„Mama, wo ist’n die Oma?“ Als Antwort geht der Deckel der Gefriertruhe auf. Johanna und Heinz Sailer wussten sich keinen anderen Rat. Mit fast 2500 € im Monat aus Rente, Witwenrente und Pflegegeld finanzierte die Großmutter die letzten Jahre den Rest der Familie kräftig mit. Der Hof wirft nicht genügend ab, um dem Sohnemann ein Auslandssemester oder der Tochter ein neues Auto zu spendieren. Der Sailersche Finanzplan sieht also vor, dass die Oma noch ein Jahr – oder besser eineinhalb Jahre – leben sollte. Nur, wie kann man einen Menschen weiterleben lassen in der Enge einer bayerischen Dorfgemeinschaft?! Der Papa schreibt für den Notfall schon mal Listen mit Ausreden. Doch dann der Super-GAU: die Überprüfung der Pflegestufe steht an. Johanna hat die rettende Idee: Sie könnten sich die demente Erni aus der Nachbarschaft für ein paar Tage ausleihen. Alle sind’s zufrieden, vor allem Erni! Die ist alles andere als dement und stellt die Familie vor neue Herausforderungen.
Foto: Degeto / Krause-Burberg
„Schluss! Aus! Amen!“ – so knallig und mit Ausrufezeichen wie der Titel kommt diese schwarzhumorige Komödie von Thomas und Stephanie Kronthaler gar nicht daher. Weder krachledert es auf der Humorebene, noch kommt der liebe Gott ins Spiel. Die Charaktere sind umso vielschichtiger. Degeto-Dauergast Saskia Vester darf einmal das Rollenklischee der stillen Einfalt verlassen, muss sich nicht die zweite Herzenschance erarbeiten, sondern darf eine Mutter spielen, die bei diesem ganzen Wahnsinn mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und die Sache mit ihrer tief gekühlten Schwiegermutter weiblich pragmatisch angeht. Dagegen ist der Mann, der zwar kräftig bellt, als die Tochter schwanger und ohne Freund nach Hause kommt, bei genauer Betrachtung ein zur Sentimentalität neigender ewiger Vielleicht-Sager. Heinz-Josef Braun, zu Hause in bayerischen Qualitätsfilmen, immer gut für kernige, vermeintlich einfach gestrickte Figuren, außerdem Kabarettist und jahrelang Bassist der Gruppe Haindling, ist hier endlich einmal in einer Hauptrolle zu sehen. Wunderbar, wie er die leisen, melancholischen Töne anschlägt. Und richtig gute Dialoge hat er schließlich auch; wie bei den anderen Figuren nie überpointiert und immer passend zum Charakter. Heinz Sailer meint es gut mit seiner Familie – und auch der Schmerz über den Verlust der Mutter, der anfangs im allgemeinen Aktionismus unterzugehen droht, tritt mehr und mehr zutage.
Schauspieler & Kabarettist Heinz-Josef Braun über schwarzen Humor:
„Schwarzer Humor kann, wenn man ihn ernsthaft umsetzt, eine sehr große Kraft entwickeln. Das kannte ich vorher eher aus England. Dabei reicht das Spannungsfeld beim Zuschauer von Tränen der Rührung, über atemlose Spannung bis zu herzhaftem Lachen. Davon war ich schon immer fasziniert.“
Foto: Degeto / Krause-Burberg
Fiebert man als Zuschauer anfangs mit dem knuffigen Heldenpärchen geradezu atemlos mit, stellen sich bald zunehmend ruhigere, nachdenklichere Handlungssituationen ein. Braun und Vester haben ihre größten Momente, wenn es an die Gefühle geht: selten sieht man in einer Komödie Szenen einer Ehe von so großer Zärtlichkeit. Besonders berührend ist es, wenn sich das Ehepaar am 90. Geburtstag der Verstorbenen zu ihr an die Gefriertruhe setzt, die der Sohn der Toten liebevoll mit Holz umrandet hat. Die Sailers haben zwar eine Leiche im Keller, aber die soll es gut haben und vor allem gemütlich, mit frischem Anstrich und in weißblauem Ambiente. Die Mutter in der Gefriertruhe, das fühlt sich aber irgendwann nicht mehr gut an.
Der schwarze Humor der Ausgangssituation von „Schluss! Aus! Amen!“ weicht in der zweiten Hälfte des Films zunehmend einer menschlich moralischen Ausdeutung. Das schlechte Gewissen ob der tief gefrorenen Großmutter meldet sich immer häufiger. Dennoch gehen die Sailers gestärkt aus der Situation hervor. Mögen sie auch die Solidargemeinschaft geschädigt haben, so solidarisch untereinander waren Vater, Mutter und die beiden erwachsenen Kinder schon lange nicht mehr. Dazu trägt nicht unwesentlich die ausgeliehene Großmutter Erni bei. Mit ihr im Schlepptau sind die Sailers plötzlich eine richtige Familie, ohne die ständige Pflege der verblichenen Großmutter. Sie haben Spaß, werden weicher, toleranter – und der Vater gewinnt an Rückgrat. So verändert der Tod der Großmutter, der nur scheinbar pietätlos dem schnöden Mammon geopfert wird, das Leben der Sailers. Und da am Ende gleich mehrfach gestorben wird, kann die Familie reichlich Lehren ziehen. So ist – wenn man so will – „Schluss! Aus! Amen!“ auch eine Komödie über das Abschiednehmen. Das Abschiednehmen in Zeiten knapper Haushaltskassen. (Text-Stand: 28.8.2014)