Tatort – Murot und das Gesetz des Karma

Tukur, Philipp, Unterberger, Schmauser, Hubrich, Oberg. Murot trifft "The Lady Eve"

Foto: HR / Bettina Müller
Foto Thomas Gehringer

Murot muss sich mit schlechtem Karma herumschlagen, dennoch driftet die elfte Folge mit Ulrich Tukur als „Tatort“-Kommissar Felix Murot nicht in buddhistische Seelenschau oder wolkige Esoterik ab. Autor Lars Hubrich und Regisseur und Co-Autor Matthias X. Oberg erzählen in „Murot und das Gesetz des Karma“ (HR) geradlinig, spannend und humorvoll von einer Pechsträhne des Kommissars, die möglicherweise ihren Ursprung in einem lange zurückliegenden Fehlverhalten Murots haben könnte. Der Kommissar wird in einem Hotel Opfer einer Trickdiebin, die am selben Abend noch das Laptop eines anderen Mannes stiehlt und damit eine Kette von blutigen Ereignissen auslöst. Tolles Ensemble in prägnanten Episoden-Rollen, angeführt von Anna Unterberger und Thomas Schmauser.

Dieser Murot-„Tatort“ hat das Zeug zur Versöhnung. Wem die Filme des Hessischen Rundfunks (HR) um den LKA-Ermittler bisher zu experimentell waren, der dürfte sich mit der moderat überhöhten Episode „Murot und das Gesetz des Karma“ anfreunden können. Hier drohen keine Zeitschleifen, und Murot begegnet weder seiner eigenen Film-Figur noch reist er in unwirkliche Western-, Horrorfilm- oder Edgar-Wallace-Kulissen. Auch konfrontiert der elfte HR-„Tatort“ mit Ulrich Tukur sein Publikum nicht mit philosophischen Zitaten und existenzialistischen Betrachtungen wie zuletzt in „Murot und das Prinzip Hoffnung“. Zugrunde liegt dem Drehbuch von Lars Hubrich („Tschick“) und Co-Autor und Regisseur Matthias X. Oberg („Zazy“) allerdings die buddhistische Vorstellung vom „Karma“. Demnach erzeugt – grob gesagt – jede Handlung eine Wirkung, die dem Wesen der Handlung entspricht. Ein Fehlverhalten erzeugt also schlechtes Karma, wird irgendwann, möglicherweise auch erst in einem späteren Leben, Ursache für Schmerz und Leid sein.

Tatort – Murot und das Gesetz des KarmaFoto: HR / Bettina Müller
Dieser Murot-„Tatort“ hat das Zeug zur Versöhnung. Zwei, die immer gut sind für freundliche Ekelpakete oder Psychopathen: Thomas Schmauser & Philipp Hochmair

Hubrich und Oberg übersetzen diese Weltsicht in einen geradlinigen und spannenden Kriminalfilm. Zwar darf man sich über skurrile Details und tragikomische Figuren wundern, aber auf religionsphilosophische Exegesen wird ebenso verzichtet wie auf ausgefallene dramaturgische Kunstgriffe. Murot verfällt auch keineswegs der Idee, wiedergeboren zu sein. Für den einzigen, zudem leicht erkennbaren Zeitsprung sorgt zu Beginn ein privater Super-8-Film, der eine junge und offenbar glückliche Frau in einem Griechenland-Urlaub zeigt. Es ist nicht schwer zu erraten, dass die körnigen Bilder auf Murots Vergangenheit und eine ehemalige Liebesbeziehung anspielen.

Murots schlechtes Karma offenbart sich Jahrzehnte später nach einem Vortrag vor Versicherungsmanagern zum Thema Cyberkriminalität. An der Hotelbar begegnet er einer jungen Frau (Anna Unterberger), die auf ihrem Smartphone Scrabble spielt. Man kommt ins Gespräch und geht gemeinsam essen, doch die Frau träufelt Murot K.o.-Tropfen in den Rotwein, begleitet den Taumelnden aufs Zimmer und lässt sein Portemonnaie mitgehen. Zuvor hatte sie, durch eine andere Perücke getarnt, bereits dem nervösen Martin Landrot (Dirk Martens) das Tablet gestohlen. Landrot wollte es gegen eine stattliche Summe eintauschen, stattdessen wird er in einem Hotelzimmer erwürgt. Der Täter namens Xavier (Thomas Schmauser) begegnet dem Publikum schon bald wieder, denn er ist die rechte Hand von Schöller (Philipp Hochmair), dem Chef von Delphi-Invest und „neuer Star am Dax-Himmel“. Hochmair darf mal wieder sein Talent für boshafte Typen einbringen. Meist ist er damit beschäftigt, seinen Handlager Xavier zu triezen und wie einen ungezogenen Jungen an den Ohren zu ziehen. Impro-Filmer Jan Georg Schütte hat noch einen Auftritt als Alt-Hippie, aber die schönsten der prägnanten Nebenfiguren sind Bernd (Sascha Nathan) und seine sprechende Handpuppe Babette, die auch einiges Geschick beim Waffenverkauf an den Tag legt.

