Sieben Tage

Claudia Michelsen: Vorzeigefamilie mit Vorzeigehaus kehrt die Scherben zusammen.

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Der Fernsehfilm „Sieben Tage“ erzählt nur vordergründig von einer Vermissung. Es geht vielmehr darum, wie sich Menschen durch den Alltag entlieben können. „Wir haben uns so viel Mühe gegeben und schaffen es doch nicht, glücklich zu sein“, sagt eine der Hauptfiguren. Wunderbar ist das Spiel von Claudia Michelsen – sprachlos, beiläufig, nach innen.

Statt Hausaufgaben bei der Freundin – Knutschen mit einem unbekannten Jungen. Mutter Marlies ist mal wieder in Rage. Immer öfters gerät sie mit ihrer Tochter aneinander. Trotzdem darf Lilly zu ihrem 15. Geburtstag mit ihrer Freundin in der Laube übernachten. Am nächsten Morgen sind die Mädchen weg. Zurück bleiben Chaos, Blut- und Sperma-Flecken. Sind die Mädchen ausgebüxt? Oder sind sie Opfer eines Verbrechens geworden? Die Polizei wird eingeschaltet. Die Mutter vermisst 200 Euro: das gibt ihr Hoffnung. Doch bald beginnen die Verdächtigungen. Man erinnert sich an die alten Geschichten um den Dorfdepp, der am liebsten Damenunterwäsche trägt. Und es scheint sogar Beweise dafür zu geben, dass Lillys Vater ein Verhältnis mit der Freundin seiner Tochter gehabt haben soll.

„Was ist bloß los mit uns? Vor ein paar Tagen war doch noch alles in Ordnung“, fragt die Mutter in leiser Verzweiflung, nachdem sie dem Kommissar die Schmutzwäsche ihres Mannes mitgegeben hat. Die Vorzeigefamilie mit dem Vorstadt-Vorzeigehaus kehrt die Scherben zusammen. Sogar der Kommissar, dessen Ehe gerade gescheitert ist, gibt Erziehungsratschläge und zeigt ein Herz für Lillys seelisch vereiste Mutter. Allein seine ermittelnde Kollegin ist schwanger – und sie will es besser machen als diese wohl situierten Familien, die ein Fassadendasein führen und die, anstatt sich zu trennen, Kinder kriegen und Häuser bauen. „Wir haben uns so viel Mühe gegeben und schaffen es doch nicht, glücklich zu sein“, sinniert am Ende Lillys Vater.

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Die Vorzeigefamilie mit dem Vorstadt-Vorzeigehaus kehrt die Scherben zusammen. Uwe Bohm, Claudia Michelsen und Samuel Finzi in „Sieben Tage“

Der Fernsehfilm „Sieben Tage“ erzählt nur vordergründig von einer Vermissung. Es geht vielmehr darum, wie sich Menschen durch den Alltag entlieben können. Die Erwachsenen glauben schneller an ein Verbrechen, als dass sie auf die Idee kämen, die eigene Beziehung zu durchleuchten. Es ist offensichtlich, was hier im Argen liegt, fast ein wenig zu offensichtlich. Da müssen die Konventionen des Entführungskrimis herhalten, um das gut gemeinte TV-Drama über die Runden zu schaukeln.

Vergisst man den dramaturgischen Zauber, in den diese Szenen einer Ehe verpackt sind, und taucht vielmehr in die Beziehungssituationen ein, dann lässt sich Wunderbares entdecken in dem Film von Petra K. Wagner. Claudia Michelsen gibt einer von Lebenslügen lethargisch gewordenen Frau ein Gesicht, das man glaubt. Sie spielt ihre an sich selbst zweifelnde Mutter, die sich längst als selbstständiger Mensch verloren hat, nach innen, beiläufig, ohne große Emotionen. Samuel Finzi bietet den ebenso sprachlosen männlichen Gegenpart dazu. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegen sie sich durch den herbstlich anmutenden Film und lassen Vorfreude aufkommen: denn ab 13. November sind die beiden in der Psychologen-Krimi-Serie „Flemming“ als ermittelndes Ex-Paar im ZDF zu sehen.

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Fernsehfilm

HR

Mit Claudia Michelsen, Samuel Finzi, Uwe Bohm, Charly Hübner, Isabel Bongard

Kamera: Armin Alker

Schnitt: Carmen Vieten

Musik: Sebastian Kirchner

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Edda Leesch

Regie: Petra K. Wagner

Quote: 5,29 Mio. Zuschauer (16,6% MA)

EA: 04.11.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach