Nach dem 500. bekam das Bremer „Tatort“-Team auch für den 600. Fall den Zuschlag. „Beim ersten Mal war es Zufall, dass wir dran waren“, so Lürsen-Darstellerin Sabine Postel. „Dieses Mal wurde beschlossen, es als Auszeichnung zu behandeln.“ Die Hanseaten vertiefen gern die Fälle, schrecken aber vor deftigen Effekten nicht zurück. Da hängt schon mal ein Toter am Fleischerhaken. In „Scheherazade“ überlässt Lürsen ihrem Kollegen Stedefreund weitgehend das Feld. Der ist fasziniert von einem Borderline-Girl, das im Zuge des 11. Septembers 2001 die Weltverschwörung heraufziehen sieht. Das kleine Bremen als Schauplatz der Weltpolitik?
Einer der vermeintlichen Todespiloten, der letztlich nicht geflogen sein soll, sondern statt dessen nach Deutschland einreiste, sei jetzt hingerichtet worden. Das behauptet die junge Frau, bei der er sich damals einquartiert haben soll und die ihn geliebt hat. Für Inga Lürsen sind das Phantasien einer kranken Psyche. Stedefreund indes nimmt die unter Angstzuständen leidende Ex-„Drückerin“ und deren Verschwörungstheorien ernst. Es scheint etwas dran zu sein an der Geschichte. Aber was kann ein kleiner Kommissar da schon ausrichten!?
Ein ungewöhnlicher „Tatort“ ist dieser Film von Peter Henning und Claudia Prietzel nach einem Gedankenspiel-Drehbuch von Grimme-Preisträger Christian Jeltsch. Die sprunghafte junge Frau gibt auch ästhetisch den Ton an. Die Paranoia bekommt einen modischen Look mit Farb- und Montageeffekten verpasst. Dass das alles nicht nervt, sondern man nach einer Eingewöhnungsphase sogar mitfiebert – das liegt vor allem an der überzeugenden Esther Zimmering und den immer wieder wirkungsvoll eingesetzten Thriller-Momenten. Am Ende bleibt ein ungutes Gefühl. Und das ist durchaus beabsichtigt. (Text-Stand: 5.6.2005)
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