Ein Mann aus einer noblen Wohngegend macht sich auf zu einer Jagdgesellschaft. Wenig später liegt er tot an einer Billigtankstelle – erschossen mit dem eigenen Gewehr. Die 13jährige Nessi ist Zeuge des Mordes geworden. Fortan wird das Mädchen, das in einer Münchner Hochburg der sogenannten „Harzer“ wohnt, rund um die Uhr bewacht. Da Leitmayr aussieht wie der Ex von Nessis alkoholkranker Mutter, fassen beide Zutrauen zu dem Kommissar. Dennoch macht das Mädchen keine Aussage. Die Ermittlungen verlaufen schleppend. Der Tote war einst stellvertretender Personalchef bei einer Lebensmittelfirma. Doch wie viele andere war er längst entlassen worden. Seine Frau wusste nichts davon. Die Kündigung hat aus dem guten Menschen, der eine Essensausgabe für Bedürftige organisierte, einen weniger guten Menschen gemacht. Und so haben einige einen Riesenhass auf jenen Gerd Zach.
Batic und Leitmayr ermitteln im Armenhaus von München. Auch so etwas gibt es in der weißblauen Schickimicki-Metropole. „Jagdzeit“ ist eine gelungene Reminiszenz an den sozialkritischen „Tatort“ alter Schule – mit einer gehörigen Portion (Selbst-)Ironie. Allerdings nur da, wo es passt. Kranke, Alte oder Hartz-IV-Empfänger werden nicht belächelt. Dafür Batic. Während der dauerbetroffene Ex-Jugo überdeutlich sein Unbehagen äußert, gibt Leitmayr ihm im Rücken der befragten „Großkopferten“ deutliche Gähnzeichen. Der Zuschauer hingegen wird sich keine Minute langweilen in diesem gut gebauten BR-„Tatort“, der in die verschiedenen Milieus hineinschnuppert und dabei lieber alles etwas kräftiger zeichnet, als zu verharmlosen. Die Hauptgeschichte um Nessi und ihre psychisch kranke Mutter erinnert an das Sozialsiedlungsdrama „Keine Angst“. Der Versuch des gemobbten Mädchens, alles zu tun, damit die beiden zusammen bleiben können, gibt dem Film seinen emotionalen Unterboden. Die Dialoge sind oft knapp („Ich bin arm, aber nicht bescheuert“), Split-Screens verdichten und verzahnen die Parallelszenen und die Schauspieler sind vornehmlich keine Fernsehnasen – was beim Unterschichtmilieu weitaus authentischer wirkt.
„Jagdzeit“ ist kein Elends-Krimidrama. Dafür ist bis zum Ende zu viel Augenzwinkern im Spiel. Die Mischung aus gelegentlich launigen Kommissaren und „schwerem“ Thema gelingt hier besser als in anderen Krimis. „Kommunikation ist alles“ ist das Thema von Leitmayr und Batic in ihrem 58. Fall. Das fängt beim „Dialektquiz“ an, das die beiden während ihrer Autofahrten hören, und endet bei schlechten Absprachen, die immer wieder für kleine, beiläufige Irritationen bei ihren Befragungen sorgen. Dass die Reminiszenz an die Mutter der beiden Kommissare, die Redakteurin Silvia Koller, für die „Jagdzeit“ der letzte von über 50 „Tatorten“ war, die sie auf den Weg brachte, zu einem „in memoriam“ wurde, ist einer jener tragischen Zufälle, die das Leben schreibt. „Konserven-Koller“, der Firmenname im Film ist kein Zufall. Genau so wie der Satz (mit dem Markenzeichen Zigarette): „Das ist Frau Koller, unsere Seniorchefin, leider bloß noch ehrenhalber, nicht mehr operativ.“ Da kommt schon Wehmut auf. Silvia Koller starb im Dezember 2010. Der Bayerische Rundfunk tat gut daran, diese Szene nicht aus dem Film zu nehmen. So kann man schmunzelnd und mit einer Träne im Augenwinkel dieser eigenwilligen Redakteurin gedenken. (Text-Stand: 10.4.2011)