Die Aussicht der Wissifluh auf den Vierwaldstättersee ist ein Traum, doch die Besitzer, Vater und Tochter der Bergbauernfamilie Arnold, sind hoch verschuldet. Mit dem Investor Benjamin Gross sollte alles anders werden, doch der liegt am Morgen nach dem Schweizer Nationalfeiertag tot in einem Waldstück unterhalb der Wissifluh – aus der Seilbahn gestoßen! Reto Flückigers oberster Dienstherr, Regierungsrat Mattmann, feierte am 1. August mit auf der Wissifluh. Er will die Ermittlungen auf den notorischen Querulanten Rolf Arnold gelenkt wissen und den Fall rasch vom Tisch haben. Doch nicht mit Flückiger! Auch wenn der Bauer die „Liaison“ seiner Tochter mit dem doppelt so alten Investor nicht gern gesehen hat, ihn für einen Spekulanten und „Lumpenhund“ hielt, glaubt der Kommissar nicht, dass Arnold deshalb zum Mörder werden würde. Die Indizienlage spricht aber gegen ihn. Flückiger fühlt sich bald wie der Alte: von allen im Stich gelassen. Bis er auf eine Spur stößt, die auf die Machenschaften zwischen Politik, Luzerner Bank und Immobilienhändlern hinweist. Ist also doch etwas dran an der großen Verschwörung gegen den kleinen Bergbauern?
Betonten die beiden ersten Luzern-„Tatorte“ ungewollt das Besondere der Schweizer, ihre Umständlichkeit, so zielt „Hanglage mit Aussicht“ auf das Besondere der Schweiz: Natur und Landschaft. Der Titel deutet es bereits an. Zumindest visuell abwechslungsreich wird die prächtige Landschaft in den durchschnittlichen Whodunit integriert, auch die Kamera gibt sich anfangs naturverliebter, beweglicher, auch und vor allem bezogen auf die Seilbahnaktionen, die allerdings nur in ihrer kontemplativen Wirkung genutzt, spannungstechnisch aber nicht ausgereizt werden. Das Beste am „Tatort“ Luzern ist nach wie vor die Hauptfigur und ihr Darsteller. Reto Flückigers Einzelgängertum kommt in dieser Episode von Felix Benesch und Sabine Boss zwar nicht über die allzu bekannte Allein-gegen-alle-Dramaturgie hinaus, dafür treffen sich in Flückiger/Gubser Charme, Charisma und Charakterstärke in einer Weise, die auch beim deutschen Reihen-Liebhaber ankommen dürfte. Ein bisschen gegen den Strom – aber eben nur ein bisschen, dann wieder nett und adrett: schweizerisch gemäßigt eben. Bei diesen Vorgesetzten, diesen obrigkeitshörigen „Sesselpupsern“, wird und muss Flückiger nach wie vor anecken. Das könnte der künftige Weg des Luzerner Ermittlers werden.
Bei aller Besserung – „Hanglage mit Aussicht“ unterstreicht, dass vom Schweizer „Tatort“ so bald keine krimidramaturgischen oder gar kinematografischen Meisterleistungen zu erwarten sind. Was die Macher – insbesondere die Autoren – aber unbedingt künftig vermeiden sollten: Sie sollten keine Sätze aus dem Krimi-Setzbaukasten der frühen 1970er Jahre verwenden („Aber ich hab ihn gestern doch noch gesehen“). Sie sollten auch Verlegenheitsdialoge, die nur dazu da sind, dem Zuschauer zu sagen, wohin es in der nächsten Szene geht, meiden („Jetzt müssen wir Gas geben, Mattmann wartet schon“) und lieber einen sich selbst erklärenden Handlungs- und Bilderfluss etablieren. Und sie sollten (schweizerisch) penibel bleiben: wenn am 2. August die Ermittler korrekterweise fragen, „Wo waren Sie gestern Abend?“, sich zwischendurch allerdings eine Szene einschleicht, in der es heißt „Wo waren Sie am 1. August“, dann ist das eine Schlampigkeit, die man sich beim „Tatort“ nicht erlauben sollte.