Tatort – Der Hammer

Prahl, Liefers, Peschel, Lars Kraume. In Münster geht der Hammermörder um

Foto: WDR / Martin Menke
Foto Rainer Tittelbach

Als Comic-Superheld verkleidet und mit Säure-Spritzpistole und Spezialhammer bewaffnet, macht sich ein Münsteraner Einzeltäter auf zu einem Rachefeldzug gegen die Verantwortlichen in einem Immobilien- und Bauskandal. An Einfällen und dramaturgischen Besonderheiten mangelt es dem WDR-„Tatort – Der Hammer“ nicht. Die Stimmungslagen sind vielfältig, der Film enthält viele attraktive Einzelszenen, viele Nacht-Aufnahmen, originelle Situationen, vier telegene Leichen, einen verhältnismäßig dramatischen Showdown und sogar mit ein bisschen Action kann Lars Kraume dienen. Gewitzelt wird dafür mit gebremstem Schaum.

Die erste Leiche fällt vom Himmel. Ein Bauunternehmer ist nächtens aus seinem Büro auf die Straße gestürzt worden. Wenig später trifft es den Bauherrn des umstrittenen Münsteraner Großprojekts „Waikiki-Oase“, seines Zeichens Bordellbesitzer. In der schwarzen Perle Westfalens soll ein als Wellness- und Erlebnisbad getarnter „Groß-Puff“ entstehen. Schmiergelder sind geflossen – und nun schwingt sich ein Mann, der sich zum aufrechten Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit stilisiert, auf zum Serienmörder. Als Comic-Superheld verkleidet, mit Säure-Spritzpistole, einem Markierungshammer mit Schlagzahl und markigen Worten („ich bin der Hammer, der auf das Geschmeiß niedergeht…“) wird er nachts zum Hammermörder. Thiel & Co verstehen langsamer als der Hammer zuschlägt. Und nachdem der vermeintliche Schwarze Ritter dem Kommissar eines Nachts leibhaftig erscheint, kennt dieser zwar jetzt den Mörder, doch er kennt weder sein Gesicht, seinen Namen, noch sein Motiv. Ist es ein simpler Rachefeldzug? Ist dieser Mann krank? Ist er ein Idiot in Strumpfhosen? Oder ist er wahnsinnig geworden wegen einer narzisstischen Kränkung?

Tatort – Der HammerFoto: WDR / Martin Menke
Und dann hau ich mit dem Hämmerchen aufs… Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) ermittelt die Tatwaffe. Penibel wie gewohnt.

Ein kostümierter Superheld als Serienkiller – eine irrwitzige Erfindung, das passt zum skurrilen „Tatort“-Team aus Münster. Und Milan Peschels selbsternannter Scharfrichter hinter einer albernen Maske, hinter der sich die ganze Verzweiflung einer gescheiterten Existenz versteckt, das passt vielleicht nicht ganz so gut zu der Tonlage, die der Zuschauer von Axel Prahl, Jan Josef Liefers & Co gewohnt ist, aber es passt zu Lars Kraume, der diesen Münster-„Tatort“, seinen zweiten als Regisseur und seinen ersten als Autor, maßgeblich zu verantworten hat. Der Mann, der vor allem das kurzzeitige Dreamteam Kunzendorf/Król zu Hochform führte, belässt trotz der Comic-Held-Anleihen den Krimifall überraschend ernsthaft, legt viel Drama und Empathie in die Geschichte des verlorenen kleinen Mannes und verzichtet gleichzeitig nicht auf komische Einlagen. Das Gefrotzel zwischen Thiel und Boerne, Boerne und Alberich hält sich in Grenzen. Komisch wird es vor allem dann, wenn Thiel senior seine Hippie-Erfahrungen noch einmal ausleben darf, wilder Ekstase frönt oder geschwind – weil der Sohnemann naht – einen brennenden Joint verschluckt. Oder wenn Thiel während eines Einsatzes mit Kollegin Nadeshda mal eben mit dem Gürtel der Hose am Türgriff fest hängt. Richtig gebeutelt wird der Herr Hauptkommissar später auch noch: zuerst gerät er in die Gewalt des Serienmörders, danach wird er suspendiert. Auch mit einer kleinen popkulturellen Reminiszenz wartet der 25. „Tatort“ aus Münster auf: Nach Roland Kaiser in „Summ, summ, summ“ (2013) kommt abermals ein Sangeskünstler, der seine größten Erfolge lange hinter sich hat, zu einem schrägen Gastauftritt: Frank Zander mimt den Zuhälter von imposanter Gestalt (nicht nur was die Körpermaße angeht), welcher als Zweiter gemeuchelt wird.

Tatort – Der HammerFoto: WDR / Hendrik Heiden
Lustvolle Regression: Gebannt vom „Hunter“-Comic. Bald tritt die Fantasiegestalt in Kommissar Thiels Thiels Leben. Axel Prahl

An Einfällen und dramaturgischen Besonderheiten mangelt es diesem WDR-„Tatort“ nicht. Die Stimmungslagen sind vielfältig, der Film enthält viele attraktive Einzelszenen, viele Nacht-Aufnahmen, originelle Situationen (Thiel im kurz behosten Tennisdress, Thiel ans Bett gekettet, ein aberwitziger Einsatz eines Lügendetektors), vier telegene Leichen, einen für Münsteraner Verhältnisse äußerst dramatischen Showdown und sogar mit ein bisschen (Klamauk-)Action kann Lars Kraume dienen. Dafür wird mit gebremstem Schaum gewitzelt. Offenbar dem Täter, der zugleich Opfer ist, zuliebe – obwohl dieser schon so sehr abgedreht ist, jenseits von Gut und Böse taumelnd, dass man bei ihm kaum noch unterscheiden kann zwischen Ernst und Hysterie. Der vordergründige Witz wird in „Der Hammer“ zugunsten einer eher ästhetischen Ironisierung zurückgefahren. Kraumes Einfallsreichtum kann nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass der Film nicht so richtig rund läuft. Ob das dramaturgische Gründe hat oder damit zusammenhängt, dass der Film nicht in der Endfassung vorlag, das kann erst die Sendefassung beantworten. (Text-Stand: 23.3.2014)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

WDR

Mit Axel Prahl, Jan Josef Liefers, Friederike Kempter, Milan Peschel, Stephan Schwartz, ChrisTine Urspruch, Mechthild Großmann, Claus D. Clausnitzer, Frank Zander, Rolf Peter Kahl, Daniel Krauss und Anna Böttcher

Kamera: Jens Harant

Szenenbild: Naomi Schenck

Schnitt: Barbara Gies

Produktionsfirma: Colonia Media

Drehbuch: Lars Kraume

Regie: Lars Kraume

Quote: 12,78 Mio. Zuschauer (35% MA)

EA: 13.04.2014 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach