Henriette kann’s nicht lassen. Die verwitwete, frisch pensionierte Kunstrestauratorin, eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, hat eine Leidenschaft, die noch größer ist als die Liebe zu alten Meistern: Sie mischt sich gern in Mordfälle ein, die sie nichts angehen. Da wirken die 40 Jahre Ehe mit einem Wiener Kriminalkommissar noch nach. Zum Leidwesen von Ferdinand, ihrem neuen Schatz, dem sie ins verschnarchte Krems gefolgt ist – Liebesbeweis und therapeutische Maßnahme zugleich. Doch aus dem Entzug wird nichts. Keine zwei Tage in dem Städtchen und schon stolpert die Dame von Welt über eine Leiche. Ein aufstrebender Nachwuchsmaler ist ermordet worden. Ein attraktiver Jüngling, dem die Frauen verfallen. Mord aus Eifersucht? Ein beliebtes Motiv in der Provinz. Aber Henriette mag’s nicht glauben!
Mord ist ihr Hobby. Als Kriminalkomödien-Motor ist dieses Krimi-Motiv so alt wie Miss Marple, wenn nicht älter. Christiane Hörbigers Henriette wirkt allerdings jünger und weltoffener als Agatha Christies berühmte Schöpfung und ihre zahlreichen Nachfahren. Sie setzt weder auf Schrullen und Komödienstadel wie einst Ruth Drexels „Agathe“ noch auf bräsiges „Kriminalisieren“ wie Ottfried Fischers „Pfarrer Braun“ oder auf gewollt generationsübergreifende Krimi-Konfektion wie „Mord in bester Gesellschaft“ mit der Wepper-Family. In „Schon wieder Henriette“ begegnet dem Zuschauer eine beharrliche Grande Dame, die mit eleganter Nonchalance, einem Hauch kleinkrimineller Energie und einem selbstgewissen Lächeln (das den Wiener auszeichnet und im niederösterreichischen Hinterland auf wenig Gegenliebe stößt) den „Dorfgendarmen“, wie sie den Chefinspektor hochnäsig tituliert, zur Weißglut treibt. Die Muster sind altbekannt, doch das Setting ist stimmig, die Ausführung formvollendet, der Film recht kurzweilig. Die Autoren Jens Urban und Katarina Bali treiben die Verdächtigen nicht wie eine Viehherde durch das beschauliche Örtchen: Das Personal ist überschaubar; Gleiches gilt für die Schauplätze, die Zeichnung der Charaktere sowie die wiederkehrenden Momente von Ironie und leiser Situationskomik.
Diese „Ordnung“ kann sich der Film leisten, weil der amouröse B-Plot und die Accessoires nicht weniger wichtig (und gelungen) als die Krimihandlung sind: die augenzwinkernde „reife“ Zweit-Beziehung; Erwin Steinhauer als romantischer, die Pauke schlagender Teddybär-Sidekick; der Augen rollende Chefinspektor (Harald Schrott) mit seiner liebesdurstigen Pathologin (Elena Uhlig), die gleich vis-à-vis von Henriette wohnt; Henriettes jugendlicher Adlatus, der mit seinem Fahrstil stille Rache übt an dieser Frau, die ihm den Restauratorjob weggeschnappt hat, Schlessinger (Thomas Mraz), der unterwürfige Beamte, das Würschtl made in Austria… Sicher, die Hörbiger als Hobby-Ermittlerin ist ein Selbstläufer beim Zuschauer. Umso erfreulicher, dass sich die Monafilm Mühe gegeben hat – und „Schon wieder Henriette“ mehr als ein Hörbiger-Vehikel geworden ist. Das zeigt sich nicht zuletzt auch bei der Wahl des Regisseurs: Nikolaus Leytner. Der hat viele ausgezeichnete TV-Dramen inszeniert; einige davon auch selbst geschrieben. Für „Ein halbes Leben“ bekam Leytner die wichtigsten Fernsehpreise, für „Die Auslöschung“ freilich könnte noch was kommen – und mit „Willkommen in Wien“ hat er eine der besten Krimikomödien der letzten Jahre inszeniert.