Tatort – Schmutziger Donnerstag

Stefan Gubser, Dani Levys Realismus-Konzept & die Tücken der Luzerner Fasnacht

Foto: SRF / SWR / Nikkol Rot
Foto Rainer Tittelbach

Aufatmen bei den deutschen „Tatort“-Fans. „Schmutziger Donnerstag“, der dritte Krimi um Reto Flückiger, wendet erstmals die eidgenössischen Eigenarten und ästhetischen Besonderheiten des 2012 wiederbelebten Schweizer „Tatort“-Ablegers ins Positive: spröder Realismus, unbekannte Gesichter, eine charismatische Hauptfigur, ein authentischer Stefan Gubser. Der Qualitätssprung resultiert vor allem aus dem lebendigen Fasnachtsambiente und dem Umgang mit Realität, die dem Film einen exklusiven Bild- und Erzählstil geben.

Närrisches Treiben in Luzern. Schon allein das ist eine große Herausforderung für den „reingeschmeckten“ Reto Flückiger. Der introvertierte Kommissar hatte sich gerade mit dem Segelboot auf den See zurückgezogen, als am frühen Morgen des Schmutzigen Donnerstag ein Mann im ausgelassenen Fasnachtsgedränge erdolcht wird. Ein zweiter Mann stirbt wenig später unter den Händen von Kommissarin Liz Ritschard. Doppelter Ausnahmezustand also für die Polizei. Flückiger würde die Fasnacht am liebsten absagen. Seine Chefs zeigen ihm dafür den Vogel. Also macht sich die Soko auf Spurensuche, während die ganze Stadt volltrunken im Feier- und Verkleidungsfieber liegt. Der Mörder hat leichtes Spiel; ständig wechselt er Masken und Kostüme. Mit seinem Blutbad, das sich auf die „Zunft der Wächter am Pilatus“ konzentriert, ist er noch nicht am Ende. Und er kennt auch den Kommissar…

Tatort – Schmutziger DonnerstagFoto: SRF / SWR / Nikkol Rot
Ein großes Hallo. Verkaterte Kommissare hat man oft, aber nicht oft so authentisch wie in Dani Levys „Tatort“. Durcheinanderreden fast wie im richtigen Leben…

Dani Levy über seine besondere Methode bei diesem „Tatort“:
„Ich habe so gedreht, dass die Figuren plastisch und lebendig werden. Das bedeutete für uns, den Impulsen der Spontaneität und der Wahrheit des Momentes zu vertrauen. Wir haben deshalb stets mit zwei Kameras gedreht. Dies erhöhte das Arbeitstempo und machte es einfacher, mit den Schauspielern flexibel zu arbeiten.“

Durchatmen beim Schweizer Fernsehen, Aufatmen bei den deutschen „Tatort“-Fans. „Schmutziger Donnerstag“, der dritte Krimi um Reto Flückiger, wendet erstmals die eidgenössischen Eigenarten und ästhetischen Besonderheiten des 2012 wiederbelebten Schweizer „Tatorts“ ins Positive: spröder Realismus, hierzulande unbekannte Gesichter, eine charismatische Hauptfigur und ein ebensolcher Darsteller. Dass „Schmutziger Donnerstag“ gleich einen Riesen-Qualitätssprung macht, liegt vor allem am Fasnachtsambiente und dem Umgang mit Realität, die dem Film einen exklusiven Bild- und Erzählstil geben. Die bewegte Kamera mutet oft geradezu dokumentarisch an. So wird der Ausnahmezustand sinnlich wahrnehmbar. Auch die Verfolgung des Mörders durch den Kommissar über die Dächer der Stadt bringt Abwechslung und Atmosphäre in diesen SRF-„Tatort“. Eingesetzt wie im (Polizei-)Alltag, wird auch die Sprache: geredet wird oft durcheinander, gegeneinander und vor allem laut. Das Fasnachtstreiben bestimmt die Dramaturgie maßgeblich. Da wird weniger systematisch ermittelt, da treibt die Handlung nicht klassisch spannend, aber doch aufregend dahin. Regionales & Saisonales als Spielmaterial für die TV-Fiktion zu verwenden und Reales mit Ausgedachtem zu verschränken – so etwas ist reizvoll und wird viel zu selten versucht.

Tatort – Schmutziger DonnerstagFoto: SRF / SWR / Nikkol Rot
Diese Fasnacht stinkt Flückiger. Der zieht sich auf den See zurück. Später hat der Kommissar eine Drogenvision, in der DJ Bobo Flückigers Autor zertrümmert und „ET“ dazu tanzt.

Dani Levy und über die Arbeit mit den Schauspielern:
„Eine Methode, die ich schon seit mehreren Filmen einsetze: Ich drehe ohne Proben und minutiöse Absprachen. Die daraus entstehende Lebendigkeit und Wildheit ist für alle Beteiligten eine spannende Erfahrung. Es ist ein kleiner Schritt, sich aus dem Korsett und den Zwängen eines Drehablaufs zu lösen.“

Es hat sich also gelohnt, einen der renommiertesten Schweizer Filmemacher, Dani Levy („Alles auf Zucker“), für diesen „Tatort“ zu verpflichten. Man kann erkennen, dass hier ein Regisseur am Werke war, der bisher vornehmlich Kino gemacht hat, „kleine“ Filme zwar, aber immer mit einem besonderen (visuell) konzeptionellen Anspruch. „Schmutziger Donnerstag“ ist ein guter Krimi: Nach 50 Minuten nimmt E.T. seine Maske ab, der Zuschauer weiß als einziger mehr und die Handlung erfährt einen Break. Vor allem aber ist dieser „Tatort“ ein guter Film. Auch wenn noch der eine oder andere Dialogsatz der schweizerischen Umständlichkeit geschuldet ist, so braucht man sich nicht mehr fremd schämen für den „Tatort“ aus Luzern. Delia Mayers Liz Richard, die mit einer als Mann verkleideten Frau im Bett landet, bekommt Konturen und Stefan Gubser deutet an, dass er – mit dem richtigen Realismuskonzept – denselben Weg gehen könnte wie Krassnitzer beim österreichischen „Tatort“: Beides sind Schauspieler-Typen, erwachsene Männer, deren Eigenarten nicht aufgesetzt und ausgedacht, sondern „authentisch“ wirken. (Text-Stand: 25.1.2013)

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Reihe

SRF

Mit Stefan Gubser, Delia Mayer, Karin Pfammatter, Peter Zumstein, Carol Schuler, Sabina Schneebeli, Martin Klaus, Matthias Fankhauser, Andrea Zogg

Kamera: Carl-Friedrich Koschnick

Schnitt: Toni Froschhammer

Kostüme: Linda Harper

Produktionsfirma: Zodiac Pictures

Drehbuch: Petra Lüschow

Regie: Dani Levy

Quote: 7,78 Mio. Zuschauer (21,9% MA)

EA: 10.02.2013 20:15 Uhr | ARD

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