Eine alte Frau wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Für den Notarzt ein klarer Fall von Herzversagen. Doch die junge, unerfahrene Kripo-Kollegin leitet weitere Untersuchungen ein – und bringt damit einen schrecklichen Fall ins Rollen. Nachdem wenig später Kommissar Dellwo auf eine zweite, bereits mumifizierte Leiche einer alten Frau stößt, scheint die Frankfurter Polizei einer Mordserie auf die Spur gekommen zu sein. Nach und nach werden 31 allein lebende Seniorinnen aus dem Bahnhofsviertel ermittelt, die angeblich an Herzversagen gestorben sind. Alle haben kurz vor ihrem Tod ihre Ersparnisse von der Bank geholt. Ein noch größerer Zufall: alle möglichen Mordopfer waren Mitglieder eines Lesezirkels. Überall begegnen den Kommissaren plötzlich alte Menschen. „Wir sind die Armee der Unsichtbaren“, sagt eine alte Frau im Supermarkt zu Dellwo. Auch Sänger, deren pflegebedürftigen Eltern unlängst einem Gewaltverbrechen zum Opfer fielen, hat solch eine Begegnung. Wenig später ist die Frau tot – und die seelisch angegriffene Kommissarin wird vom Fall abgezogen.
Foto: HR / Bettina Müller
Aus der Grimme-Preis-Begründung (2005):
„Ein Kriminalfilm, dem das Unwahrscheinliche gelingt: Er erfüllt das Gesetz des Genres und genügt dadurch dem zeitkritischen und regionalpatriotischen Anspruch der Reihe. Die Spannung entsteht daraus, dass auch der Zuschauer das gesellschaftliche Problem der Alterseinsamkeit übersieht… Ein Märchen vom lautlosen Horror vertrauter Verhältnisse, das unter den Wanderanekdoten stehen könnte, die Ethnologien über unseren unheimlichen Alltag sammeln.“
Der „Tatort – Herzversagen“ schert aus den üblichen Krimimustern aus und erzählt dafür umso mehr von einer Gesellschaft, in der jene Alten, die nicht zu den fröhlichen, sondern den vereinsamten Senioren gehören, an den Rand gedrängt werden. Im Zweifelsfall immer Herzversagen. Soll man denn etwa noch teure Untersuchungen anstellen, die die Gemeinschaft unnötig belasten!? Noch eine kräftige Spur kaltherziger denkt der Mörder, der für sich am Ende mildernde Umstände erhofft: die Frauen seien ja schon alt gewesen – er habe ja keine Kinder umgebracht! Die Beklemmung, die einen beim Zuschauen dieses Krimi-Sozialdramas überfällt, resultiert ein Stück weit aus der starken Einbindung der beiden Kommissare in die Geschichte – ihrer großen Empathie, die sie den Opfern entgegenbringen. Sänger und Dellwo sind hier stärker Mittler als Ermittler, sie bringen einem dieses schwere Thema emotional näher, ohne dass sie alles nur ständig betroffen und lautstark verurteilen, wie es beispielsweise die Kölner Kommissare bei solchen sozial relevanten Fällen gerne tun. Fazit: ein vielschichtiges, psychologisch kluges Drehbuch, kongenial inszeniert und kameraästhetisch aufgelöst und bis in die kleinsten Gesten von Schüttauf und Sawatzki perfekt gespielt. Ein Ausnahme-„Tatort“, bei dem nicht nur den Figuren Tränen kommen.