Weil Besitzer Hakan in der Türkei das vom Erdbeben zerstörte Haus seiner Mutter neu aufbauen muss, überlässt er den „Späti“ einem seiner Stammkunden. Nach unwirscher Einweisung durch Hakans kluge, aber weil minderjährig noch nicht geschäftsfähige Tochter Aylin (Gülseren Erkut) übernimmt der gutherzig-tumbe Fred (Wilson Gonzalez Ochsenknecht) den Tresen. Der Übergang der Verantwortlichkeiten geschieht in den ersten 10 Minuten der Auftaktfolge und wirkt ähnlich undramatisch wie das Wechseln von Kleingeld. Gleichbleibende Stimmlage, keine großen Regungen der Gemüter. Das schon mal als Vorgeschmack auf die cool-lethargische Grundstimmung von „Späti“. Es wird so bleiben. Minimalistische Dialoge, dazu Pausen und ratlose Blicke ins Nichts. Ein wenig wie bei den Faultieren von „Zoomania“ – nur ohne Hase. Vorab der rauchige Singsang von Hilde Knef, mittendrin ein wenig Percussion, zum Ende jeder Episode eine verblasste Pop-Perle oder ein paar Takte Protestsong der Scherben. Det is Berlin.
Foto: ZDF / Norman Keutgen
Mit dem Schauplatz „Späti“ als Mikrokosmos werden Erinnerungen an Dittsches Imbiss wach. Das ist nur für älteres Publikum ein Problem. Zehn Minuten habe er mal von Dittsche gesehen, so Gonzalez in einem Interview zu „Späti“, er hatte eher das Kammerspielartige an sich vor Augen. Kammerspiel auf 44 qm Ladenlokal und der Biergarnitur davor. Drinnen hat sich die Ausstattung ausgetobt. Ein Teppich vorm Tresen macht es heimelig, die bunt gefüllten Regale drumherum bieten alles, was der Großstädter zum Überleben braucht. Draußen hält das Stammgast-Trio die Stellung, der Blick an die Fassade stellt klar, wo man im Leben sitzt. Vor Hakan’s Spätkauf inklusive falschem Apostroph-s. Neben Laden und Hinterzimmer erlaubt Episode drei auch Einblicke in die Wohnung obendrüber. Hier ist lang nichts mehr geschehen. Kahle Wände, alte Möbel, alles kurz vor prekär. Hier wohnt „Grumpy Elster“, in dem Späti-Fred einen einsamen Mann erkennt, dessen Vater das Ladenlokal noch als Feinkostladen führte. Angesichts einer drohenden Untersuchung des Berliner Gesundheitsamts gehen Elster und Fred ein überraschendes Bündnis gegen die Gentrifizierung des Viertels ein.
Foto: ZDF / Norman Keutgen
Obwohl – überraschend passiert hier außer den kurz eingeflochtenen Promi-Besuchen eigentlich nichts. Es ist die alte Geschichte der solidarisch-eingeschworenen Gemeinschaft gegen den Rest der (Berliner) Welt. In die fügt sich ein, wer das Leben kennt und schon so einiges ausgestanden hat. Drei Prototypen dieser Spezies sitzen vor der Tür: Urkundenfälscher Rashid (Falio Seck), die gewitzte Marianne (Eva Weißenborn) und der skeptische Helmut (Torsten Michaelis) bringen im Kampf gegen Hausbesitzerin Gröner (Isabell Polak), die aus dem „Späti“ eine Galerie machen will, ihre Talente ins Spiel. In festgelegter Sitzordnung vor dem Späti aufgereiht sind alle in trauter Hassliebe miteinander verbunden. Die Sprüche sind so alt wie ihre Aufsager.
Etwas Dynamik und mehr Witz bringen die jungen Akteure ins Spiel. Wilson Gonzalez darf sich als Fred ein wenig wandeln (vom Chaoten zum Halbarm-Hemd tragenden Spießer und zurück), komplex und gut gespielt ist der Dreh in der Beziehung von Aylin zu Gröners Tochter Luna (Maja Bons, „Die Akademie“), die die neu gefundene Freundschaft nutzt, um sich aus dem Herrschaftsgebiet ihrer Mutter zu befreien. Gemeinsam wirkt das Frauen-Duo auf jeden Fall strukturierter als Fred und dessen ständig angetrunkener Musikerfreund Konnopke (Alexander Finkenwirth), der dank seiner Ungeschicklichkeit schon in der Auftaktfolge wenig witzig die Regale abräumt. Weil visuell nicht allzu spannend, kann man in den „Späti“ reinschauen, wie U-20-Jährige sowieso „fernsehen“. Mit dem Blick auf dem Smartphone und nur ab und zu hochschauen, wenn ein Promi vorbeikommt. Im „Späti“ sind das unter anderen Sophie Passmann, Bill Kaulitz, Marc Hosemann, Alli Neumann, Ski Aggu und Jasna Fritzi Bauer.