Das Duell geht weiter: Zum zweiten Mal bekommt es Richy Müller als Stuttgarter Kommissar Lannert mit dem von Filip Peeters beeindruckend schurkisch-cool gespielten Edelbösewicht Victor de Man zu tun. Nach dem Fall „Tödliche Tarnung“ (2009) hat auch beim „Tatort – Spiel auf Zeit“ Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt („Mörder auf Amrum“) das Buch geschrieben. Der ist nicht nur der Erfinder der beiden Schwaben-Cops, sondern erweist sich hier erneut als Autor einer wendungsreichen, packenden Krimigeschichte, die von Roland Suso Richter mit reichlich Action und dosiertem Tempo in Szene gesetzt wurde. Und auch die ruhigen Momente, für die diesmal vor allem Kommissar Bootz (Felix Klare) zuständig ist, überzeugen, sie sind intensiv, nicht aufgesetzt und hochemotional.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Beim brutalen Überfall auf einen Gefangenentransport wird Häftling Volker Zahn (Detlef Bothe) befreit und ein Polizist getötet. Aus dem Gefängnis meldet sich Victor de Man, den Lannert und Bootz vor Jahren verhafteten, und bietet Informationen im Austausch gegen Hafterleichterungen. Tatsächlich gelingt es ihnen aufgrund seiner Tipps, ein Entführungsopfer zu befreien und Hinweise auf einen neuen großen Coup des Bankräubers Zahn und seiner Gang zu bekommen. Mit der Aussicht, für die verbliebene Haftzeit Freigänger werden zu können, verspricht de Man, weitere Informationen über den geplanten Überfall zu beschaffen. Damit könnten die Kommissare und Staatsanwältin Álvarez das geplante Verbrechen womöglich verhindern und Zahn wieder festsetzen. Die Sache hat nur einen Haken – de Man muss dafür zeitweilig entlassen werden. Zwar unter Aufsicht der Kommissare, doch das Risiko einer Flucht ist nicht auszuschließen. Bootz ist skeptisch. Lannert glaubt, dass er de Man gut genug kennt, und ist bereit, dessen Versprechen zu vertrauen. Während Lannert de Man auf seiner Muission begleitet, erlebt Bootz den privaten Supergau…
Roland Suso Richter hat den „Tatort – Spiel auf Zeit“ als klassischen Polizeifilm inszeniert, Tempo und Timing stimmen, die Balance zwischen lauten und leisen Szenen überzeugt. Für die privaten Momente – beispielsweise, wenn Bootz von seiner Frau mitgeteilt bekommt, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gibt – dann nimmt Richter sich Zeit, inszeniert diese Szene so intensiv und bewegend, wie man es nur selten im „Tatort“ sieht, wenn Privates der Ermittler im Krimi eingeflochten wird. Kameramann Jürgen Carle schafft packende Bilder, ist bei Verfolgungsjagden und Actionszenen nah dran, trendige Vogelperspektiven dürfen da nicht fehlen. Was diesen Krimi aber richtig sehenswert macht, ist die Qualität des Buches.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Holger Karsten Schmidt hat den Stuttgarter Kommissaren eine wendungsreiche, packende Geschichte geliefert, schickt Kommissare und Zuschauer auf falsche Fährten, alles dreht sich und dreht sich, nichts ist vorhersehbar. Das Duell zwischen Lannert und dem verurteilten Waffenhändler (ein Genuss, wie Filip Peters dem Bösen ein Gesicht gibt, das letztlich auch das Gute zeigt) geht in die zweite Runde – und ist noch stärker als der Fall aus dem Jahr 2009. Auch die persönliche Trennungsgeschichte von Bootz – der Verlust der Kinder, die Abrechnung mit dem Nebenbuhler (samt überraschender Wendung!) – spiegelt sich in der Krimistory. Auch Victor de Man spricht vom Tag der Abrechnung und gibt Bootz am Ende noch ein Karl-Marx-Zitat mit auf den Weg: „Freiheit ist, oh Weib, wo du nicht bist“.
Ein starker Krimi aus Stuttgart: So eine überzeugend-packende Geschichte hat man den beiden Kommissaren im Schwabenländle seit längerem wieder mal gewünscht. Auf all die, die es gar nicht abwarten können, bis das „Spiel auf Zeit“ beginnt, wartet übrigens eine transmediale Erweiterung: Sie können gemeinsam mit dem „Tatort“-Team bereits eine Woche vor der Ausstrahlung die Ermittlungen im Netz aufnehmen. Das Finale – samt packendem Showdown – gibt‘s aber erst im „alten“ Medium TV, sonntags nach der „Tagesschau“.