbehalten. Seine Schampus-Spesen im vierstelligen Bereich will er ersetzt bekommen, scheitert aber lange an der Bürokratie einer Behörde und deren Angst vor Verschwendung. Wie das ausgeht, nein, wird hier noch nicht verraten, macht aber Spaß.
Ein unspektakulärer, aber spannender und kurzweiliger Krimi, der Ton stimmt, die Dialoge sitzen, das Quintett der Dekadenten ist gut gezeichnet und ebenso gespielt (stark: Torben Liebrecht). Mal wieder ein Krimi ohne Kunstkniffe. Ist aber – wenn die Geschichte greift und die Figuren stimmen – auch mal wieder schön anzusehen. (Text-Stand: 19.12.2013)