Ein Toter im Jüdischen Gemeindezentrum München. Todesursache: Genickbruch. Ist Rafael Berger, der ein nicht aktives Mitglied der Gemeinde war, gestoßen worden? Jonathan Fränkel, ein orthodoxer Jude, fand die Leiche. Er und der Tote hatten seit längerem Streit. Davon aber erzählt er der Polizei nichts. Die Ermittlungen kommen schwer in Gang, weil Leitmayr und Batic zurückhaltend ermitteln – mit „Fingerspitzengefühl“, wie es ihnen der Staatsanwalt aufgetragen hat. Und weil sie immer wieder mit seltsamen Situationen konfrontiert werden und mit einer religiösen Welt, die ihnen nicht vertraut ist. Da ist Aaron, ein geistig zurück gebliebener junger Mann, der wegen einer Lappalie damit droht, sich in den Tod zu stürzen. Oder eben jener Fränkel, der die Kommissare mit seinem Schweigen und merkwürdigen (Sabbat-)Ritualen irritiert. Auch seine Frau Miriam überrascht durch ihre Wandlung vom Disco-Hasen zur gläubigen Jüdin. Noch weniger einzuschätzen wissen Batic und Leitmayr Rabbi Grünberg, dem in der Synagoge „Asyl“ gewährt wird, während das Gebetshaus seiner Gemeinde renoviert wird. Er ist Jude, aber zugleich ein aufgeklärter Intellektueller.
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Von wegen „Ein ganz normaler Fall“. Die Kommissare finden sich schwer zurecht, sind verunsichert, die Erbschuld des deutschen Volks sitzt ihnen in den Knochen. Diese Unmöglichkeit zur Normalität gehört zu den stimmigen Momenten dieses „Tatorts“ aus München. „Vergessen Sie doch einfach, dass Fräntzel Jude ist und behandeln sie alle hier so, als wäre das ein ganz normaler Fall“, rät ihnen die Chefin des Jüdischen Zentrums. Doch wie kann man das vergessen? „Es ist nicht normal, wenn man immer noch über Normalität extra reden muss“, betont Leitmayr. Das meiste Andere an der Geschichte dieses klassischen Whodunits, der am Ende wie ein Vorwand erscheint, um in das deutsch-jüdische Verhältnis anno 2011 hineinzublenden, ist nicht so stimmig und gut gelungen. Es wird viel geredet in „Ein ganz normaler Fall“, zu viel – und anfangs prasselt eine Vielzahl an Namen und verbalen Erläuterungen auf den Zuschauer ein, sodass auch ihm die Orientierung schwer fällt. Erst wenn man Namen mit Gesichtern verbindet, kommt Klarheit in die Konstellationen. Ausgangspunkt war der Suizid der Tochter des Ermordeten. Der zum Stoff passend unauffällig von Torsten C. Fischer inszenierte Film beginnt mit ihrer Beerdigung.
„Sie ahnen gar nicht, wie oft gerade Unbeteiligte in unserem Namen stellvertretend empört sind. Besonders Beamte, Politiker und Journalisten generieren sich geradezu als Gralshüter des Judentums. Sie glauben zu helfen, aber letztendlich betreiben sie uns gegenüber auch nur wieder eine andere Form der Entmündigung“, heißt es von jüdischer Seite im Film. So ein bisschen hat man bei diesem „Tatort“ den Eindruck, als ob auch hier zwanghaft versucht würde, dem jüdischen Volk und seiner Religion gerecht zu werden, indem die Autoren Diskurse über den Glauben, den Holocaust, die Rituale der orthodoxen Juden etc. in den Krimi hineinbemühen. „Ein ganz normaler Fall“ befindet sich in demselben Dilemma, von dem in der Handlung erzählt wird. Dieser „Tatort“ will – bei diesem Thema! – offenbar auch nicht einfach nur ein ganz normaler Krimi sein. Da ist es an der Kritik, keine falsche Rücksicht zu nehmen: Dieser „Tatort“ tappt in die Themen-Falle und ist als Krimi allenfalls durchschnittlich.