Weihnachten steht vor der Tür. Sperling schlurft durch die Gänge der neuen Räume seiner Abteilung. Der dicke Hauptkommissar wirkt einigermaßen deplaziert, verloren in seinem Nikolauskostüm, derweil die fesche Kollegin auf der Weihnachtsfeier tanzt und strippt. Sperling bleiben diese Lustbarkeiten erspart. Denn der Ermittleralltag hat ihn wieder. Ein 13jähriger Junge ist verschwunden. Die Rettung für den melancholischen Witwer. Der muss nun das Fest der Liebe nicht allein verbringen, sondern darf die Kollegen herum scheuchen und sich mit den nicht ganz üblichen Verdächtigen herum schlagen. „Sperling und die Katze in der Falle“ – alles ist ein wenig anders in diesem Krimi. Im Zentrum steht ein Psychoduell, das der Kommissar und der Hauptverdächtige in einem surreal anmutenden Ambiente austragen.
Foto: ZDF / Susan Reynolds Skelton
Sperling vermutet, dass der große Gönner der Familie des verschwundenen Jungen der Täter ist. Er provoziert ihn, setzt den Mann unter Druck. Denn er weiß: allein so kann der Junge vielleicht noch gerettet werden. Es muss schnell gehen. Doch der eloquente Unternehmer Marke „Geld spielt keine Rolle“ lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sperling spürt: dieser Mann, der offen davon erzählt, dass er mit Kids Baumhäuser baut und im gleichen Atemzug meint, „Kinder sind was für Leute, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen“, treibt ein übles Spiel mit ihm. Nachdem dieser Giessen nicht zu knacken ist, macht sich Sperling an seine Frau. Sie sehnt sich nach Liebe, doch ihr Mann behandelt sie wie ein Möbelstück.
Einsamkeit und leise Verzweiflung liegen in der Luft. „Es ist ein Film über Vorverurteilung, über enttäuschte Hoffnungen und nicht eingestandene Lebenslügen“, sagt ZDF-Redakteur Klaus Bassiner. Und dieser 16. Fall im 10. Jahr ist ein „Sperling“, der den beiden herausragenden Dominik-Graf-Filmen in Sachen Qualität nahekommt. Die Geschichte seziert messerscharf den Tod einer Ehe, dringt in die abgründigsten Abseiten der Liebe, ohne dabei zu moralisch zu werden. Die Grimme-Preisträger Günter Schütter und Friedemann Fromm zeigen, wie ein guter Krimi angelegt sein muss: als ein Spiel mit Möglichkeiten. Ermittlungsarbeit ist immer eine Frage der Wahrnehmung. Auch für den Zuschauer. Das kluge Drehbuch reflektiert stets die Bedingungen der kriminalistischen Arbeit mit. Trotzdem bleibt die Story klar, wirkt nie abgehoben und eine falsche Fährte endet nicht in einer überkonstruierten Handlung. Der Autor arbeitet mit rätselhaften Ausnahmesituationen, die weder Kommissar noch Zuschauer plausibel einzuordnen in der Lage sind. Bei aller Irritation baut sich ein faszinierendes Netzwerk an Bindungen und Beziehungen auf. „Sperling und die Katze in der Falle“ verabschiedet sich vom Whodunit-Prinzip und versucht, das menschliche Drama hinter dem Fall zu beleuchten. Nicht oft gelingt das mit solcher Eindringlichkeit.
Foto: ZDF / Susan Reynolds Skelton
„Sehr vergnüglich und tief“, sei die Zusammenarbeit gewesen, meint Dieter Pfaff, einer, der wirklich nur lobt, wenn Lob am Platze ist. Die Idee kam im übrigen von Pfaff selbst. Wer ihn kennt, weiß, dass er in einem solchen Fall das Ergebnis besonders kritisch beäugt. Das Drehbuch lobt er in höchsten Tönen: „Immer wieder bin ich auf neue Dinge gestoßen, die ich bei dreißigmal Lesen vorher nicht festgestellt hatte.“ Sein Gegenspieler im Film ist Sebastian Koch. Es sei einer, so Pfaff, „der sich in seine Figuren hineinwühlt und so auch seine Partner herausfordert“. Nicht weniger beeindruckend Nina Kunzendorf als seine Ehefrau. Sie hält die bewegendsten Dialoge parat: „Auch mein Mann ist nicht glücklich, deshalb können wir ja den gleichen Käfig behausen. Und man wartet auf ein Wunder.“ (Text-Stand: 26.11.2005)