Jörg versteht es nach über 20 Jahren Ehe noch immer, seine Frau Iris zu überraschen: zu ihrem diesjährigen Geburtstag beispielsweise mit einem Sitzrasenmäher. Origineller als die Weißgoldkette für die Geliebte, mit der er sich auf Mallorca zur „Geschäftsreise“ vergnügt, mag das ja sein, doch die betrogene Ehefrau will nicht länger der Kinder wegen gute Miene zum lächerlichen Spiel machen. Sie reicht die Scheidung ein. Nach dem Besuch beim Nachlassgericht zieht sie ihren Scheidungsantrag jedoch schnellstens wieder zurück. Denn Jörgs Tante hat nicht nur Tischdecken und Häkelware zu vererben, sondern auch satte 700.000 Euro. Bedingung für die Erbschaft: das zerstrittene Ehepaar muss verheiratet bleiben. Sollte einer von ihnen die Scheidung einreichen, erbt der andere, bei einvernehmlicher Scheidung der Tierschutzbund, Abteilung Plattschweifsittiche. Iris’ Taktik: den unwissenden Gatten zur Scheidung drängen. Doch der hat es gar nicht mehr so eilig mit dem Ausziehen.
Foto: ZDF / Thomas Kost
Einen Rosenkrieg auf kölsche Art liefert die ZDF-Komödie „Scheidung für Fortgeschrittene“. Mariele Millowitsch und Walter Sittler standen nach fünf Jahren wieder einmal gemeinsam vor der Kamera und sie beweisen, dass sie tatsächlich so etwas wie ein Traumpaar in Sachen Beziehungsclinch sind. Dass sie und ihre Figuren als „Naturtalente in Sachen Ehekrieg“ brillieren, haben sie vor allem aber dem ungemein dichten Drehbuch von Regine Bielefeldt zu verdanken. Irgendwann, so denkt man, müsse doch dieses gut geölte Komödienmaschinchen, dessen allzu bekannten Konflikte nicht endlos sind, leer laufen, doch die Autorin bekommt stets eine geschickte Wendung hin, und das Spiel beginnt unter veränderten Vorzeichen wieder neu. Jeder Eskalation folgt eine dezente Annäherung – mal ist es Kalkül, mal gesunder Menschenverstand, aber 80 Minuten lang schwingt keinerlei falsche Romantik mit. Das macht diese Ehekomödie „wahr(haftig)er“ als andere, aber vor allem sehr viel spritziger und witziger.
„Remarriage Comedy“ nennt sich das Genre, dessen Vorläufer bis in die goldenen 1930er Jahre Hollywoods zurückreichen. Helden, die sich nicht dümmer als der Zuschauer stellen müssen, die rasch realisieren, was der „Gegner“ im Schilde führt, und ebenso rasch reagieren, wenn es darum geht, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, sind das Herzstück des Genres. Sie sind die Motoren der Filme, sie bringen Schwung in die Handlung. Der Sprit, das sind die Dialoge, Wortgefechte nach dem Pingpong-System. Ein Beispiel aus „Scheidung für Fortgeschrittene“. Sie: „Du schläfst auf dem Sofa – unterm Dachstuhl!“ Er: „Ich hatte gehofft, wir könnten diesen albernen Klassiker auslassen.“ Sie: „Dann hättest du den albernen Klassiker ‚verheirateter Ehemann vögelt mit Kollegin’ auslassen sollen.“
Der Autorin gelingt etwas, das Genre(!)-Komödien hierzulande stets vermissen lassen: ein perfektes Wechselspiel aus Pointierung und Finalisierung, aus situativen Gags und einer komisierten Handlung. In „Scheidung für Fortgeschrittene“ vereinen sich die narrativen Qualitäten einer guten 90-minütigen Filmkomödie und die handwerklichen Vorzüge einer gut strukturierten Comedy. Einem Regisseur wie Josh Broecker bleibt da nichts anderes übrig, als diese Steilvorlage zu nutzen, das in den Dialogen angedeutete flotte Tempo zu übernehmen, es in höchst bewegte Bilder, gagreiche Montagen und einen überragenden Soundtrack zu übersetzen. Gemessen am Status Quo der deutschen TV-Komödie: Besser geht’s nicht!