Es gibt ja durchaus auch Männer, die für Liebesgeschichten empfänglich sind. Trotzdem gilt das „Herzkino“ im ZDF als ausgesprochen weiblicher und nicht gerade anspruchsvoller Sendeplatz; speziell die Verfilmungen der Vorlagen von Rosamunde Pilcher haben einen denkbar schlechten Ruf. Es gibt aber immer wieder mal sehenswerte Ausnahmen, wie diese Produktion aus dem Jahr 2011 belegt: „Gefährliche Brandung“ ist eine überraschend handlungsreiche und gut gespielte Romanze mit Figuren, die eine gewisse Tiefe haben.
Das gilt vor allem für die sinistre Gegenspielerin des Liebespaars: Seit dem Tod seiner Frau führt deren Schwester Jane (Flemming) den Haushalt des anglikanischen Pfarrers Paul Gilmore (Brenninkmeyer). Weil es das Gerücht gibt, der engagierte Geistliche habe eine Affäre mit einer Minderjährigen, muss er seine Gemeinde verlassen. Aber auch am neuen Arbeitsplatz hat er kein Glück: Der Unternehmer Brad Tyler (Remond) will die heruntergekommene Kirche kaufen und dort seine Firmenzentrale unterbringen. Seine Architektin, die verwitwete Penelope Moore (Julia Stemberger), soll den Umbau überwachen. Tyler würde Penelope gern noch viel enger an sich binden. Zum Glück sagt sie nicht gleich ja, weil sie die Nachricht erst mal schonend ihrer Tochter Mia (Klamert) beibringen muss; die hält den Mann für einen ebenso unausstehlichen Schnösel wie seinen Sohn Justin (Schorn). Der Aufschub entpuppt sich als großes Glück, denn Tyler greift zu höchst unfeinen Methoden, um Paul aus seiner Kirche zu mobben; auch in der Beziehung zu Penelope erweist er sich als schlechter Verlierer. Jane wiederum gefällt es gar nicht, dass sich Paul und Penelope rasch näherkommen; eher stürzt sie alle ins Unglück, als ihren Schwager einer anderen zu überlassen.
Der Bösewicht ist als eher eindimensionale Rolle leicht zu durchschauen, zumal Urs Remond dem Mann die für solche Filme oft obligate oberflächliche Kantigkeit verleiht. Jane ist als vermeintlich stilles Wasser die darstellerisch ungleich dankbarere Figur, zumal Catherine Flemming die Haushälterin von Anfang an mit einer gewissen Abgründigkeit versieht. Wäre „Gefährliche Brandung“ ein Krimi, es wäre frühzeitig klar, wer die Täterin ist. Brenninkmeyer und Stemberger verkörpern ihre Rollen deutlich facettenreicher; allerdings erleben der Pfarrer und die Kirchenskeptikerin auch ein emotionales Wechselbad, weil Penelope dank Janes subtiler Einflüsterungen irgendwann glaubt, der Kirchenmann mache sich an ihre Tochter ran. Auch Mia ist eine interessante Figur, was nicht zuletzt an Teresa Klamert liegt: Die attraktive junge Frau, die ihre ersten Erfahrungen als Schauspielerin als Förstertochter in vielen Staffeln der ZDF-Serie „Forsthaus Falkenau“ gesammelt hat, spielt die leidenschaftliche Surferin, die ihr Hobby nicht ausleben darf, weil ihr Vater dabei ertrunken ist, mit Bravour; erstaunlich, dass sie nach diesem Film nicht schon längst größere Rollen bekommen hat.
In der Führung seiner Darsteller beweist „Traumschiff“-Regisseur Michael Steinke also durchaus Qualität, aber optisch entspricht „Gefährliche Brandung“ dem üblichen Pilcherfilm-Schema. Die Musik von Stammkomponist Richard Blackford lässt keinerlei Zweifel an der jeweiligen emotionalen Ausrichtung, die Kamera (Dieter Sasse) schwelgt in Strandbildern und Sonnenuntergängen, und Steinke sorgt dafür, dass im Rücken der Darsteller stets das Meer zu sehen ist. Aber die Geschichte ist kurzweilig umgesetzt, die Dialoge gerade zwischen dem Liebespaar sowie zischen Mutter und Tochter sind gut geschrieben, und dank der vielen Beach-Boys-Songs darf sich die Zielgruppe fünfzig Jahre jünger fühlen. (Text-Stand: 2015)