Tatort – Blindflug

Uwe Ochsenknecht, Karl-Heinz von Hassel, Hitchcock, Schulterpolster & Föhnfrisur

Foto: HR
Foto Tilmann P. Gangloff

Selbst der dynamische Uwe Ochsenknecht schafft es nicht, „Blindflug“, diesen teilweise sehr gemächlichen „Tatort“ aus dem Jahr 1987, zu retten. Dabei ist die Hitchcock-Geschichte durchaus interessant: Ein Mann gerät in den Verdacht, erst den Liebhaber seiner Ex-Freundin und dann auch die Frau ermordet zu haben. Angesichts der scheinbaren Unfähigkeit der Polizei bleibt ihm nichts anderes übrig, als den wahren Mörder selbst zu finden.

Eigentlich wäre dieser „Tatort“ kaum der Rede wert, aber der Star des Films sorgt dafür, dass man trotzdem dranbleibt. Hauptfigur von „Blindflug“ ist allerdings mitnichten der ohnehin etwas langweilige Frankfurter Hauptkommissar Brinkmann (Karl-Heinz von Hassel), sondern ein Flugbegleiter, der wie ein klassischer Hitchcock-Held unverschuldet in ein Verbrechen verwickelt wird. Uwe Ochsenknecht, zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung (29. März 1987) dank „Das Boot“ (1981) und vor allem dank „Männer“ (1985) bereits recht populär, trägt diesen Film ganz allein. Selbst er kann jedoch nicht verhindern, dass sich die Geschichte mitunter kräftig zieht: Nach der Ermordung eines Piloten spricht alles dafür, dass Chefsteward Marbach der Täter war, denn das Opfer, ein notorischer Schürzenjäger, hatte ihm Freundin Anita (Susanne Uhlen) ausgespannt. Als kurz drauf auch Anita stirbt, scheint der Fall erst recht klar zu sein. Tatsächlich aber ist Marbach bloß ein Sündenbock: Jemand will ihm die Taten auf raffinierte Weise in die Schuhe schieben. Angesichts der scheinbaren Unfähigkeit der Polizei bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Mörder selbst zu finden.

Anfangs sorgen Schulterpolster und Föhnfrisuren noch dafür, dass es genug Augenfutter gibt, aber irgendwann beginnt die Sache, trotz einiger kühner Handlungssprünge zäh zu werden (Sylvia Hoffman war zur damaligen Zeit die wichtigste Krimiregisseurin des HR); daran ändert dann auch Ochsenknecht nichts mehr. Es mag ein Qualitätsmerkmal sein, wenn die Dynamik nicht durch die Bildgestaltung (Werner Hoffmann) entsteht, sondern durch die Aktionen vor der Kamera, und spätestens Marbachs Flucht nach München ist in der Tat dynamisch, zumal Ochsenknecht viel rennen und klettern muss. Auch die Szenen mitten im Flughafenbetrieb waren logistisch sicher nicht einfach. Davon abgesehen aber ist die vorgestrige Inszenierung von einer fast aufreizenden Gelassenheit, und der selbstgefällige Epilog sieht aus, als habe Hoffman nachträglich das Vertrauen in die Exekutive wiederherstellen wollen – oder müssen. Bemerkenswert ist dagegen die stilistische Vielfalt der Musik. Ralf Zang setzt zwar einige unnötige Ausrufezeichen im Stil der Edgar-Wallace-Filme, aber davon abgesehen mutet der Soundtrack mit seiner Mischung aus Rock, Jazz und Electro-Sounds ungleich moderner an als die Kameraarbeit. Bei den alten „Tatort“-Filmen ist übrigens auch Klaus Doldingers fulminante Abspannmusik noch in voller Länge zu hören.

Die Besetzung und die Führung der Schauspieler hingegen ist nur bedingt geglückt. Einige Nebendarsteller wirken weitgehend talentfrei, und Ochsenknecht (sein 80er-likes Overacting) erinnert aus heutiger Sicht nicht nur äußerlich mitunter frappierend an seinen Sohn Wilson Gonzalez. Susanne Uhlen kann immerhin zugute gehalten werden, dass die maskenhafte Starre ihres Gesichts die Katatonie der Figur wiederspiegelt. Da Dieter Schidor mitwirkt, ahnt man zudem früh, wer die Morde begangen hat; die Frage ist bloß, in wessen Auftrag. Der ein halbes Jahr nach der TV-Premiere des Films verstorbene Schauspieler musste regelmäßig labile Typen spielen und macht sich hier von Anfang durch ein zwanghaftes Husten verdächtig. In einer seiner ersten Rollen im Westfernsehen ist außerdem der kurz zuvor aus der DDR ausgereiste Thomas Thieme als Taxifahrer zu sehen.

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Reihe

HR

Mit Uwe Ochsenknecht, Karl-Heinz von Hassel, Klaus Adler, Susanne Uhlen, Dieter Schidor, Christian Mey, Rüdiger Bahr, Astrid Jacob, Thomas Thieme

Kamera: Werner Hoffmann, Armin Alker

Szenenbild: Horst Klös

Musik: Ralf Zang

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Sylvia Hoffman

Regie: Sylvia Hoffman

EA: 29.03.1987 20:15 Uhr | ARD

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