Mona tut, was sie tun muss. Eine voll gekackte Windel rein in einen Umschlag, die Adresse von Freddy Brennfleck drauf – und mal sehen, was passiert. Einen Plan hat sie nicht, nur eine unbezahlte Kita-Rechnung und einen Scheiß-Job in einem Coffee-Shop. Der Samenspender indes, Manager bei Global Records, einer Hamburger Plattenfirma, lebt sein lockeres Leben, weiß allerdings bisher auch nichts von Wonneproppen Bobby. Zwar macht die Musikpiraterie der Branche zu schaffen, aber Freddy ist clever, wenn es heißt, „sein Ding“ durchzuziehen: Und so kündigt er mal eben seine Hochzeit mit Eloise an, Germany’s next Hoffnung im Girlie-Retro-Soul-Segment. Eine Vaterschaft wäre da – Crossmarketing-mäßig – kein gutes Signal. Global-Records-Chef Möbius ist schwer beunruhigt. Doch zunächst muss Freddy herausbekommen, wer die Windelattacke gegen ihn fährt. Ein Fulltime-Job. Denn die Liste der Verflossenen ist lang.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Branchen der Unterhaltungsindustrie scheinen als Hintergrund für Komödien bestens geeignet zu sein. Nach der Welt der Schlager („Das große Comeback“), des Pornofilms („Augerechnet Sex“) und der seit Jahren immer wieder durch den Kakao gezogenen Medienbranche (zuletzt: „Mann kann, Frau erst recht“) leuchtet die ZDF-Komödie „Schief gewickelt“ ins Reich des Music Business, das in Zeiten von Internet und Download-Klick noch schnelllebiger und unberechenbarer geworden ist. Entsprechend sprunghaft und wankelmütig seine Akteure. „Möbius ist ein Plattenfuzzi“, sagt denn auch Uwe Ochsenknecht über seinen Global-Records-Chef, „viel Gelaber, geil auf die jungen Musiker-Mädels, große Schnauze und hat keine Ahnung von Musik.“ Der popmusikalische Running Gag des Films: ein Indie-Duo, das auf White Stripes macht, hat den Troggs-Song „With a girl like you“ gecovert. „Wo hast du denn den Text dazu geschrieben? In der Entzugsklinik? Mensch, Kinder, wir sind hier im Elvis-Business. Wir wollen Stadion-Rock.“ Nach der Standpauke des Managers hat sein Chef noch mal ganz andere Ideen: Gothic-Rock, Ibiza-Techno, Old-School-Vinyl-Rock – jeden Tag eine neue Eingebung und die Band muss abliefern.
Soundtrack: u.a. The Black Keys („Have love will travel“ & „Things ain’t like they used to be“), Troggs (“With a girl like you”), Gonzales („Oregano“ & „Basmati“ & „Overnight“), Devendra Banhart („Santa Maria de Feira“), Metallica („Nothing else matters“), Staple Singers („Let’s do it again“), Danger Mouse & Daniele Luppi feat. Norah Jones (“Black”), Diana Ross (“I’m coming out”), Eels („Souljacker Part 1“), Mary Ann Williams („I’m getting married“), Arctic Monkeys („Riot Van“), Bryan Ferry (“Piece of my heart”)
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Lars Becker, bekannt als der Mann der coolen Krimireihe „Nachtschicht“, hat sich mal wieder an einer Komödie versucht. Zwei Ko-Autoren, darunter Ex-Fehlfarben-Gitarrist Thomas Schwebel, dazu eine Roman-Vorlage – das heißt oft nichts Gutes. „Schief gewickelt“ beginnt unspektakulär. Der Look fürs Genre fast ein bisschen bieder, die Bilder hell, die Farben kräftig bunt. Ein bisschen Pop, ein bisschen Alltag, die Nacht ist bei Lars Becker offenbar nur für den Krimi da. Bald merkt man, dass diese gediegene Form durchaus passt für „Schief gewickelt“: dieser Geschichte von Eddy, der eigentlich alles „easy“ findet, offenbar aber auf eine Wende in seinem Leben wartet, dieser Geschichte von Mona, die oft ziemlich verpeilt reagiert in ihrer privaten Misere, dieser Geschichte vom Ausstieg aus der pubertären Welt des Rock & Roll, dieser Geschichte vom Erwachsenwerden. Zwei Frauen verkörpern die beiden Sphären, zwischen denen sich Ken Dukens Schwerenöter Eddy entscheiden muss. Hier ein abgehobenes Leben auf der Überholspur (engelsgleich: Julie Engelbrecht), dort die Sehnsucht nach Entschleunigung (echt & bodenständig: Cosma Shiva Hagen).
So wie die männliche Hauptfigur nach und nach zu sich findet, ohne aufgesetzt zum „Vater“ zu mutieren und ohne in Richtung monogames Männchen geläutert zu werden, so findet der Film von Minute zu Minute besser seinen Rhythmus. Eine entspannte Komödie, nie zu sehr überdreht. Uwe Ochsenknecht als Möbius, Gisela Schneeberger als Freddys durchgeknallte kleptomane Mutter und Martin Brambach als Eloise’ Spießer-Papa in Polizeiuniform setzen ein paar kultverdächtige Akzente in die urkomische Richtung. „Schief gewickelt“ funktioniert wie ein Longplayer. Nicht umsonst drehen sich bei Mona (mono?!) Vinyl-LP’s auf dem Plattenteller. Mit dem schnellen Blick kann man da nur schief liegen. Der Film springt einen nicht an wie der Ohrwurm in der Musik. Er gewinnt beim Sehen – mit jedem neuen Schauspieler, der ins Bild kommt: überhaupt, die Schauspieler, ihre Spielfreude, der eine laut, der andere leise, ihre bloße Anwesenheit, das ist seit jeher das Herzstück von Lars Beckers Regie. „Schief gewickelt“ gewinnt aber auch beim Hören: während vor allem der Score lange ZDF-like dahinplätschert, legt der Soundtrack in der zweiten Filmhälfte deutlich zu. Ein Film für Fans deutscher Schauspieler, für Pop- und Komödienfreunde. (Text-Stand: 20.8.2012)