Tatort – Kaltblütig

Folkerts, Hoppe, Anna Loos, Andreas Senn. Krimi-Routine mit Ausreißern nach oben

Foto: SWR / Alexander Kluge
Foto Volker Bergmeister

Der „Tatort – Kaltblütig“ ist ein klassischer Whodunit-Krimi, der schnell geklärt scheint. Doch Lena Odenthal wäre nicht Lena Odenthal, wenn sie nicht an der (zu) schnellen Lösung des Falls zweifeln würde. Nicht nur die Grenzen zwischen Opfer und Täter sind fließend, auch die Bewertung verschwimmt zwischen „recht passabel“ (wendungsreich, phasenweise spannend, stark besetzt) und „alles schon zigmal gesehen“. Eine Weiterentwicklung der Kommissarin, wie es sie über Jahre gab, ist nicht erkennbar. Dafür musiziert Kopper.

Was auf den ersten Blick wie ein tragischer Autounfall aussieht, bei dem die junge Roza (Karolina Lodyga) sterben musste, entpuppt sich für Lena Odenthal und Kollege Mario Kopper schon nach den ersten Untersuchungen als perfider Mord: Die Bremsleitungen des Wagens waren durchschnitten, Roza, die Freundin des Firmenchefs Frank Brenner (Götz Schubert) hatte keine Chance. Aber wer wollte die Frau umbringen? Sie hatte keine Feinde. Selbst Katharina Brenner (Anna Loos), die Exfrau von Rozas Lebensgefährten, mochte sie. Die schwangere Roza und Frank wollten heiraten und andernorts ein neues Leben beginnen. Aber die Indizien sprechen eine andere Sprache: Frank Brenner hat erst am Tag vor dem tödlichen Autounfall an Rozas Wagen gearbeitet und Katharina belastet ihren Ex-Mann: Frank wollte gar nicht heiraten, scheute die Verantwortung für ein Kind und wollte Roza loswerden, gibt sie beharrlich zu Protokoll. Frank Brenner wiederum sagt nichts, weigert sich auch nach seiner Verhaftung, sich zu verteidigen. Die Sache scheint klar, doch Lena wäre nicht Lena, wenn sie nicht an der (zu) schnellen Lösung des Falls zweifeln würde. Sie will nicht glauben, dass Frank Brenners Liebe nur vorgetäuscht war. Und dann ist da ja noch Franks Schwester Anne (Sandra Borgmann), sie ist Künstlerin und eine ziemlich rätselhafte Person…

„Kaltblütig“ ist nach „Der Lippenstiftmörder“ und „Vermisst“ bereits der dritte Lena-Odenthal-„Tatort“, für den Autor Christoph Darnstädt und Regisseur Andreas Senn verantwortlich zeichnen. Es ist eine „Brüderchen-und-Schwesterchen“-Geschichte, Geschwister – schicksalhaft aneinandergeschweißt, vom Vater einst bedroht und fast getötet. Dazu ein paar Menschen in ihrer näheren Umgebung, die sich allesamt verhängnisvoll ineinander verkeilt haben. Ein Krimi voll klassischer Motive – es geht um Abhängigkeiten, Verlustängste, Kindheitstraumata, Eifersucht. Klingt nicht sonderlich aufregend, ist es leider auch nicht. Und so schleppen sich die Kommissare bei ihrer vorwiegend psychologischen Rätsellösung so dahin, zum Finale gibt es dann noch eine kräftige Portion Action. Andreas Senn bleibt nah an den Figuren – und das wiederum tut gut. Denn die drei Hauptrollen sind erstklassig besetzt – mit Götz Schubert, Anna Loos und Sandra Borgmann. Überhaupt Anna Loos: Sie ist derzeit auf dem besten Weg, eines der großen weiblichen Gesichter des deutschen Fernsehfilms zu werden. Blicke, Gesten, Ausdruck, Ausstrahlung – alles ist präzise und nuanciert gesetzt, sie verleiht der zentralen Figur der Katharina Brenner in diesem „Tatort“ eine besondere Note.

Die Fragen, wer ist Täter, wer ist Opfer, sie verschwimmen in diesem Krimi der Vorzeige-Reihe, für den zutrifft, was Ulrich Tukur, selbst „Tatort“-Ermittler für den HR, kürzlich als Kritik treffend formulierte: „Man sollte mit dem ‚Tatort‘ mehr experimentieren, Ungewohntes zeigen. Da muss man mal aus der Reihe fallen dürfen und bei aller Unterhaltung auch ein wenig anstrengen und den Zuschauer etwas höher springen lassen. Sonst wird am Ende alles seicht und beliebig.“ Aus der Reihe gefallen ist Lena Odenthal schon lange nicht mehr. Sie ist die Dienstälteste unter den „Tatort“-Kommissaren, ermittelt seit 1989 und steht vor ihrem 57. Fall. Den Drehbuchautoren fällt zu ihr nur noch wenig ein. Und so lässt man Kollege Kopper – dem allgemeinen Trend folgend – jetzt mit seiner Kumpelband Pink Floyd-Klassiker („Wish you were here“) singen. Was vor vielen Jahren für Manfred Krug als Kommissar Stoever mal als netter Schlenker eingebaut wurde, wird zum ausgelutschten Motiv in TV-Filmen. Weniger singen, mehr überraschen, Klappe halten, Kreativität freien Lauf lassen – möchte man sich da wünschen für den nächsten Lena-Odenthal-„Tatort“. (Text-Stand: 16.12.2012)

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Reihe

SWR

Mit Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe, Götz Schubert, Anna Loos, Sandra Borgmann, Tomek Nowicki, Annalena Schmidt, Nadja Bobyleva, Carmen Birk, Karolina Lodyga, Stefanie Höner

Kamera: Jürgen Carle

Schnitt: Sabine Garscha

Musik: Johannes Kobilke

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Drehbuch: Christoph Darnstädt

Regie: Andreas Senn

Quote: 10,02 Mio. Zuschauer (26,1% MA); Wh.: 5,63 Mio. (20,9% MA)

EA: 13.01.2013 20:15 Uhr | ARD

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