„Alles gut“, „alles klar“, „ganz toll“, „perfekt“. Glaubt man den Worten, dann müsste es diesen drei WG-Freunden großartig gehen. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Marvin (Damian Hardung) will es allen recht machen, besonders seiner Freundin, doch das geht immer häufiger schief; jetzt versagt sogar sein Körper – vor allem im Bett. Hassan (Samir Salim) weiß einfach (noch) nicht, wie das geht, mit dem Flirten, dem Daten, und er ist tief verunsichert, weil er sich zu unattraktiv findet. Solche Probleme kennt Joshi (Oskar Redfern) nicht, der Womanizer, der sich selbst als „Fuckboy“ bezeichnet, lebt zwar alle Süchte aus, doch was bleibt, ist Leere und eine große Sehnsucht. Alle drei verstecken sich hinter einer coolen Fassade. Reden ist offenbar nur was für Frauen. Dass man mit Ehrlichkeit und einer „süßen“ Unbedarftheit punkten kann, diese Erfahrung macht Hassan Hoffnung; doch die Unsicherheit gegenüber der so offenen, selbstbewusst wirkenden Punksängerin Lotte (Carmen Redeker) bleibt. Für Marvin ist dank Viagra die Zeit der Scham erst einmal vorbei. Eine Lösung aber ist das nicht; der Körper lässt sich nicht belügen … und seine Freundin Linda (Aysha Joy Samuel) weiß von nichts. Und Joshi? Der lässt sich sein armseliges Dasein von seiner narzisstisch gestörten Mutter Ophelia (Regine Zimmermann) schönreden. Er sei ein erotischer „Freigeist“, der keine Frau brauche – außer sie.
Foto: RTL / Christoph Assmann
Den drei Männern in der fünfteiligen Serie „Softies“ fällt dann aber das Versteckspiel immer schwerer. Bei der Party zu Marvins 27. Geburtstag in Folge vier kommt es schließlich zum Eklat. Alkohol und Drogen spülen das Verdrängte, alle Lügen und Heimlichkeiten, an die Oberfläche. Marvin, Hassan und Joshi bleibt Folge fünf, also zwanzig Serien-Minuten, um richtige Freunde zu werden, um mehr zu sein als Mitbewohner in einer Zweck-WG. Miteinander reden, die eigenen Schwächen zugeben, dem anderen zuhören, ihm ehrlich und mitfühlend begegnen, aber auch Zeit miteinander genießen, mal nicht mit einem Joint, sondern einem Wellnessnachmittag … so könnte das gehen, in Zukunft. Ein Anfang ist gemacht. Das gilt auch für die Serie von Jonathan Westphal und Yves Guillaume, die im Rahmen des Nachwuchsförderprogramms „Storytellers“ für RTL+ entstanden ist. Endlich einmal eine Comedy, bei der es um etwas geht und die entsprechend ohne (auf)gesetzte Pointen auskommt. Schmunzeln lässt sich allenfalls über das Verhalten der ewigen Jungs, über Situationen, die peinlich zu werden drohen, allen voran Hassans ungelenke Annäherungsversuche. Daraus resultiert ein peinlich berührtes Mitgefühl, auf Kosten von Figuren wird sich hier allerdings nicht belustigt. Also spricht man wohl besser von einer Dramedy: eine, die eine Menge wunder Punkte der twentysomethings anspricht und die besagte Lösungen aufzeigt, ohne uncool zu wirken. Damit ist die Serie ausgesprochen anschlussfähig, vor allem für junge Männer, die noch auf der Suche sind nach ihrem Männerbild.
Foto: RTL / Christoph Assmann
Drei Hauptfiguren, drei Geschichten, drei Probleme, drei ausreichend große Schnittmengen. Drei ist dramaturgisch eine gute Zahl. Plot und Probleme bleiben überschaubar, und die Nähe zu den Protagonisten ist größer als bei einer Beziehungsserie mit großem Ensemble. Die Handlung ist eine fokussierte, flott inszenierte Abfolge von Alltagsmomenten. Lockere bis zwanghaft chillige Cliquensituationen wechseln mit intimen Szenen zu zweit, im Bett, im Café, am See. Ungekünstelt, wie selbstverständlich, springt die Erzählung zwischen dem schweigsamen, leistungsorientierten Marvin, dem tief verunsicherten, aber liebenswerten Hassan und dem charmanten Sex-fixierten Joshi hin und her. Alle drei tragen – jedenfalls für den Zuschauer – ihre Probleme vor sich her und doch hat man nie den Eindruck, dass hier Männerbilder zwanghaft abgearbeitet würden. Dafür ist der Tonfall, die Machart, dafür sind die Dialoge einfach zu realistisch. Und dafür treffen Damian Hardung, Samir Salim und Oskar Redfern zu sehr den Nerv ihrer Charaktere, diesen weichen Kern unter der glatten, harten Schale. Ein Blick in deren Gesichter sagt ohnehin schon eine ganze Menge. Auch gibt es diese urkomischen Momente, beispielsweise, wenn sich die drei über ihre medialen Role-Models auslassen und sich dabei der mal wieder zugedröhnte Joshi beäumelt über den Namen „Jan Josef Liefers“ oder wenn er Süßholz raspelt bei der gerade noch geghosteten Paula, die er nur ins Bett kriegen will. Auch die ödipale Beziehung zu seiner sehr speziellen Mutter ist immer wieder Quell der Erheiterung.
Interessant ist es, dass die Verantwortlichen die Serie „Softies“ nennen. Dieser Begriff, der ab den 1970er Jahren in Opposition zum Macho stand und der gern abschätzig verwendet wurde, steht nun selbstbewusst in der Serie für ein positives Ideal von Männlichkeit. Während man früher nur scharfe Gegensätze kannte, hat sich über die Jahrzehnte ein offeneres Männerbild entwickelt – und so können sich die verletzten Jungmänner in der Serie nach diversen Katastrophen und den finalen Heilungsprozessen aus Überzeugung softer geben – und sich endlich zu ihren Gefühlen bekennen. Und der umgewertete Begriff „Softie“ erlebt (s)eine Ehrenrettung.
Foto: RTL / Christoph Assmann