Der Anwalt Simon Herzog ist auf einem Schrottplatz auf dem Gelände des Berliner Mauerparks mit seiner eigenen Waffe erschossen worden. Zuletzt verteidigte er einen Kindermörder. Das brachte ihm viel Presse, aber auch handfeste Drohungen ein. Doch eine vom Schmerz aufgefressene Mutter dürfte kaum als Täter in Frage kommen. Ein potenzieller Verdächtiger ist dagegen Ex-Knacki Gregor Müller, der vor über 20 Jahren von Herzog in einem Entführungsfall schwer belastet wurde. Das Baby der Zwillingsschwester der heute stadtbekannten Charity-Lady Ina Kilian ist damals gekidnappt worden und genau so wie die übergebenen zwei Millionen Dollar nicht mehr aufgetaucht. Müller war Hausmeister bei den alten Kilians und zugleich befreundet mit den gleichaltrigen Kindern seiner wohlhabenden Arbeitgeber. Die Aufmerksamkeit der Kommissare weckt auch ein junger Mann, der sich auf dem Mauerpark-Gelände herumtreibt. Er scheint geistig verwirrt zu sein und brabbelt von versiegelten Lippen und vor der Wahrheit verschlossenen Augen. Seltsam, dass dieser Sonderling Lukas Vogt ausgerechnet auch die Freundin des Ermordeten kennt.
Foto: RBB / Julia von Vietinghoff
10 Jahre Ritter & Starck. „Mauerpark“ ist der Jubiläums-„Tatort“ der Berliner Kommissare, die lange brauchten, um die Buddy-Albernheiten abzulegen und um aus Allerwelts-Whodunits auszubrechen. Der 25. Fall bestätigt den Aufwärtstrend der letzten beiden Jahre. Der Autorenfilmer Heiko Schier durfte für den RBB noch einmal von jenen Zeiten träumen, als „Herr Lehmann“ durch die Berliner Szene schlurfte, der „Dschungel“ der angesagteste Club der Stadt war und „Gefühl und Härte“ ein geflügeltes Wort war. Dem Geist der späten 80er Jahre ist der Fall, aber auch der Film in seiner Schmuddel-Ästhetik verpflichtet. Heiko Schier drehte 1989 seine Großstadt-Ballade „Wedding“. Gleich um die Ecke entstand jetzt sein erster „Tatort“. Der Mauerpark ist ein Erholungspark für die Bezirke Prenzlauer Berg und Wedding, dessen Hochhausfront wie 1989 auch in Schiers „Tatort“ desöfteren auftaucht. Der ehemalige Todesstreifen entwickelte sich zu einer „grünen Brücke zwischen Ost und West“. Auch der Schrottplatz, der Tatort, existiert auf eben diesem Gelände. Topografie, Charaktere mit Vergangenheit und der Zeithorizont sind die Parameter für Heiko Schiers spannende Geschichte. „Ich wollte ganz persönlich vom alten West-Berlin erzählen, von der Zeit, da eine Mauer die Stadt umschloss und die Eingeschlossenen auf einer düsteren Insel lebten.“
Das ist Schier eindrucksvoll gelungen. Die Geschichte ist gar nicht mal so verdrechselt, sie wagt nur, den aktuellen Mord mit einem lange vergangenen Verbrechen kurzzuschließen. Der Zuschauer weiß mehr als die Kommissare, Fragezeichen gibt es dennoch genügend und das Puzzle ist erst am Ende ganz gelöst – als nach einem hoch spannenden Finale noch ein Clou folgt. Wie bei einer Zwiebel schält man sich ins Zentrum der Geschichte mit ihren drei handlungstragenden Figuren neben den Ermittlern. Die Dramaturgie verläuft eher kreisförmig als linear. Die Inszenierung ist atmosphärisch, der Film beginnt assoziativ, mit einem Traum, der alle zentralen Motive des historischen Falls vorwegnimmt. Der furios aufspielende Robert Gwisdek, Rebecca Immanuel, Sven Lehmann und Regisseur Schier lassen Raacke und Aljinovic keinen Spielraum für Ermittler-Gimmicks. Sie „ermitteln“ sachlich, konzentriert, filmdienlich. Und dann ist da noch der tolle Song von Fun Boy Three: „Our Lips are sealed“.