Tatort – Murot und das Gesetz des KarmaFoto: HR / Bettina Müller
Die Diebin (Anna Unterberger) und der Kommissar (Ulrich Tukur). Dass sie Eva heißt, lässt Filmkenner womöglich an Preston Sturges Meilenstein-Komödie „The Lady Eve“ (deutscher Titel: „Die Falschspielerin“) mit Stanwyck und Fonda denken. Das Hotel ist allerdings in dem Hollywood-Klassiker ein Kreuzfahrt-Dampfer und verlieben wird sich die wandlungsfähige Betrügerin ganz gewiss auch nicht in Murot.

Die skurrilen Typen, der Dialogwitz und das tragikomische Scheitern des Mörders erinnern an den HR-„Tatort – Falscher Hase“, der ebenfalls aus Hubrichs Feder stammte. Thomas Schmauser spielt großartig das arme, devote Würstchen, das sich aus Angst und Ehrgeiz zum Äußersten treiben lässt. Und dabei auch jede Menge einstecken muss. Die „Tatort“-Episoden  des HR sind häufig eine Verbeugung vor filmischen Genre-Klassikern. Szenen wie Xaviers eskalierender Hausbesuch bei dem riesigen Bodybuilder (Enno Kalisch) und seiner sportlichen Frau erinnern an Tarantinos Sinn fürs Groteske. „Murot und das Gesetz des Karma“ verweist aber vor allem auf Gangsterkomödien mit weiblichen Heldinnen. Die von Anna Unterberger so überzeugend cool gespielte Trickdiebin Eva macht gemeinsame Sache mit ihrer Lebensgefährtin Halina (Marlina Mitterhofer), wobei die Zitat-Mischung aus „Thelma & Louise“ und „Bonnie und Clyde“ nur schwach ausgeprägt ist.

Der Beutezug im Hotel eröffnet den beiden Frauen die Möglichkeit, Schöller mit den Informationen auf dem gestohlenen Laptop zu erpressen. Zugleich erkennt Eva auf dem alten Führerschein-„Lappen“ Murots den jungen Mann wieder, der im Urlaubs-Fotoalbum und dem Tagebuch seiner Mutter auftauchte. Die eigentliche Mord-Ermittlung wird derweil von Magda Wächter (Barbara Philipp), der wackeren Mitarbeiterin Murots, vorangetrieben. Die schickt den von den K.o.-Tropfen angeschlagenen Kommissar erst einmal zu ihrem Arzt. „Das ist ein Inder, der behandelt ganzheitlich.“ Dass schlechtes Karma durch den Eingriff in das Leben eines Anderen entstehe, wie der Arzt (Mohammad-Ali Behboudi) erläutert, gibt Murot zu denken. Der Kommissar ist hier mehr mit seiner persönlichen Vergangenheit als dem eigentlichen Fall beschäftigt. Und die wandlungsfähige Eva ist gewissermaßen der Kitt, der beide Handlungsstränge zusammenhält. Sie taucht wie aus dem Nichts mal hier, mal dort auf und nimmt es mit allen Männern gleichzeitig auf – eine starke weibliche Episoden-Hauptrolle in einem bis zuletzt kurzweiligen Film. (Text-Stand: 7.9.2022)

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Reihe

HR

Mit Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Anna Unterberger, Thomas Schmauser, Pilipp Hochmair, Dirk Martens, Sascha Nathan, Marlina Mitterhofer, Jan Georg Schütte, Mohammad-Ali Behboudi, Yorck Dippe, Stephan Bieker

Kamera: Max Preiss

Szenenbild: Manfred Döring

Kostüm: Monika Gebauer

Schnitt: Stefan Blau

Musik: Christof Söhngen

Redaktion: Jörg Himstedt

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Produktion: Uli Dautel

Drehbuch: Lars Hubrich, Matthias X. Oberg

Regie: Matthias X. Oberg

Quote: 8,13 Mio. Zuschauer (27,6% MA)

EA: 25.09.2022 20:15 Uhr | ARD

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