Martin ist Nu-Jazz-Trompeter mit eigenem Stil & eigenem Kopf. Er sucht das Besondere, die perfekten Tonfolgen, einen Sound, der Ausdruck seiner Seele ist. Doch diese ist aus dem Gleichgewicht geraten, seitdem er glaubt, seine große Liebe Kristina würde ihn nur lieben, weil er ein begnadeter Musiker ist. Martin möchte aber um seiner selbst geliebt werden. Und so wirft er sein bisheriges Leben weg, um etwas Neues, Echtes, Anderes zu leben. Seine Trompete landet im Rhein – und er auf der Straße. Dieser Mann, Mitte 30, lässt sich treiben durch das Köln der Gestrandeten, der Säufer, der Randexistenzen. Aus einer Schlägerei geht er mit 320 Sozialstunden hervor. Aus dem Musiker wird ein Friedhofsgärtner geworden. Und doch scheint Martin nicht mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Ihm geht diese verrückte Poesie einer unlängst verstorbenen Frau nicht mehr aus dem Sinn. Diese kurzen, kryptischen Sätze, diese wilden Phrasierungen – steckt nicht Musik in dieser Hinterlassenschaft? Martin versucht, die Gedichte dieser unglücklichen Frau, die keiner lieben wollte, zu vertonen. Das könnte der Weg zurück sein – zu sich selbst, zur Musik und vielleicht auch zu Kristina.
Ein Beispiel für die wilde Lyrik der alten Frau:
„Sie sind groß. Ihre Mutter hat faltige Flügel. Die Tür fällt zu. Schweigen. Fehler verzeihen sie nicht. Sie sind Kinder für immer. Unmöglich zu fliegen. Sie rückten die Federn nicht raus hinter der Tür. Kleine Engel mit Ketten. Mädchengelächter am Strand. In den Wunden salziger Sand treibt sie das Meer vor sich her.“
„Schläft ein Lied in allen Dingen“ variiert zwar das allzu wohlfeile Klischee von der Kunst, die in den Auen des sozialen Abgrunds am besten gedeiht, doch übertönt der assoziative Erzählstil des Films diese Prämisse der Geschichte. Bewusstseinsströme, Erinnerungsflüsse, Szenen einer Beziehung, verfremdete Sequenzen aus dem Leben der vor Enttäuschung gestorbenen, alten Frau schieben sich immer wieder vor die linear erzählte Handlung. Der Aufbruch des (Anti-)Helden wird in Andreas Strucks Film nicht in eine klassisch strukturierte Geschichte von der Suche nach sich selbst, nach dem Sinn des Lebens oder nach dem Glück verpackt. Der gut besetzte Film (besonders das trotzig Jungenhafte von Hauptdarsteller Stefan Rudolf passt bestens zum Eigensinn seiner Figur) ist über weite Strecken wie ein Musikstück angelegt – stimmungsvoll und gespickt mit Improvisationen, die selten explizit das Psycho-Dramatische des Stoffs nach außen kehren. Alles, auch das Beziehungsgezerre zwischen Martin und seiner großen Liebe, bleibt lyrisch, angedeutet, verpackt in Chiffren. Dazu sehr passend: die Musik des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvaer. Struck: „Diese Musik sucht, ohne zu wissen, wo sie landen wird. Sie forscht maßlos, voller Neugier. Wie Martin.“ Wer als Zuschauer/Zuhörer nicht mitforschen möchte, dem werden die 80 Minuten lang.