Tatort – Ohnmacht

Behrendt, Bär, Alexander Knaup, Thomas Jauch. Spannende Wechselspielchen

Foto: WDR / Uwe Stratmann
Foto Volker Bergmeister

Der Köln-“Tatort“ ist nach drei starken Stücken in Folge wieder da. In „Ohnmacht“ geht es um Gewalt aus Spaß, Zivilcourage, Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs, Grenzen der Ermittlungsarbeit und die Ohnmacht der Polizei, fehlendes Gespür der Staatsanwaltschaft und juristische Grenzen. Eine klug konstruierte Geschichte, eine starke Mischung aus Familien- und Gesellschaftsdrama. Einziger Knackpunkt: Ballaufs Part ist viel zu dick aufgetragen.

Ballauf und Schenk haben ihre Würstchenbude wieder zurück. In den ersten beiden Fälle des Jahres 2014 – „Franziska“ und „Der Fall Reinhardt“ – fehlte dieses eher biedere Symbol sozialer Erdung der beiden Köln-Cops bekanntlich. Es sah nach Richtungswechsel aus. Ergebnis: ein packendes Thriller-Drama und eine bewegende Familien-Tragödie. Zwar setzt man im „Tatort – Ohnmacht“ also wieder auf die Wurst, gleichzeitig halten die Kölner mit einer klug konstruierten Geschichte durchaus das Level, kehren aber bei den Kommissar-Figuren zu bekannten Mustern zurück – sprich: die Leidens- und Betroffenheitsmine von Max Ballauf ist wieder da. Klar, er steckt im neuen Fall „Ohnmacht“ mittendrin, wird Zeuge einer Tat und dann selbst zum Opfer. Es geht um Gewalt aus Spaß, Zivilcourage, Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs, Grenzen der Ermittlungsarbeit und die Ohnmacht der Polizei, fehlendes Gespür der Staatsanwaltschaft und juristische Grenzen. Aber weniger (Ballauf) wäre mehr gewesen in dieser starken Mischung aus Gesellschafts- und Familiendrama.

Tatort – OhnmachtFoto: WDR / Uwe Stratmann
Die Tochter aus gutem Hause, begleitet von ihren Eltern, soll aussagen, was sie in der U-Bahn gesehen hat. Corinna Kirchhoff, Felix von Manteuffel und Nadine Kösters

Auf dem Heimweg vom Feierabendbierchen mit Kollege Schenk – na, wo wohl, bei Gebhard an der Würstchenbude – wird Ballauf im U-Bahnhof Zeuge einer Schlägerei. Ein Pärchen prügelt wie wild auf einen Musik-Studenten ein. Der Kommissar geht mutig dazwischen, wird ebenfalls attackiert und schließlich vor die U-Bahn gestoßen. Er überlebt. Als Ballauf wieder zu sich kommt, sind die Täter entkommen. Das Opfer, Manuel Siever, erliegt kurze Zeit später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ballauf darf als Zeuge der Tat nicht selbst ermitteln, so übernimmt Freddy Schenk den Fall allein, unterstützt von der neuen Assistentin Miriam Häslich (Lucie Heinze). Schnell sind die jugendlichen Tatverdächtigen ermittelt: Kai Göhden (Robert Alexander Baer) ist für die Polizei kein Unbekannter. Er war schon öfter straffällig geworden. Und Janine Bertram (Nadine Kösters), Tochter aus gutem Hause. Doch beide schieben alle Schuld von sich: Manuel hätte den Streit provoziert, so ihre erste Aussage. Und Janine erklärt im weiteren Verlauf auch noch, sie sei von dem jungen Mann sexuell belästigt worden. Ein kniffliger Fall für Schenk – und Ballauf, der zudem bald schon im Netz als betrunkener Schläger angeprangert wird und sich ständig in die Ermittlungen einmischt.

Tatort – OhnmachtFoto: WDR / Uwe Stratmann
Leider nur ein Gastspiel: Lucie Heinze als Spezialistin für Internet und soziale Netzwerke. Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt in „Tatort – Ohnmacht“

Einen spektakulären Einstieg mit beeindruckenden Bildern hat Regie-Routinier Thomas Jauch (u.a. der Köln-Leipzig-Doppelkrimi „Kinderland“ / „Ihr Kinderlein kommet“) da in Szene gesetzt. Der zieht den Zuschauer schnell rein in dieses dichte und atmosphärische Krimidrama. Danach wird es ruhiger. Nicht die Tätersuche sorgt für Spannung, denn schnell ist klar, wer es war. Es sind die steten Wendungen, die die Story von Andreas Knaup zu bieten hat. Immer, wenn alles klar zu sein scheint, schlägt die Story einen Haken, kommt quasi ein „neues Thema“ hinzu. Dreh- und Angelpunkt dabei ist Janine, die (verwöhnte) Tochter aus gutem Hause, stets auf der Suche nach dem Kick. Lili Zahavi, Tochter des Regisseurs Dror Zahavi, spielt dieses Biest mit Psycho-Knick überlegt und zurückgenommen, zeigt alle Facetten zwischen bravem Töchterchen, berechnender Göre und wildgewordenem kleinen Teufel. Und am Ende mündet alles in einem überraschenden, sehr beklemmenden Finale. Stark auch Felix von Manteuffel und Corinna Kirchhoff als Janines Eltern, Figuren mit Tiefe, die weniger durch Worte als durch Blicke, Gesten, Schweigen zum Ausdruck kommt.

Klar, die Story erinnert stark an den Berliner „Tatort: Gegen den Kopf“ aus dem Jahr 2013. Allerdings nur in der Ausgangssituation: Totschlag in der U-Bahn, Zivilcourage eines Zeugen. Im aktuellen „Tatort: Ohnmacht“ bekommt die Geschichte dann eine gänzlich andere Fokusierung. Herausgekommen ist ein sehenswertes Krimidrama, in dem einzig Max Ballaufs Part zu dick aufgetragen wirkt. Der Köln-“Tatort“ ist nach drei starken Stücken in Folge wieder da. Interessant wird sein, wie es in der Assistentenfrage weiter geht. Neue Kandidatin im Rennen um die „Franziska“-Nachfolge im Assistenten-Casting ist Lucie Heinze. Die darf im „Tatort: Ohnmacht“ die Spezialistin für Internet und soziale Netzwerke geben und als Digital Native den beiden alten Haudegen unter die Arme greifen. Eine schöne Idee, bringt Schwung, tut gut, ist eine reizvolle Ergänzung – verbraucht sich aber wohl schnell. Und so dürfte das Wechselspielchen auf diesem Posten wohl fortgesetzt werden. (Text-Stand: 20.4.2014)

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Reihe

WDR

Mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Lucie Heinze, Robert Alexander Baer, Sven Gielnik, Lili Zahavi, Nadine Kösters, Corinna Kirchhoff, Felix von Manteuffel, Christian Tasche

Kamera: Clemens Messow

Szenenbild: Thomas Schmid

Produktionsfirma: Colonia Media

Drehbuch: Andreas Knaup

Regie: Thomas Jauch

Quote: 10,09 Mio. Zuschauer (28,9% MA)

EA: 11.05.2014 20:15 Uhr | ARD

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