Bei den einen ist es Liebe, bei den anderen Hass auf den ersten Blick. Roland und Conny sind hin und weg, als sie sich begegnen. Dass er aus Hamburg und sie aus Rostock ist, macht den beiden nichts aus – aber ihren Cliquen. Die einen sind St.-Pauli-Fans und kommen eher aus der linken Szene, die anderen grölen für Hansa und sind politisch rechts eingestellt. Ein bisschen Randale gehört beim Fußball dazu, doch die Wessi-Provokation beim ersten Aufein-andertreffen schreit nach Rache. Die Liebe schüttet weiteres Öl ins Feuer. Connys Bruder will die Beziehung der Schwester nicht akzeptieren. Man schlägt sich, Blut fließt, Messer blitzen.
Romeo und Julia im wiedervereinigten Deutschland. Und auch der Fußball spielt mit. Bernd Schadewald zeigt in „Schicksalsspiel“ mehr als das Leben in der Nordkurve, er erzählt von einer verlorenen Generation und einem Milieu, in dem Aggressionen blühen und Spaß blutiger Spaß bedeutet. „Die Gesellschaft spiegelt sich auf den Rängen wider“, sagt ein echter Fan in einem der dokumentarischen Interviews, die die Filmgeschichte relativieren. Schadewald wollte nicht auf Kosten der Fan-Kultur seinen Film dramatisieren. Die harten Jungs, die die Gewalt suchen, sind nur eine Minderheit. Der Fan-Block steht hinter einem und wärmt. Der Film, der die realen Fußball-Randalen zwischen Ost und West Anfang der 1990er aktuell aufgriff, entwickelt vor dieser Kulisse einen Bandenkrieg als moderne Shakespeare-Variation.
So deutlich wie bei Schadewald spürt man in Filmen, die der sozialen Wirklichkeit auf den Fersen sind, die Verantwortung des Regisseurs heute nur noch selten. Diese Haltung passt zu einem Film, der einerseits stark auf Authentizität setzt, der andererseits aber auch die nötige Portion Genre, Hoch- & Populärkultur einbringt. Zusammengeschweißt werden Realismus & Kunst in dem für die damalige Zeit extrem physischen Spiel der jungen Darsteller, aus denen Stars des deutschen Films werden sollten: Nicolette Krebitz, Benno Fürmann, Jürgen Vogel.
Als Fernsehkritiker schaut man beim Wiedersehen eines solchen Films der Geschichte der eigenen Arbeit und dem eigenen Erleben zu. Es ergibt sich eine Befangenheit, das heutige Urteil betreffend. Bernd Schadewald wählte 1994 eine Dramaturgie, die schon damals zur Prime-Time für Aufregung sorgte. Redakteure, die auf Zuschauerwanderungen spezialisiert sind, kritisierten vor allem die Exposition: ein Zug voller alkoholisierter Fußball-Rowdies auf dem Weg zum nächsten Spiel. Für die ARD-Klientel über 50 war das harter Toback. Zudem sprang dem Zuschauer der positive Held nicht sofort um den Hals. Was Autoren heute besser beherrschen ist die Kunst, Figuren nicht durch Sprache und Milieu einzuführen (wie in der besagten Zug-Szene), sondern in einer „bewegenden“ Aktion Menschen zu charakterisieren und so den Zuschauer emotional „mitzunehmen“. Man vergleiche den Einstieg von „Schicksalsspiel“ mit „Stille Post“, dem Jugend-Lehrer-Drama mit Sergej Moya und Ursula Karven. Hier geht zu Beginn die Post ab: die Hauptfigur skatet wie ein Verrückter durch das Schulgebäude. Da schaltet keiner weg. Redakteurin von beiden Filmen: Doris Heinze.
Fazit: „Schicksalsspiel“ ist und bleibt ein besonderer Film. Ein Meilenstein des realistischen Fernsehfilms. Grandios fotografiert, toll gespielt, allein bei den Dialogen müsste man heute nachbessern, um noch einmal einen Grimme-Preis zu bekommen. Und das geringere Tempo lässt sich durchaus als angenehm altmodisch verbuchen. Wem die Ästhetik der schmutzigsten Schimanski-„Tatorte“ noch immer angenehm in Erinnerung ist, den dürfte auch bei diesem Film aus der 1990er-Reihe „Wilde Herzen“ mehr als nur ein Hauch Nostalgie überkommen.