Menschen jenseits des Spätzle-Äquators werden kaum wissen, was ein „Wingerter“ ist. Der auf der ersten Silbe betonte Begriff ist die mundartliche Bezeichnung für einen Weingärtner. Nun wäre es sicher maßlos übertrieben, die Weinbauern als aussterbende Gattung zu bezeichnen, doch natürlich muss das Gewerbe, wie jede Landwirtschaft, mit einer gewissen Hingabe betrieben werden. Allerdings vergeht geraume Zeit, bis Bienzle, dem der bevorstehende Ruhestand nur deshalb nicht anzumerken ist, weil Dietz-Werner Steck den Hauptkommissar schon immer wie einen reaktivierten Rentner verkörpert hat, die Bedeutung des Weinbaus erkennt. Das sei ihm verziehen, denn der erste Tote ist ein Mann aus der Industrie. Sein vermeintlicher Mörder ist rasch überführt: Es handelt sich um einen Zulieferer (Heinrich Schmieder), dessen Dienste fürderhin nicht mehr benötigt werden, weil „die Tschechen“ billiger sind. Da Drehbuchautor Felix Huby (Koautor: Dieter de Lazzer) jedoch ein Herz für die deutsche Wirtschaft hat, wird der Chef des Toten später einräumen, dass „die Tschechen“ bei der deutschen Wertarbeit leider nicht mithalten können.
„Der schwäbische Columbo lässt’s arg ruhig angehen, dafür entschädigen Darsteller, die mitten aus dem Leben gecastet scheinen.“ (TV-Spielfilm)
Wie es um den tschechischen Wein steht, bleibt offen, aber der schwäbische wird derart über den grünen Klee gelobt, dass man sich unwillkürlich an die Joghurt-Affäre aus „Bienzle und der Sizilianer“-Folge erinnert, die 2005 im Zusammenhang mit dem „Marienhof“-Skandal ruchbar wurde. Ein guter einheimischer Tropfen ist auch schon mal den einen oder anderen Mord wert, könnte man als Hubys insgeheime Botschaft vermuten. Aber das ist eine hundsgemeine Unterstellung, zumal es neben der Stuttgarter Polizei ohne Frage auch andere Berufsgruppen gibt, die am Nachmittag zu einem guten Roten nicht Nein sagen können.
Neben dem reichhaltigen Weinkonsum hat Bienzle übrigens einen weiteren Grund, noch abgelenkter als sonst zu wirken, schließlich hat sich Freundin Hannelore (Rita Russek) ein Baby angelacht. Der kleine Fratz kräht und weint sich nun durch die Geschichte, als gelte es, den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere zu legen. Regisseur Jochen Nitsch ließ ihn gewähren (genaugenommen „sie“, denn der Bursche wird von zwei Zwillingsmädchen verkörpert), und auch Steck macht – vermutlich altersweisheitsbedingt – gute Miene zum lautstarken Spiel. Bleibt noch die Frage nach dem Täter, die an dieser Stelle selbstredend nicht beantwortet wird. Nur soviel sei verraten: Der Zulieferer, der Motive hätte, dass es nur so kracht, war’s natürlich nicht; aber der Gärtner. (Text-Stand: 1.10.2006)