Auf Henry Funck und Maik Schaffert muss man ein Auge haben. Die Jungkommissare schießen gerne mal über das Ziel hinaus. Warum lange auf das SEK warten? Selbst der Scharfschütze! Kriminaldirektorin Petra Fritzenberger ist alles andere als erbaut über den leichtsinnigen Einsatz ihrer Jungs, welcher allerdings mit der Festnahme eines mutmaßlichen mehrfachen Frauenmörders erfolgreich endet. Sein letztes Opfer ist noch warm. Die Tote, eine Studentin, ist allerdings ein wenig anders zugerichtet als die vorherigen Leichen. Vielleicht ist die junge Frau ja das Opfer eines Trittbrettfahrers geworden? Deutlich verunsichert sind die Mitbewohnerin der Toten und ihr Freund, auch der Campus gibt weitere Verdächtige her; hier an der Uni macht die angehende Staatsanwältin und neue Praktikantin im Team, Johanna Grewel, einen guten Job. Als herauskommt, dass die Ermordete für einen Escort-Service gearbeitet hat, gerät auch ein ehrenwerter Herr unter Verdacht. Weiteres Geld floss noch durch Medikamentenhandel. Dann bricht der Serienmörder aus der Haftanstalt aus und steht plötzlich vor Kommissar Schafferts Haus – ein Machinengewehr unterm Arm.
Der MDR erhebt mit Friedrich Mücke (32), Benjamin Kramme (31) und Alina Levshin (29) als den Hauptdarstellern des neuen Erfurter „Tatort“-Teams den Alleinstellungsanspruch in Sachen Jugend. Wer jung ist, darf Fehler und auch mal eine Chauvi-Äußerung („die hat ’nen geilen Arsch“) machen. Dass der Einstieg in den „Tatort – Kalter Engel“ nach dem Bond-liken Action-Appetizer ein bisschen holpert, ist vielleicht auch dem Alter, einer gewissen Unsicherheit und Einsilbigkeit, geschuldet. Man hat anfangs den Eindruck: im Flirten (Funck ist auf dem Sprung ins Bett mit einem sexy-Escort-Girl) und Beziehungsspiel sind die drei aus Erfurt besser (und glaubwürdiger) als beim Ermitteln. Vielleicht muss man sich als Zuschauer aber auch erst an die für einen „Tatort“ ungewohnten Jungspunde und neuen Gesichter gewöhnen. Irgendwann ist man drin‘ in dieser Geschichte, die den Whodunit beileibe nicht neu erfindet, deren Grundidee, die „Kripo-Babys“ zum Einstand im entsprechend jungen Studentenmilieu ermitteln zu lassen, richtig gedacht, aber wenig überzeugend gemacht ist. Hinein gezogen wird man von diesem Team, den Männern, bei denen kein Blatt dazwischen geht, und der Praktikantin und Noch-Studentin, die gern mit ihrem theoretischen Wissen glänzt. Hinein gezogen wird man aber vor allem von den Schauspielern, ihrer Präsenz, ihrer Physis. Besonders stimmig sind Mimik und Körpersprache von Alina Levshin. Die Rolle der Praktikantin sitzt ihr in den Knochen und den Gesichtszügen. Auch sie könnte eine jener Studierenden sein, die Medikamente nehmen, damit sie Leistung bringen können.
Ein bisschen schade, dass das junge Team und die frischen Schauspieler durch eine konventionelle Inszenierung ausgebremst werden. Etwas Action in der Inszenierung macht noch keinen modernen Film. Thomas Bohn, ein durchaus verdienter „Tatort“-Regisseur, vertraut nicht auf Mücke & Co und die eigene Geschichte, sondern er bemüht eine Krimi-Filmsprache, die besonders mit ihrer lautmalerischen, bedeutungsvollen, künstlich dramatisierenden Musik die 90er Jahre ästhetisch wieder aufleben lässt. Gleich drei Musiker und Sounddesigner haben am grässlichen Score herumgeschraubt. Sollte das die Handschrift von FFP Media sein, der Produktionsfirma, die sich vor allem durch ihre Pilcher-Melos einen Namen gemacht hat?! Keine Frage: die drei aus Erfurt brauchen künftig erfahrene, aber dramaturgisch visionäre Drehbuchautoren und junge Regisseure, die so ticken wie ihre Hauptdarsteller und die dem Ganzen einen „New Look“ verpassen! (Text-Stand: 14.10.2013)