Nun hat der Fall Dominique Strauss-Kahn auch den deutschen TV-Krimi erreicht. Nach „Männertreu“ ist dieser SWR-„Tatort“ schon der zweite – und weniger gelungene – Versuch, aus der Affäre um den ehemaligen Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und französischen Supermacho dramatisches Kapital zu schlagen. Kurios: Erneut spielt Suzanne von Borsody die Frau an der Seite des mächtigen, sexuell hyperaktiven Mannes. Einerseits ist diese Valerie Sattler in ihrer grimmigen Entschlossenheit, unbeirrt zu ihrem Mann zu halten, ähnlich angelegt. Andererseits wird das Ganze auf die Spitze getrieben, indem sie gleichzeitig dessen Rechtsanwältin ist. Dann spricht sie von ihrem Mann als „meinem Mandanten“. Valerie Sattler ist der interessanteste Charakter und von Borsody der Lichtblick in diesem „Tatort“.
Peter Sattmann dagegen hat nicht das Vergnügen, eine ähnlich starke und abgründige Figur zu spielen wie Matthias Brandt in dem mit einem Grimme-Preis ausgezeichneten Drama „Männertreu“. Doch Sattmann macht das Beste aus seiner Rolle als ehemaliger „Landesvater“ Joseph Sattler, der hier Täter und Opfer zugleich ist. Sattler, mittlerweile EU-Kommissar, will die Frauenquote in den Vorständen von Dax-Unternehmen durchsetzen. Und wird deshalb Opfer einer Intrige. Die Frauenquote droht zu scheitern, weil sich ihr wichtigster politischer Verfechter regelmäßig an jungen Frauen vergreift? Die Geschichte hat das Zeug zu einer bösen Farce, doch Drehbuch und Inszenierung bieten vor allem die übliche „Tatort“-Mixtur aus halbwegs spannendem Whodunit-Krimi und geschwätzigem Themenfilm.
Aber der Reihe nach: Um 8.45 Uhr treten die Zimmermädchen im feudalen Schlosshotel zum Appell an. Die Pakistani Yasemin Akhtar (Naima Fehrenbacher) wird von Hotelmanager De Dreusen (David C. Bunners) in die Prominenten-Etage vier beordert, wo sie von Sattler im Bademantel überrascht wird. Beinahe zeitgleich bedrängt der heruntergekommene Journalist Schüttler (Jürgen Rissmann) Sattlers Frau auf dem Privatgrundstück und fordert sie zu einer Stellungnahme zu den neuen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihren Mann auf. Später ruft Schüttler in der Redaktion an und behauptet, ein Zimmermädchen habe um 8 Uhr Anzeige gegen Sattler erstattet. Da ist Yasemin allerdings schon tot. Um 10.11 Uhr stürzt sie im Treppenhaus aus dem vierten Stock. Die dank der Zeitangaben minutiös wirkende Erzählweise zu Beginn ist verwirrend, aber als Rätselaufgabe bis zuletzt interessant.
Foto: SWR / Alexander Kluge
Leider gerät der Mordfall zwischenzeitlich angesichts der angeregten Diskussionen über Frauen und Männer, Karriere und Quote beinahe in Vergessenheit. Und bei den Ermittlungen hilft ein probates Drehbuch-Mittel: Die Kommissarin ist zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort. Auch wirkt das Hotel in dieser Inszenierung steril wie in einem Tourismus-Prospekt. Die Kamera zeigt kalte, schöne Bilder vom Schloss und seinen Luxus-Suiten, aber lebendig wird hier schon mangels anderer Gäste nichts. Eher harmlos der selbstreferenzielle Spaß mit dem Fernseh-„Talk im Weingut“, bei dem SWR-Chefredakteur Fritz Frey eine kleine Nebenrolle als Moderator gegönnt wird – ein kleiner Ausflug ins Reich der ARD-Eitelkeiten.
Die „große Politik“ wirkt, wie so oft im deutschen Fernsehen, ausgesprochen provinziell. Und die Ermittler? Das Duell zwischen der dünnhäutig gewordenen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und LKA-Beamtin Johanna Stern (Lisa Bitter) hat in dem eingefahrenen SWR-Team neue Reize gesetzt, und auch hier geraten die erfahrene Kommissarin und ihre jüngere Kollegin aneinander. Der Konflikt unter den Frauen passt ganz gut in diesen Themenfilm: Zwei Generationen, zwei Lebenskonzepte, auch zwei Ansichten zur Quote konkurrieren hier. Und Folkerts und Bitter lassen es ordentlich krachen, wobei die manchmal sperrigen Dialogsätze nicht so recht zu den heftigen Emotionen passen wollen. Bemerkenswert auch, wie Odenthal ihr Selbstverständnis definiert. „Ein Polizist darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten“, sagt sie zu Kopper. Das Buch variiert (um nicht zu sagen: verfälscht) damit ein Zitat von Hanns Joachim Friedrichs, das sich bekanntlich auf Journalisten bezog. Schlimmer noch: In manchen Dialogen strotzt es nur so vor erhobenen Zeigefingern.
Dennoch hat der „Tatort – Roomservice“ auch seinen Reiz. Odenthal erkennt die Intrige gegen Sattler als Erste. So hat der Film zeitweise etwas von „Lena gegen den Rest der Welt“. Kollegin Stern wird zeitweise sogar die Leitung der Ermittlungen übertragen und hantiert vor allem mit Laptop, Tablet und Handy. Die technologische Überlegenheit der jüngeren Kollegin wird dick aufgetragen, doch Lisa Bitter ist sicher ein Gewinn für das dienstälteste „Tatort“-Team. Und Kopper? Der leistet hier nur einen bescheidenen Beitrag und wirkt wie auf Abruf. In der traurigsten Szene des Films (und zugleich schönsten, weil kein einziges Wort fällt) sitzt er am feierlich gedeckten Tisch. Kopper hat gekocht, doch auf seine langjährige Kollegin und WG-Partnerin wartet er vergeblich. Am nächsten Tag zieht Odenthal bei Kopper aus, und Stern kündigt an, sich auf eine freie Planstelle im Ludwigshafener Kommissariat zu bewerben. Der Umbruch im SWR-Team aus Rheinland-Pfalz wird vorangetrieben, nun müssen vor allem bessere Geschichten her. (Text-Stand: 6.5.2015)