Schurkenstück

Schüttler, Korittke, Dinda & Torsten C. Fischer: Theaterspielen im Jugendknast

Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Foto Rainer Tittelbach

Eine junge Regisseurin will mit den Inhaftierten einer Jugendstrafanstalt ein Theaterstück aufführen: Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ zum Kiez-Drama umgerüstet. .„Die intakte Erfolgsbiografie einer Theaterregisseurin trifft auf die verwüsteten Lebensläufe von sechs jungen Inhaftierten: Hochkultur trifft Straße, Organisation trifft Chaos“, so Autor Volker A. Zahn. Stark besetzt, eindrucksvoll inszeniert. Kammerspiel & Ensemblefilm.

Eine junge, engagierte Theaterregisseurin will mit den Inhaftierten einer Jugendstrafanstalt ein Theaterstück aufführen: Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ wird zum Kiez-Drama umgerüstet. Für die Verantwortlichen ein Kultur-Event unter Resozialisierungsaspekt, für die Beteiligten eine Chance, im Gefängnis neue Perspektiven zu „lernen“ und ungeahnte Fähigkeiten bei sich zu entdecken. Doch der Alltag im Knast hat wenig mit der Realität der Theaterfrau zu tun. Mit Vertrauensübungen überfordert sie die Gruppe und – selbst noch als sie die fünf für sich und das Projekt gewonnen zu haben scheint – unterschätzt sie die brutalen Rituale, die Statuskämpfe und Erniedrigungen, die unter den Häftlingen herrschen.

„Die intakte Erfolgsbiografie einer Theaterregisseurin trifft auf die verwüsteten Lebensläufe von sechs jungen Inhaftierten: Hochkultur trifft Straße, Organisation trifft Chaos“, so bringt Autor Volker A. Zahn das dramatische Potenzial von „Schurkenstück“ auf den Punkt. Der Clash der Kulturen und der Weltsichten, die unterschiedliche soziale Herkunft und das Fehlen einer emotionalen Heimat sind die thematischen „Brennpunkte“ dieser WDR-Produktion. Doch manchmal genügt es als Zuschauer, nur die Lebenswirklichkeit der Häftlinge wahrzunehmen und sie auf sich wirken zu lassen, diese paar Quadratmeter Leben, in denen man sich kaum um die eigene Achse drehen kann – und man be-greift mit den Augen, was hier vor sich geht: die Jugendlichen sind doppelt gefangen – in ihren Zellen und in ihren Lebensverhältnissen.

SchurkenstückFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Gefängnisinsassen als Schauspieler: Stefan (Janusz Kocaj), Erdal (Arnel Taci), Faruk (Michael Keseroglu), Patrick (Sebastian Urzendowsky) und Timo (Franz Dinda) auf der Bühne. Das Theaterprojekt findet in einem ehemaligen Schwimmbad statt.

Aber „Schurkenstück“ spiegelt nicht nur Wirklichkeit, sondern ist auch und vor allem ein Film, der mit den Mitteln des Kammerspiels und Ensemblestücks eine eindrucksvolle Intensität erreicht. Ein Blick in die Gesichter, die klare Choreographie des Raums, das Spiel mit Licht und Schatten auf der Seele – so können gespielte Theaterproben hoch spannend werden. Das „Auflösungssystem“ von Regisseur Torsten C. Fischer passt. Dramaturgisches Herzstück aber ist das intelligente Einweben der privaten Geschichten in die Theaterprobe. Das Grimme-Preis-gekrönte Autoren-Ehepaar Zahn arbeitet vor allem mit Projektionen zwischen Knast-Alltag und Stück-Inhalt, zwischen den realen Vergehen der jugendlichen Straftäter und der moralischen Schuld der gespielten Rollen. „Wir wollten den Inhaftierten jenseits medialer Verteufelungen ein menschliches Gesicht geben“, so Volker A. Zahn.

Vorzüglich ist auch die Besetzung. Sie ist ein stimmiger Mix aus „alten Hasen“ wie Katharina Schüttler, Oliver Korittke, Franz Dinda und Sebastian Urzendowsky und „Frischlingen“ mit einer starken Präsenz. Vor allem Vladimir Burlakov, der sein Debüt in Dominik Grafs „Im Angesicht des Todes“ gab, ist ein Gesicht, das man sich merken muss. Er spielt den russischen Feingeist, der aus der Welt des Verbrechens in die Welt des Theaters flüchten möchte. Er ist das Bindeglied zwischen Kunst und Verbrechen, er ist der Hoffnungsträger der Geschichte. Schüttler: „Er strahlt eine Sensibilität, gleichzeitig eine Gefährlichkeit und Gewalt aus, die der Regisseurin fremd ist. Sie ist berührt von seinem schauspielerischen Talent, der Wahrheit und Tiefe seines Spiels – und sie glaubt, ihn retten zu können.“ (Contra-Kritik).

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Fernsehfilm

WDR

Mit Katharina Schüttler, Oliver Korittke, Franz Dinda, Vladimir Burlakov, Sebastian Urzendowsky, Arnel Taci, Janusz Kocaj, Lars Eidinger

Kamera: Benedict Neuenfels

Szenenbild: Götz Harmel

Schnitt: Benjamin Hembus

Produktionsfirma: greenskyfilms

Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn

Regie: Torsten C. Fischer

Quote: 1,9 Mio. Zuschauer (6,4% MA)

EA: 18.08.2010 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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