Ein Mann verrät unter Androhung finsterer Gewalt einen Namen, und man ahnt: Hier ist gerade eine geheime Identität geplatzt. Der Held des TV-Thrillers von Thorsten Näter führt seit geraumer Zeit ein beschauliches Familienleben. Das gerät von einem Tag auf den anderen aus den Fugen. Eine frühere Kollegin des einstigen BKA-Zielfahnders läuft ihm mit Bauchschuss vors Auto und setzt ihn mit dem buchstäblich letzten Atemzug noch rasch davon in Kenntnis, dass seine Tarnung aufgeflogen ist: Guzman, der kolumbianische Drogenhändler, den das Duo einst auf illegale Weise hinter Schloss und Riegel gebracht hat, ist wieder auf freiem Fuß und hat geschworen, Gernot Lohmann umzubringen; und seine Familie gleich mit. Die fällt aus allen Wolken, als sie ihren Vater, den braven Fahrlehrer, plötzlich so selbstverständlich mit einer Pumpgum-Gun hantieren sieht, als habe er sein Lebtag nichts anderes getan; und in gewisser Hinsicht stimmt das ja auch. Erst recht perplex und verstimmt ist Gattin Ina, für die sich die 16 Ehejahre auf einen Schlag in Luft auflösen.
Selbst wenn man die TV-Thriller „Der Mörder kehrt zurück“ und „Der Kronzeuge“ oder den Action-Kracher „True Lies“ mit Arnold Schwarzenegger nicht kennt: ein vorhersehbares Muster. Näter entledigt sich dieses Einwands jedoch auf ebenso elegante wie intelligente Weise: indem er die Vorgeschichte erst nach und nach preisgibt. Man ist daher zunächst ähnlich überrascht wie Lohmanns Familie, zumal man Jochen Horst den Fahrlehrer widerspruchslos abnimmt. Sieht man mal vom düsteren Prolog ab, beginnt „Späte Rache – Eine Familie wehrt sich“ ohnehin wie ein Familienfilm: Sohn Björn will ein Moped, Tochter Nicole abends mit ihrem Freund in die Disco, die Nachbarn laden zum gemeinsamen Grillabend. Eine formidable Musikauswahl verhindert allerdings, dass man es sich in der Geschichte gemütlich macht; und zwei Finten sorgen dafür, dass man auf alles gefasst bleibt.
Dann aber wird’s ernst. Es dauert zwar eine Weile, bis auch das letzte Familienmitglied die existenzielle Bedrohung akzeptiert, aber nun ist allen klar: Aus dieser Sache kommen sie nur gemeinsam raus. Geschickt treibt Näter die Spannung immer wieder auf die Spitze, weil ausgerechnet Tochter Nicole den schurkischen Dealer (Diego Wallraff) mehrfach auf die Spur der Flüchtigen bringt: Sie ahnt nicht, dass der schmucke junge Latino, der ihr mit Haut und Haar verfallen scheint, niemand anders als Guzmans Neffe ist. Und so kommt es zum packenden Finale, bei dem Gattin Ina offenbaren muss, dass auch sie ganz anders kann.
